Mischa Kuball

Name: Mischa Kuball
Alter: 56 Jahre
Beruf: Konzeptkünstler

Geburtsort: Düsseldorf
Stadtteil: Friedrichstadt
Webseite: www.mischakuball.com

Es gibt so viele Sachen und ich denke gar nicht daran, jetzt mal eine Pause zu machen. Es geht einfach alles immer weiter.

Vom „Lichteuphoriker“ zum „Lichtskeptiker“ und vom Mehr zum Weniger – Künstlerbesuch bei Mischa Kuball.

Mischa Kuball ist so viel und so vielseitig unterwegs, dass ein einziger Artikel über ihn aus allen Nähten zu platzen droht. Wir stellen ihn deshalb erst einmal persönlich vor und berichten im nächsten Teil en détail von seinen spannenden raumbezogenen Kunstprojekten, die gerade gesammelt in dem Band „public preposition“ erschienen sind. Der waschechte Düsseldorfer, professionelle Konzeptkünstler, Netzwerker und leidenschaftliche Marathonläufer Mischa Kuball öffnet für The Dorf die Pforten seines Ateliers, dem Ort seines Lebens, Denkens und künstlerischen Handelns. Er erzählt uns frei von der Leber weg, was ihn an Licht interessiert, worauf er es richten möchte, was ihm auffällt und ihn inspiriert. Ihn über Düsseldorf reden zu hören, eröffnet so viele neue Facetten dieser Stadt, als blicke man dabei durch ein Kaleidoskop.

Leben und laufen
Wenn man bei Mischa Kuball zu Besuch ist, ist man nicht einfach nur zu Besuch. Er führt in ein Universum ein, das aus vielen lebendigen Elementen besteht und versteckt sich dabei nicht hinter seiner Profession, die zwischen Begriffen wie Licht- oder Konzeptkünstler, Dozent und Gestalter oszilliert. Er zeigt sich als jemand, dessen Interesse an verschiedenen Dingen ihn um die ganze Welt geführt und dabei geformt hat. Lässig und humorvoll erzählt er aus seinem Leben. Es läuft bei Kuball. Vielleicht auch, weil er läuft. Seine Leidenschaft fürs Joggen wird während des Gesprächs zum Running Gag und hat bereits ihre Spuren hinterlassen. Von den gespreizten und strapazierten Zehen unter seinen Socken, über Naturerlebnisse einzelner Laufstrecken erzählt er uns davon, dass er zu Hause am liebsten ganz auf Schuhe verzichtet. Es fällt leicht sich vorzustellen, wie das Laufen Inspirationsquelle und Ausgleich für das Künstler- und Familienleben sind. „Wenn ich wenig Zeit habe, geht die kleinere Runde in den Südpark. Besonders gerne im Frühling, wenn die Magnolien mit ihrem ganz besonderen Duft blühen, Das mögen meine Frau Michèle und ich sehr. Ich beobachte gerne Fischreiher – wenn die nass sind, sehen sie aus wie Bill Kaulitz zu seinen besten Zeiten.“

Die zweite, längere Laufstrecke legt er Düsseldorfern besonders ans Herz: „Ich laufe gerne von Friedrichstadt aus über den Rhein bis nach Wittlaer. Da sieht man auf der einen Seite viel Industriekultur, die großen Stahlwerke und damit natürlich auch ein Stück weit die Identität dieser Region. Und konträr dazu das Ländliche, wenn man zurück läuft. Kaiserswerth mit seinen Zollfesten ist historisch und für mich persönlich ein magischer Ort.“ Sich Orte zu erlaufen und seine Umgebung genau wahrzunehmen ist ein Werkzeug, das für die Umsetzung raumbezogener Kunstwerke essentiell wird. Düsseldorf ist für Mischa Kuball Homebase geblieben, während er Projekte in aller Welt realisiert. Vor 35 Jahren hat er in D-Friedrichstadt ein Atelier gesucht, gefunden und später hier seine Familie gegründet. „Unter unserem Bibliotheksbereich ist die Halle, die ich damals gemietet habe. Vor 22 Jahren bin ich dann auch privat hier eingezogen und seit dem haben wir uns mit der Familie auf dem Grundstück immer mehr ausgedehnt. Die Jungs haben hier auch ihren eigenen Proberaum.“ Und schon ist das nächste kuballsche Thema angeschnitten:

