Michael Becker

Name: Michael Becker
Beruf: Intendant
Gelernter Beruf: Musiker und Journalist
Alter: 52 Jahre

Geburtsort: Osnabrück
Wohnort: Düsseldorf
Webseite: www.tonhalle.de
Social: InstagramFacebook

Klassik-Schallplatten auf dem Tisch und Boden, neben einer Stereoanlage stapeln sich die CDs, der Arbeitsplatz ist eingerahmt von Bildern berühmter Komponisten und Dirigenten. Michael Beckers Büro in der Tonhalle verrät auf den ersten Blick, dass der Hausherr mit Musik zu tun hat. Eine noch deutlichere Handschrift haben hier allerdings seine Kinder hinterlassen: Zahlreiche selbst gemalte Zeichnungen und Bilder schmücken die Wände, eine Giraffe aus bunter Blümchentapete lugt hinter einem schwarzen Ledersofa hervor. Musik und Kinder – das sind zugleich zwei wesentliche Eckpunkte von Beckers Arbeit.

Als Becker vor elf Jahren Intendant der Tonhalle wurde, krempelte er einiges um und startete mit dem neuen Konzept „Tonhalle 0 bis 100“: Als erstes Konzerthaus Deutschlands bot die Tonhalle Musik für jede denkbare Altersgruppe an – für Kinder, Jugendliche und Erwachsene. Die Programmstruktur besteht bis heute und ist extrem erfolgreich. Und weil die 1926 erbaute Tonhalle ursprünglich ein Planetarium war, tragen nahezu alle Konzertreihen einen Namen, der mit Sternen, Planeten und dem Weltall zu tun hat. Unter dem Dach der „Kleinen Tonhalle“ gibt es beispielsweise Konzerte für die Allerkleinsten von 0 bis 24 Monaten („Himmelblau“), für Zwei- und Dreijährige („Sterntaler“), für Vier- und Fünfjährige („Plutino“) und „Sternschnuppen“-Konzerte, die sich an Familien mit Kindern ab 6 Jahren richten. Auch für Teenager gibt es passende Formate, etwa die Reihe #IGNITION, in der YouTube-Stars gemeinsam mit den Düsseldorfer Symphonikern auf der Bühne stehen und sich Moderation, klassische Musik und Live-Visuals zu einem sehr coolen Konzerterlebnis zusammenfügen.

Seit Beckers Amtsantritt hat sich die Anzahl der Konzerte für Kinder und Jugendliche verfünffacht, zugleich stiegen die Besucherzahlen in dieser Sparte um 92 Prozent. Doch warum ein so großes, differenziertes Konzertprogramm? Michael Becker weiß als Vater von vier Kindern aus eigener Erfahrung: „Es ist extrem wichtig, die Zielgruppe eines Konzerts genau zu definieren. Konzerte für Kinder von 0 bis 10 Jahren anzubieten, ist völliger Quatsch. Da ist die eine Hälfte überfordert und die andere Hälfte langweilt sich, weil sie unterfordert ist.“ Becker ist der festen Überzeugung, dass das Hören von Musik und das Spielen eines Instruments das Leben verändern und verbessern kann. Um eine ernsthafte und tiefe Liebe zur Musik zu entwickeln, könne man gar nicht früh genug anfangen. „Je älter man wird, desto mehr Vorbehalte entwickelt man gegenüber allem, was man nicht kennt.“

Der 52-Jährige leitet nicht nur die Tonhalle, sondern ist auch Intendant der Düsseldorfer Symphoniker – eine Besonderheit. Deutschlandweit gibt es nur drei Konzerthäuser, die ein eigenes Orchester haben. Diese Konstruktion bietet Becker eine enorme Gestaltungsfreiheit: Er kann das Programm selbst bestimmen und ist nicht darauf angewiesen, fremde Orchester zu buchen, auf deren Repertoire er keinen Einfluss hat. Die „Düsys“ sind ein großes Sinfonieorchester mit mehr als 120 Musikerinnen und Musikern aus 17 Nationen. Becker bezeichnet sie gerne als „Herzkammer der Tonhalle“. Sie treten in verschiedenen Konzertreihen auf, aber die besonderen Höhepunkte sind die „Sternzeichen“: Einmal im Monat spielen die Düsseldorfer Symphoniker in der Tonhalle an drei aufeinander folgenden Tagen ein Konzertprogramm und werden dabei entweder vom Chefdirigenten Adam Fischer, dem jungen Nachwuchsstar Alexandre Bloch oder einem Gastdirigenten geleitet.

Die „Sternzeichen“-Sinfoniekonzerte sind mit Abstand die beliebtesten und erfolgreichsten Konzertreihen der Tonhalle. Vor allem die von Adam Fischer dirigierten „Sternzeichen“ sind nahezu immer ausverkauft, bisweilen werden sogar öffentliche Generalproben angesetzt, um die Nachfrage nach Karten stillen zu können. Michael Becker hat mit der Verpflichtung des weltberühmten ungarischen Dirigenten vor drei Jahren einen echten Coup gelandet. Kenner sagen, dass sich die Düsseldorfer Symphoniker unter ihm künstlerisch enorm weiterentwickelt haben und in eine komplett andere Orchesterliga aufgestiegen sind.

