Zum dritten Mal hat THE DORF für ein gemeinsames Projekt mit der Hochschule Düsseldorf (HSD) kooperiert: In diesem Sommersemester sollten die Studierenden der Peter Behrens School of Art am Fachbereich Design der Frage nachgehen „Wie geht Auftragsfotografie?“. Hierfür haben die vier Studentinnen Caroline Weber Larsen, Han-Um Kim, Maja Bings und Victoria Wolff im Kurs des Lehrbeauftragten und Fotografen Hartmut Nägele individuelle Projekte verfolgt, wobei sie unterschiedliche Entdeckungen gemacht haben, die das Dorf mit Fotografien aus einem neuen Blickwinkel zeigen. Sie haben Orte entdeckt, die man vielleicht nicht direkt mit Düsseldorf assoziiert, aber dennoch schöne Geschichten erzählen.
Maja Bings besucht für uns die Designerin Natalie Tönnis in ihrem Atelier in Stockum. Natalie verwandelt unter ihrem Label &LadyMondegreen abgelegte Kleidungsstücke und andere Materialien in kunstvolle Unikate – mit dem Ziel, Müllberge der „Fast Fashion“ Industrie zu reduzieren.
Verlängerst Du das Leben eines Kleidungsstückes oder gibst Du ihm ein neues Leben? Beides. Das kann man gar nicht so voneinander trennen. Beim Verlängern sind das eher Reparaturen, wo das Stück länger tragbar und im Kreislauf bleibt. Beim Umgestalten gebe ich ihm ein neues Leben, aber gleichzeitig wird das Leben auch verlängert. Upcycling ist für mich auf jeden Fall beides.
Woher kommen Deine Inspirationen? Von den Materialien selbst. Kleidung, die nicht mehr gewollt ist oder Sperrmüll, bei dem ich kaum daran vorbeifahren kann, ohne zu schauen, ob da nicht doch noch was dabei ist. Beim Repurposing gebe ich den Materialien einen neuen Sinn. Sachen auch mal umzudrehen, zum Beispiel ein Herrenjackett auf links drehen, um auch mal den schönen Futterstoff sichtbar zu machen. Ich bin auch eher eine Macherin als eine Designerin. Das umsetzten und das Unmögliche möglich machen, macht mir eigentlich am meisten Spaß.
Siehst Du Deine Arbeit als Berufung? Auf jeden Fall. Nach meinen Ausbildungen zur Schneider- und Schnitttechnikerin hätte ich zwar auch Design studieren können, wusste aber schon immer, dass es spannender ist, etwas schon Bestehendes zu verbessern, zu optimieren, schöner zu machen oder zu retten. Das hat sich wie ein roter Faden durch die letzten 40 Jahre meines Lebens gezogen. Mein erstes Upcyclingteil entstand aus den Überresten eines Fußbodenbelags aus meinem alten Zimmer. Daraus habe ich mit einem Teppichmesser so einen kratzigen 80er Gürtel mit Glitzersteinen zusammengeschnitten. Meine Eltern haben auch nie etwas weggeschmissen, halt typische Nachkriegsgeneration. Das Nähen hat mir meine Mutter beigebracht und das handwerkliche mein Vater. Ich wuchs also damit schon auf. Aus alten Sachen, die man eigentlich wegwerfen würde, etwas Neues zu erfinden, war einfach selbstverständlich für mich.
Du hast fürs San Francisco Ballett und am Broadway gearbeitet. Warum bist Du wieder zurück nach Düsseldorf gekommen? Als ich mit meinem Mann und meinen drei Kindern wieder nach Deutschland ging, war Düsseldorf einfach ein guter Startpunkt für uns alle. Es hat jedoch lange gedauert, mich hier wirklich wohlzufühlen, Fuß zu fassen und die Stadt zu entdecken für das, was sie ist. Nämlich nicht nur das, was man von außen oft oberflächlich sieht, wie die Kö und das ganze Geld. Düsseldorf hat eigentlich so viel zu bieten an Kultur und Subkultur. Das ist alles so facettenreich und vielschichtig, dass ich das Gefühl bekomme, noch lange nicht alles zu kennen.
Und dann hast Du Stockum für Dich entdeckt? Ich bin total happy, dieses superschöne Atelier in Stockum gefunden zu haben und hoffe, dass es auch noch lange erhalten bleibt. Es ist wirklich eine kleine Oase. Wenn ich hier bin, verlasse ich das Atelier aber recht wenig und konzentriere mich auf die Arbeit. Manchmal gehe ich mit dem Hund im Nordpark spazieren. Viel Laufkundschaft gibt es hier nicht, aber das kann sich ja noch ändern. Ich habe mir eigentlich immer gesagt, nicht dahin zu gehen, wo alle anderen sind, weil ich es schaffen will, dass die Leute mich auch so finden. Die Ecke hier gefällt mir einfach, es ist auf dem Weg in die Stadt, nah am Rhein, und man kann in Ruhe arbeiten.
Woran hast Du gemerkt, dass ein normaler Job in der Modeindustrie nicht in Frage kommt? Damals dachte ich, dass es schon so viele gute Designer:innen gibt und hatte das Gefühl, dass da noch ein anderer Weg für mich möglich sein muss. Dann habe ich erstmal in der Theater- und Showbranche rumgeschnüffelt, wo ich zwar viel lernte, mich aber auch nicht ganz zuhause fühlte. In der Modebranche nimmt man sich oft viel zu ernst und diskutiert über so unrelevante Sachen. Am besten bin ich da aufgehoben, wo ich meine Kreativität an Sachen anwenden und ausprobieren kann, die es schon gibt. Irgendwie bin ich dann auch immer wieder dahin zurückgekommen.
Kannst Du einen Satz zur Zukunft der Modeindustrie sagen? Die Modeindustrie hat sich so lange in eine Richtung entwickelt, dass es noch sehr lange dauern wird, bis sich die grundlegende Einstellung und das Konsumverhalten ändern wird. Damit das schneller geht, müssen einfach mehr Leute besser informiert und begeistert werden. Außerdem muss es klarere Regulierungen geben. In Düsseldorf speziell könnte es definitiv mehr Unterstützung und ernst gemeinte Förderungen für kleine nachhaltige Designer:innen und Unternehmen geben und dies nicht nur punktuell.
Hast Du manchmal Angst, dass sich da gar nichts mehr ändern wird? Ja, oft schaue ich mir das an und denke, oh wie soll ich das nur hier mit meinen Einzelteilen schaffen. Dann sehe ich aber, durch das Netzwerken in Düsseldorf – hier gibt es eine recht gute Scene, was das angeht – dass ich damit nicht allein bin. Und es doch auch lokal so viele Menschen gibt, die sich für mehr Nachhaltigkeit einsetzten. Trotzdem muss man darauf achten, dass man damit nicht in der Sustainability Bubble stecken bleibt, wo man nicht die breiten Massen erreicht. Das ist natürlich mühsam, weil man immer überall sein muss, wo etwas stattfindet, damit man gesehen wird und damit man sich auch nicht um sich selbst dreht. Und jetzt noch ein letzter Satz: Nicht aufgeben, die Hoffnung nicht verlieren, sein Wissen weitergeben und nach vorne schauen.
(c) THE DORF, 2024
Fotos & Interview: © Maja Bings