Sound
„Sound spielt bei uns eine ganz große Rolle, wir reden viel drüber“ verrät er. Nicht nur, dass Solsbury Hill von Peter Gabriel sein Lieblingssong ist und Platten von Hans-Joachim Roedelius und Daniel Ansorge bei ihm rauf und runter laufen, sondern auch, dass sich mittlerweile seine ganze Familie aktiv am Open Source Festival beteiligt: „Da machen alle mit, als Lehrender der KHM habe ich auch die Studenten mit einbezogen.“  Erst kürzlich habe er sich „zum ersten Mal als Musiker geoutet“, indem er mit den Akteuren Thomas Klein und Hans-Joachim Roedelius bei Elektro Müller „Musik in Tüten“ spielte. Ein Projekt, das von dem Artist in Residences Programm des Open Source Festivals gefördert wird und bei dem der Sound direkt am Mischpult aufgenommen und aus Plastiktüten-Installationen am Boden des Innenhofs wiedergegeben wurde. „Es gibt so viele Sachen und ich denke gar nicht daran, jetzt mal eine Pause zu machen. Es geht einfach alles immer weiter.“

Licht und Transzendenz
Vor dem Sound aber war das Licht. Als Preisträger des Lichtkunstpreises hat Kuball bereits unzählige Projekte realisiert. Von „MetaLicht“, der feinen Installation am Gebäude der Wuppertaler Universität, die LED-Licht-Linien in den Nachthimmel zeichnet, bis zu einer leuchtenden, menschenleeren Tram – der „Ghosttram“ – die er 2013 durch Kattowitz fahren ließ. Er erklärt: „Das Licht ist mein Material, weil ich glaube, damit eine Situation verändern zu können. Deswegen ist Licht ein zentrales Medium geworden. Nicht weil ich mit Licht arbeiten möchte, sondern es formen, auf einen Gegenstand, auf Personen richten, eine Situation gestalten kann, sodass Menschen beispielsweise über etwas reden, worüber sie nicht reden wollen.“

Licht schafft Aufmerksamkeit und Kuball nutzt diese, um politische Diskurse anzufachen und auch das zu thematisieren, was sonst im Schatten zu bleiben droht. „Ich habe ja zu dem Platon-Thema gearbeitet, also auch mit dem Schatten, dem Dialog im platonischen Höhlengleichnis. Das Interessante war für mich, dass er in der Politeia auftaucht. Da wo Platon über den Staat spricht, so etwas beschäftigt mich auch. Vor 35 Jahren war ich ein Lichteuphoriker,  jetzt werde ich skeptischer, also jetzt bin ich Lichtskeptiker, ne?“ Seine Beziehung zu Licht als Medium hat mit ihm als Künstler eine Veränderung durchlaufen. Die Bezeichnung „Konzeptkünstler“ beäugt er weniger kritisch als die Bezeichnung „Lichtkünstler“, mit der er oft künstlerisch einzuordnen versucht wird: „Zu Gerhard Richter sagt man ja auch nicht „Farben-und Lackkünstler“. Ich mache Situationen, ich gehe immer rein in die Leute, ich nenne das „Eros der Vermittlung“, Eros im Sinne von Antriebskraft.“

Fragen zu philosophische Themen, Transzendenz und Übersinnlichem sind für Kuball kein Wiederspruch zum Künstlerdasein: „Es gibt ja diesen ersten Gedanken: „Künstler sind Atheisten“. Also ich bin überhaupt kein Atheist. Ich glaube nicht nur an Gott, ich glaube auch an Gott. Ich glaube an sehr sehr viele Dinge, an Geister, an Erscheinungen und so. Ich bin einfach offen: Ich kann nicht erklären, warum die Dinge so sind, aber ich muss damit zurecht kommen und wenn ich dafür ein Bindeglied brauche, um das alles nachzuvollziehen, dann ist mir im Grunde fast alles recht. Die Philosophie ist auch nichts anderes, als eine Möglichkeit, über die Dinge in einer anderen Form nachzudenken.“

