Name: Christian Friedel
Alter: 41
Beruf: Schauspieler, Musiker & Regisseur
Ausbildung: Otto Falckenberg Schule – Fachakademie für darstellende Kunst
Instagram: @christian_friedel
Schauspieler, Sänger und Regisseur: Der aus Magdeburg stammende Christian Friedel ist ein Dreifach-Talent, das vor nichts zurückschreckt. Seit seinem zehnten Lebensjahr steht er auf der Bühne und ist bekannt für seine atmosphärischen, neoterischen Theateraufführungen in Stücken wie Armin Petras „1984“, Robert Wilsons „Der Sandmann“ und Roger Vontobels „Hamlet“. Für THE DORF THE MAG No. 3 sprach er über Vermissen, Vorfreude und Vorsätze…und natürlich über die am Sonntag gestartete dritte Staffel „Babylon Berlin“.
Als Dorflehrer in Michael Hanekes Oscar-nominiertem Film „Das weiße Band – Eine deutsche Kindergeschichte“ gelang Christian Friedel 2009 der internationale Durchbruch in Hollywood. Heute ist er in der deutschen Film- und Fernsehlandschaft eine bekannte Größe. Er spielte unter anderem Hitlers Attentäter in „Elser“, den Polizeifotografen Reinhold Gräf in „Babylon Berlin” und Daniel Zahnlos Sluiter in „Parfum“. Für Musikenthusiasten ist seine Gruppe „Woods of Birnam“ ein fester Begriff. Mit dem Indie-Pop-Album „Grace“ hat die Band 2018 den Sprung von der Theaterbühne in die Musikcharts und auf die Festivalbühnen geschafft und in diesem Jahr bereits das vierte Studioalbum veröffentlicht. Nach eigener Aussage führt Christian Friedel ein Zigeunerleben auf der Suche nach dem Glück – wir sind gespannt, wo die Reise hingeht. Im Winter führt sie ihn zunächst zurück ins Düsseldorfer Schauspielhaus, um hier am 5. Dezember die musikalische Hamlet-Erzählung „Searching for Hamlet“ und mit „Woods of Birnam“ das Konzert „Life is Gold“ zu spielen. Beides an einem Abend, beides längst ausverkauft.
Seit März wurden Premieren und Projekte verschoben, vieles stand still. Jemand mit so viel Spielfreude wie du muss in dieser Zwischenzeit doch den guten Trubel schmerzlich vermisst haben. Was fehlte dir mehr – Schauspiel oder Musik?
Ich habe es vermisst auf der Bühne zu stehen – ob im Theater oder beim Konzert war eigentlich nebensächlich. Kurz vor unserer Premiere von „Macbeth“ am Staatsschauspiel Dresden mussten wir die Arbeit einstellen und diese Zeit, von 100 auf 0, die ist mir wirklich schwer gefallen. Mit meiner Band konnte ich zumindest weiter Musik im Studio machen, aber das Schauspiel fehlte mir sehr.
Pausen bieten die Chance einer inneren Inventur. Wie war das bei dir? Was hast du dir zuletzt abgewöhnt? Was möchtest du dir angewöhnen? Was hat sich vielleicht unverhofft ergeben?
Diese „innere Inventur“ ist im Nachhinein sogar ein Geschenk, denn man merkt plötzlich, in was für einem Hamsterrad man steckt. Ich liebe es zu arbeiten, aber doch ist es immer mal wieder gut zur Ruhe zu kommen. Wenn also dieser Virus etwas positiv bewirkt hat, dann die Ruhe und die Erkenntnis, dass es eben nicht immer alles auf einmal sein muss. Meine Ernährung würde ich gerne umstellen, denn gerade in der Krise bin ich in alte Muster zurückgefallen. Ein paar Projekte sind ins nächste Jahr verschoben wurden, dafür haben sich bei mir unter anderem zwei „Tatort“-Drehs ergeben und ein Theaterprojekt bei den Salzburger Festspielen. Ich kann mich also momentan nicht über mangelnde Arbeit beklagen. Dennoch beobachte ich den Umgang mit Kunst und die fehlenden Perspektiven für Solo-Selbständige jeglicher Bereiche mit wachsender Sorge.
Du bist nicht nur Schauspieler und Musiker, sondern auch Regisseur. Wie bringst Du das alles unter einen Hut?
Es ist erst einmal toll, diese drei verschiedenen Tätigkeiten überhaupt auszuüben und sie gemeinsam wachsen zu sehen, ist ein absolutes Glück. In der Regel versuche ich Prioritäten zu setzen und in Projekten zu denken. Manchmal lässt es sich nicht vermeiden, parallel zu arbeiten und zeitliche Kompromisse zu machen, aber eigentlich bedeutet das für mich Stress. Wenn ich die Dinge nacheinander abarbeite, befruchten sie sich tendenziell besser gegenseitig.
Nach welchen Kriterien suchst Du Dir Deine Rollen aus?