Wer einmal bei einem Konzert mit Fischer im Saal gesessen hat, kann sich dem Zauber kaum entziehen – man spürt förmlich, wie sehr sich Musiker und Dirigent schätzen. Fischer dirigiert regelmäßig in Bayreuth, an der New Yorker MET und der Wiener Staatsoper und erhält hochkarätige Angebote aus der ganzen Welt. Auf die Frage, warum er sich 2015 gerade für die Düsseldorfer Symphoniker entschieden habe, sagte Fischer einmal: „Wenn man so mit Liebe überschüttet wird, kann man schlecht Nein sagen.“

Ein Liebesbeweis des Publikums ist wiederum die hohe Zahl von Konzertbesuchern, die regelmäßig wiederkommen. Beliebteste Abo-Reihe nach den „Sternzeichen“ ist „Ehring geht ins Konzert“, ebenfalls eine Erfindung Beckers: Der bekannte Kabarettist Christian Ehring moderiert darin klassische Konzerte mit wechselnden Orchestern. Einerseits erklärt er sachkundig die Musik, andererseits gibt er scharfzüngige und lustige Kommentare zum aktuellen Politgeschehen ab.

Gerade mit den Ehring-Konzerten hat sich die Tonhalle ein ganz neues Publikum erobert: Hier sitzen weniger die üblichen „Silberrücken“ im Saal, die traditionell Symphoniekonzerte besuchen, sondern deutlich jüngere Besucher – Klassik-Rückkehrer ebenso wie eingefleischte Ehring-Fans, die in erster Linie wegen des Kabarettisten kommen und für die die Musik nur ein zusätzliches „Nice to have“ ist. Damit ist die Ehring-Reihe ein gutes Beispiel für Beckers Haltung, wie er ein Konzerthaus führen möchte: „Früher war Musik ein gesellschaftliches Muss, deshalb wurde der Besuch eines klassischen Konzerts ganz hoch gehängt und war entsprechend elitär. Das ist heute nicht mehr so. Die Menschen zahlen das Haus, das Orchester, die Dirigenten ohnehin über ihre Steuergelder, also sollen sie sich auch herzlich eingeladen fühlen.“ Becker will die Tonhalle als offenes Haus verstanden wissen, das sich jeder Altersgruppe annähert. „Ein Konzerthaus muss ein Spiegel der Stadtgesellschaft sein. Ich freue mich über jeden Gast, auch wenn er keinerlei musikalische Vorbildung hat.“

Vor jedem Sinfoniekonzert tritt Becker auf die Bühne und gibt dem Publikum eine kurze Einführung in den Abend. Diese Moderationsauftritte des Intendanten wurden anfangs viel diskutiert, mittlerweile sind sie fester Bestandteil des Konzertbetriebs. Und Becker macht das so charmant, dass sogar die Elbphilharmonie auf ihn aufmerksam wurde: Seit 2017 moderiert er dort einen Konzertzyklus.

Becker selbst hat den ganz klassischen musikalischen Background, ohne den man vermutlich im Konzertbetrieb auch keine Karriere machen würde. Er stammt aus einer Musikerfamilie – der Vater war Präsident der Musikhochschule in Hannover, seine Mutter Musiklehrerin, einer seiner beiden Brüder ist Pianist. Auch seine Ehefrau ist Pianistin, und jedes der vier gemeinsamen Kinder im Alter zwischen 9 und 16 Jahren spielt ein Instrument. Becker selbst hat fünf Jahre Bratsche in Düsseldorf studiert und war Mitglied in verschiedenen Orchestern, außerdem absolvierte er ein Journalismus-Studium in Hannover und war für verschiedene Tageszeitungen und Radiosender tätig. 1994 wurde er Chef der Niedersächsischen Musiktage und damit jüngster Intendant der Republik, er leitete das Festival 12 Jahre lang. Seit 2007 ist er Intendant der Tonhalle, gerade hat er noch einmal seinen Vertrag bis Sommer 2024 verlängert. Obwohl Becker in Osnabrück geboren und in Hannover aufgewachsen ist, fühlt er sich nach dieser langen Zeit am Rhein als waschechter Düsseldorfer – mit einer Ausnahme: Sein Herz schlägt mehr für Hannover 96 als für die Fortuna.

MORGENS

Guten Morgen – wo trinkst du morgens Deinen Espresso in der Stadt, um wach zu werden? Wenn überhaupt, dann im Bazzar oder in einer der kleinen Privatröstereien (Woyton, VIER etc…) in der Altstadt.

Zum Sonntags-Brunch und ausgedehnten Frühstück trifft man dich… zuhause, bei Freunden oder zum Jazzbrunch nach dem Konzert in der Tonhalle.

Den besten Kaffee gibt es… dort, wo ich auch den Espresso trinke.

MITTAGS

Lecker, gesund und frisch lunchen gehst du in Düsseldorf… ins Pong im NRW Forum.