Auch den Kirchenraum selbst hat Kuball als Medium entdeckt, um mit Kunst in die Gesellschaft einzuwirken. Seine Freundschaft und Zusammenarbeit mit dem Pfarrer und Vorstandsvorsitzenden der Diakonie Düsseldorf Thorsten Nolting hält bereits seit 1997 an. „Da hat er gerade angefangen an der Johanneskirche künstlerische Befragungen vorzunehmen, in den Raum hinein. Wir haben ein partizipatives Fensterprojekt zusammen gemacht, das war 1999-2001. Dann haben wir zusammen angefangen für das Shelter, für Wohnungslose, mit künstlerischen Prozessen einzugreifen. Für die habe ich eine Tasche entwickelt, aus der Notwendigkeit heraus, dass sie immer ihr Hab und Gut transportieren müssen: Den Shelterbag. Auch ein partizipatives Projekt: Du kaufst deine Tasche und ein Wohnungsloser bekommt dafür seine Tasche geschenkt. Das Interessante war für mich, dass sich beide in der Gesellschaft bewegen und sich begegnen. Ich stand mal mit meinem Shelterbag unten in der Heinrich-Heine [U-Bahnstation] und dann kam ein Typ von der Seite und sagte: „Haste auch’n Shelterbag?“ Das war einer, der seine geschenkt gekriegt hat, weil er eben wohnungssuchend war. Das finde ich interessant, Modelle gesellschaftlicher Annäherung. Und natürlich laufe ich mit Thorsten Marathon, logisch.“

Düsseldorf vs. Berlin
Kuballs Werken und Wirken und das Engagement in seiner Heimatstadt trägt Früchte. Die Stadt hat viel Potential sagt er. „Düsseldorf ist Avantgarde. Das war auch in den 1970/80/90er Jahre die erste Adresse. Alle Großen haben erstmal hier ausgestellt. Avantgarde ist ja auch nicht unbedingt Metropolen-affin. Vor fünf Jahren habe ich mit Studenten von der KHM zusammengesessen und auf die Frage, „Wo geht’s denn nach dem Studium hin?“, haben mir alle unisono gesagt: „Berlin.“ Das hörst du gar nicht mehr. Eigentlich sind die ganz woanders unterwegs. Brüssel ist im Kommen. Paris ist total interessant geworden. Ich habe ja viel in Thessaloniki gemacht. Das ist eine ganz moderne, offene Kultur. Eben nicht Griechenland als Bittsteller. Krisenorte sind Orte der Potentiale. Das chinesische Zeichen für Krise ist auch das für Chance. Düsseldorf hat unglaublich viel Potential. Eine unglaublich anerkannte und vitale Kunstakademie. Ein ganz toller Ort, mitten in der Stadt mit einer sehr vitalen Galerieszene, von Avantgarde bis hin zu historischen Positionen. Von Konrad Fischer bis Rupert Pfab oder Van Horn.

Einen Rundgang durch Flingern legt uns Kuball deshalb an unser kunsthungriges Herz: „Wenn es gut ist, darf es ja auch konventionell sein. Wenn man sich die Galerien angeschaut hat, hat man einfach einen ziemlichen Überblick, über das, was gerade gekauft wird. Bei Fischer hast du natürlich auch immer eine Position, die international eingeführt ist. Aber auch die Kunsthalle, der Kunstverein, ich mag das ganze Gebäude mit dem Salon des Amateurs, das ist für mich einer der Hauptplayer hier.“ Als Dozent hat Kuball diesen Player bereits aufs Feld geschickt und mit der time based academy in einem Format gewirkt, dass in Zusammenarbeit mit dem Open Source Festival und der Kunsthochschule für Medien Köln in der Kunsthalle Düsseldorf Räume herausfordert und Musik, Bildende Kunst und offene Projektideen miteinander ins Gespräch bringt. „Die Julia Stoschek Collection steht dahinter, wie auch die Kunsthalle, das Open Source Festival, die Akademie…“ Schliesslich hat Kuball damit auch seine Studenten an den Start gebracht und viele seiner Disziplinen unter einem Dach gefunden. Als Netzwerker, Dozent, suchender Künstler, Musiker und Kommunikator steht Kuball zurzeit im Lichtkegel der Öffentlichkeit und wir dürfen uns sicher sein: Immer wieder bringt er Themen in diese Öffentlichkeit mit, die ein bisschen Aufmerksamkeit vertragen und in ganz neues Licht gerückt werden.