Mir ist der Charakter der Figur wichtig und ob er sich im Laufe der Geschichte entwickelt. Rein schauspielerisch gesehen sollte die Rolle im besten Fall auch eine Herausforderung darstellen. Entspricht die Figur meinem Naturell oder ist sie genau das Gegenteil davon? Es gilt eigentlich: Je vielschichtiger und geheimnisvoller der Charakter, desto interessanter ist die Rolle. Andere wichtige Faktoren sind für mich der/die Regisseur*in und die Mitakteur*innen.
Mit welcher Person, tot oder lebendig, würdest Du am liebsten mal auf der Bühne stehen?
In puncto Musik würde ich gerne mal mit Björk performen. Was die Schauspielerei betrifft, gibt es einige Darsteller*innen, die ich toll finde. Zum Beispiel bin ich ein großer Meryl Streep Fan – eine echte Charakter-Schauspielerin!
Was ist der Soundtrack zu Deinem Leben?
Musik allgemein: Ob Klassik, Pop, Rock, Soul oder Electro – mein Geschmack ist sehr breit gefächert. Auch meine Musik höre ich gerne und denke, das ist ein gutes Zeichen, denn es gibt ja Musiker*innen, die ihre Songs nicht mehr leiden können. Schallplatten und Aufnahmen von früher sind mir auch wichtig. Manches ist grauenhaft, aber ich empfinde es trotzdem als ein schönes Zeitdokument. Das Tolle an Musik ist, dass sie als Emotions- und Erinnerungsspeicher fungiert. Bei mir gibt es kaum Tage oder Momente, wo die komplette Ruhe einkehrt. In meinem Leben ist die Musik immer dabei.
Am 13. März 2020 erschien „How To Hear A Painting“, das vierte Album deiner Band „Woods of Birnam“. Wie geht es bei euch weiter?
Wir haben im Lockdown unsere Musik, die wir für „Macbeth“ erarbeitet haben, als Soundtrack produziert und aufgenommen und werden dieses Album zur Premiere am 22.1.2021 veröffentlichen. Des Weiteren hoffen wir 2021 mit unserem neuen Album auf Tour gehen zu können und den aufwendigen Abend auch am Düsseldorfer Schauspielhaus präsentieren zu können. Im nächsten Jahr feiern wir unseren 10. Geburtstag und bereiten derzeit einige Sachen dafür vor, die ich noch nicht verraten möchte. Es wird aber durchaus (mal wieder) ein besonderes „Woods of Birnam“-Jahr.
Was hält die am 11. Oktober an den Start gegangene dritte Staffel für Babylon Berlin-Begeisterte bereit? Und was vermutest du, warum fahren die Leute so auf eure Themen und euer Setting ab?
Die neue Staffel unterscheidet sich ein wenig von den ersten beiden Staffeln, vor allem wie die komplexen Geschichten erzählt werden. Sie hat immer noch diese unnachahmliche Atmosphäre und die unglaubliche Detailverliebtheit, aber sie ist näher an den Figuren und dringt tiefer in manch ein Seelenleben. Das ist meiner Meinung nach wichtig, um neben den Schauwerten eine Anknüpfung an die Geschichte zu bekommen. Ich denke, dass diese Mischung den Reiz dieser Serie ausmacht und man sehr gespannt sein kann, wie es in der nächsten Staffel dann weitergeht. Für mich persönlich gibt es in Folge 9 ein ganz besonderes Highlight, ich möchte aber noch nicht zu viel spoilern…
Am 27. November findet die Dernière von „Searching for Macbeth“, der abgespeckten Version der im Frühjahr ausgefallenen und nun für Januar anvisierten „Macbeth“-Inszenierung im Staatsschauspiel Dresden, statt. Danach kehrst du kurzzeitig zurück zu uns ans Düsseldorfer Schauspielhaus – worauf freust du dich hier?
Ich freue mich sehr wieder in Düsseldorf zu sein und im wunderbaren Schauspielhaus auf der Bühne zu stehen. Viel mehr würde ich mich natürlich freuen, wenn wir unsere Repertoire-Stücke wieder spielen können, also den „ganzen“ Hamlet oder gerne auch wieder den Sandmann. Aber so ein kompaktes „Spezialprogramm“ hat natürlich auch seinen Reiz. Im Dezember beginnen in Dresden dann auch wieder die Proben für „Macbeth“. Es geht also weiter und jeder Auftritt, ob in Düsseldorf oder Dresden oder sonstwo ist nicht nur eine Freude, sondern auch ein wichtiges Zeichen, dass Kultur und Kunst eben doch systemrelevant und gerade jetzt absolut notwendig sind.
Beende diesen Satz: Ein perfekter Tag in Düsseldorf bedeutet für mich…
Ausschlafen, einen guten Kaffee bei Woyton oder TENTEN trinken, einen leckeren Salat bei Green Karma essen und abends im ausverkauften Schauspielhaus auf der Bühne performen.
Ein Altbier in der traditionellen Brauerei Schumacher oder ein Glas Wein im Hotspot Bar Olio – was bevorzugst Du?
Weder noch, weil ich nämlich keinen Alkohol trinke. Lieber ein Eis bei La Romana.
Wenn Düsseldorf ein Film wäre, wie würde sein Titel sein?
Reich und Schön.
Text: Merit Zimmermann & Anne Florack
Foto: Joachim Gern
© THE DORF 2019/20