NACHMITTAGS

Deine Lieblingsroute zum Spazierengehen, Schlendern, Kopf-Frei-Kriegen: hinterm Rather Waldstadion (wenn eines der Kinder trainiert).

Drei Plätze in Düsseldorf, die du deinen Gästen unbedingt zeigen musst: Rheinturm ganz oben, Tonhalle ganz oben und City mittendrin.

Zum Kaffeeklatsch mit Küchlein & Co. trifft man dich hier: Bei Dolcinella in der Tannenstraße, bei Pure Freude und bei Heinemann.

ABENDS

Wo verbringst du am allerliebsten einen gemütlichen Abend mit Freunden oder der Familie? Zuhause als Küchenhelfer (ich kann sehr gut aufräumen und den Herd wischen!)

Welches Restaurant repräsentiert für dich am meisten den typisch-charakteristischen Geschmack von Düsseldorf? Entweder oder: Yabase oder eines der Brauereirestaurants.

Ein Restaurant, wo du immer mal hinwolltest, aber noch nie warst: Gibt es nicht.

Dein absoluter Gastro-Geheimtipp-Lieblings-Spot, den du hier mit allen teilen möchtest? Yabase, der authentischste unter den Japanern.

Dein Lieblings-Altbier: Keins.

NACHTS

Deine Lieblingsbar oder Dein Lieblingsbartender sind: im Steigenberger. Aber nicht sehr regelmäßig.

Eine ganz besondere, erinnerungswürdige Nacht in Düsseldorf hast du wo verbracht? Mal wieder: In der Tonhalle.

Dance the night away! Getanzt wird hier: Nennt mir tanzende Musiker. Not my cup of tea.

IMMER

Wo und wann fühlst du dich wie ein „richtiger Düsseldorfer“? Wenn ich nicht in Düsseldorf bin.

Was vermisst du an der Stadt, wenn du nicht in Düsseldorf bist? Offenheit, fröhliche Ansprache, Übersichtlichkeit.

Könnte man Düsseldorf essen, schmeckt es nach… Himmel un Ähd.

Was liebst du am meisten an Düsseldorf? Den fröhlichen Umgang, den kaum spürbaren Übergang zwischen Arbeit und Privatleben.

Was hasst du am meisten an Düsseldorf? Das Sehen und Gesehen Werden.

Gibt es Plätze oder Orte in der Stadt, die dich in deinem Job inspirieren? Weniger Orte als Menschen in der Stadt. Davon aber jede Menge.

STIL

Wo suchst & findest Du Möbel für Deine Wohnung? Mal im Designerladen, mal bei IKEA, mal im Netz. Viele auch gar nicht…

Deine Top 3 Shopping-Adressen in Düsseldorf? Unspektakulär. Meine Anzüge kaufe ich bei Linus, alles andere der Nase nach…

Gibt es (einen) Düsseldorfer Designer oder Künstler, den du besonders schätzt und wenn ja, warum? Viele, viele, viele. Weil sie nicht nur Kunst schaffen, sondern sich in diese Stadt einbringen…

Der beste Ort, um Leute zu beobachten? Immer noch die Kö.

Nach welchen Regeln stylst du dich? Was geht gut und was geht gar nicht? Ich habe irgendwann gemerkt, dass mir nicht alles steht, was mir an anderen gefällt. Zum Beispiel stehen mir keine grauen Anzüge. Inzwischen sehr schlicht: Haare kurz, Hemden und Hosen schmal und meistens dunkel. Und Polos von Kappa.

Beschreibe den typischen Düsseldorfer-Stil in drei Worten: Die fiese Ausgabe: Zu lange weiße Haare, zu große goldene Pilotenbrille mit blauen Gläsern und eine rostrote Breitcordhose (Bundfalten!).

ALLGEMEIN

Was ist dein Lieblingsessen? Zu vieles. Sehr gerne Japanisch.

Wo oder wobei kannst du am besten entspannen? Beim Rumliegen mit ordentlich Familientrubel im Hintergrund.

Dein Lieblingsreiseziel ist? Natur: Seychellen. Stadt: Tokyo

Welches Buch liegt aktuell auf dem Nachttisch? „Mein Kopf gehört mir“ von Miriam Meckel.

Welchen Kinofilm hast du zuletzt gesehen? Irgendeinen mit den Minions.

Dein All-Time-Favorite-Movie? Kinder des Olymp

Aktuell läuft auf deiner Playlist/deinem Plattenspieler? Mahler 4. Symphonie mit den Düsseldorfer Symphonikern unter Adam Fischer.

Dein All-Time-Favorite-Song? Jeden Tag ein anderer.

Für welchen Verein schlägt dein Herz? Hannover 96

Vielen Dank!

Text: Marita Ingenhoven
Fotos: Kristina Fendesack
Interview & Produktion: David Holtkamp
© THE DORF 2018

Mehr von MARITA

ASPHALT Festival 2018

Wenn durch die U-Bahnhöfe der Stadt wieder Klavierklänge schallen, wenn Pussy Riot...
Weiterlesen