MITTAGS

Lecker, gesund und frisch lunchen gehst du in Düsseldorf … beim Japaner, beim KIKAKU.

NACHMITTAGS

Deine Lieblingsroute zum Spazierengehen, Schlendern, Kopf-Frei-Kriegen: Freidenken an der (Tischtennis-)platte!

Drei Plätze in Düsseldorf, die du deinen Gästen unbedingt zeigen musst: Den japanischen Garten, den Nordpark, das Nagaya auf der Klosterstrasse.

ABENDS

Deine Lieblingsbar oder Dein Lieblingsbartender sind: Das Team im Salon!

Wo verbringst du am allerliebsten einen gemütlichen Abend mit Freunden oder der Familie? Zu Hause

Dein absoluter Gastro-Geheimtipp-Lieblings-Spot, den du hier mit allen teilen möchtest? Nagaya

NACHTS

Eine ganz besondere, erinnerungswürdige Nacht in Düsseldorf hast du wo verbracht? Beim Open Source Festival

Deine Lieblingsbar: Der Salon!

IMMER

Wo und wann fühlst du dich wie ein „richtiger Düsseldorfer“?  In Boston.

Was vermisst du am meisten an der Stadt: Die besten Freunde
.

Könnte man Düsseldorf essen, schmeckt es nach … ABB Mostert
.

Was hasst du am meisten an Düsseldorf? Kö-Bogen 2
.

Gibt es Plätze oder Orte in der Stadt, die dich in deinem Job inspirieren? Den Golzheimer Friedhof
.

Ein Düsseldorfer Künstler, der dich inspiriert: Thomas Schütte. Er durchdringt das Wesen der Dinge, und ist ein toller Bildhauer. Er macht präzise Psychoplasmen.

Dein Lieblings-Bier: Ich trinke im Moment kein Bier (außer Kölsch, lacht).

STIL

Der beste Ort, um Leute zu beobachten? Die Straßenbahn.

Nach welchen Regeln stylst du dich? Was geht gut und was geht gar nicht? Erstmal geht’s gar nicht, würde ich sagen. Spaß, ich habe keinen Stil. Ich lasse mich von Carhartt einkleiden.

Wo suchst & findest Du Möbel für Deine Wohnung? Findet meine Ehefrau Michèle

Gibt es (einen) Düsseldorfer Designer oder Künstler, den du besonders schätzt und wenn ja, warum? Thomas Schütte (siehe oben)

Was geht gut und was geht gar nicht?  Erstmal geht’s gar nicht, würde ich sagen. Spaß, ich habe keinen Stil. Ich lasse mich von Carhartt einkleiden.

Beschreibe den typischen Düsseldorfer-Stil in drei Worten: lässig-elegant-sportlich.

ALLGEMEIN

Dein Lieblingsessen: Nigiri, kalter Fisch
.

Wo oder wobei kannst du am besten entspannen? Bei Musik von Roedelius und Co.

Welches Buch liegt aktuell auf dem Nachtisch? Ferdinand von Schirach, Terror

Dein Lieblingsort: zu Hause

Welchen Kinofilm hast du zuletzt gesehen? Calamity Jane im Flieger

Dein All-Time-Favorite-Movie? Harold and Maude

Dein Lieblingsreiseziel: Morgen früh

Was läuft aktuell auf deinem Plattenspieler: Roedelius Tapes, Blackstar, Magazine von Daniel Ansorge

Dein All-Time-Favorite-Song? Peter Gabriel „Solsbury Hill“

Für welchen Verein schlägt dein Herz? Borussia Dortmund

Vielen Dank!

Text: Teresa Schmidt-Meinecke
Fotos: Judith Buethe
© THE DORF 2016

 

Mit freundlicher Unterstützung von:

THE-DORF-CONZEN_KUNST_Logo_lang300

 

Mehr von TERESA

Im Zwiegespräch mit Kunst und Konsum 


Im Gespräch mit dem Düsseldorfer Galeristen Rüdiger Voss und dem Pariser Maler...
Weiterlesen