ODDWORLD

oddworld | Foto: grotesk.group

NORMCORE ODDCORE
Komplex. Uneindeutig. Deep. Mit oddworld haben die beiden Düsseldorfer Produzenten Alexis Troy und Minhtendo ein neues Projekt gestartet, das sich Kategorien und Stilen vehement entzieht. Extrem atmosphärisch und weird kuratiert, mit einer musikalischen und visuellen Ästhetik zwischen oldschool und AI. Ihre Songs mit Artists wie makko, Souly und Levin Liam haben weit über 2 Millionen Streams auf Spotify – und wir sind erst am Anfang. Mit THE DORF sprachen die beiden Musiker im Studio über ihre vielfältigen Einflüsse: von Skaten, Metal und Breaking Bad bis zu den Toten Hosen, Caravaggio und koreanischen Erfrischungsgetränken. Und über die Immermannstraße als Inspiration.

Ihr seid beide als Produzenten, u.a. RIN und Kollegah, bereits in der Hip-Hop-Szene etabliert, aber mit oddworld geht Ihr neue Wege. Was hat Euch dazu inspiriert, dieses Projekt zu starten und Euch künstlerisch weiterzuentwickeln? A: Es hat sich einfach so ergeben. Auf ästhetischer Ebene passte es. Wir haben bereits für RIN zusammengearbeitet und uns dabei menschlich und künstlerisch verstanden und gleichzeitig ergänzt. Minh ist ein unfassbar guter Kurator – auch jenseits der Musik. In welcher Geschwindigkeit er Korrelationen zwischen Dingen sieht, ist unglaublich. Auf kreativer Ebene haben wir noch nie länger als 10 Sekunden diskutiert.

Inwieweit ergänzt Ihr Euch? A: Wir sind beide sehr visuell, kommen stilistisch aber aus zwei verschiedenen Richtungen. Ich bin düster, melancholischer und cineastischer und Minh ist ein wandelndes bubbly Popkultur-Lexikon. Er kommt aus dem DJing, liebt Autodesign und Skaten. Ich bin mit Metal sozialisiert und gelte bei uns als der Tech Nerd.

M: Alexis hat mich in die Anime Ästhetik eingeführt. Ich habe früher weniger verkopfte Musik gehört. Er hat mir Kontext gegeben für viele Sachen. Ich bin wacher geworden. Im besten Fall macht das Zusammenarbeit aus, dass du Zugang zu neuen Dingen bekommst. Alexis ist für mich einer der besten Mischer und Engineer, er hat ein wahnsinniges Gehör und weiß alles über Musik. Ich kann kein einziges Instrument spielen. Er kann im Handumdrehen Probleme lösen, für die ich vier Stunden und drei YouTube Tutorials brauche. Musikalisch und menschlich vertrauen ich Alexis zu 100%. Er kennt alle Regeln und er bricht sie alle.

Wie seid Ihr auf den Namen oddworld gekommen? A: Wir wollten für unser Projekt ein Bandgefühl und einen eigenen Namen. Generell sind uns Beatnamen wichtig. Bevor es überhaupt einen Song gibt, fragen wir uns: Wie heißt der Beat? Wir hatten bereits einen Beat namens oddworld gebaut, basierend auf der gleichnamigen Videospielserie. Das Game spielt in einer postnuklearen, sehr düsteren Welt auf einem Planeten namens oddworld. Der Hauptcharakter ist aber ein quirky, funny Alien. Das war das perfekte Bild und der perfekte Name für unser Projekt.

M: Wir fühlen uns in der Musikindustrie ein wenig seltsam. Wir sind ein Teil davon – und irgendwie auch nicht. Es gibt viele Aspekte, die unserem Charakter widerstreben. Wir haben uns im Musikbusiness immer an einem seltsamen Ort gefühlt, aber gleichzeitig war es auch cool.

Wie würdet Ihr Euren Stil jemandem beschreiben, der noch nie etwas von oddworld gehört hat? M: Als eine Mischung aller Zeiten ab den 90ern. Wir arbeiten mit Kontrasten. Sind grained und dirty, haltbar und zeitlos. Wie eine alte Gitarre mit Patina. Wenn mich jemand fragt, welche Musik ich mache, schicke ich ihm meinen Pinterest Ordner. Ich zeige lieber Videos und Bilder, als zu sagen, was ich mache. Ich kann das nicht mit Worten erklären, aber die Atmosphäre zeigen.

A: Nichts an unserer Stimmung ist eindeutig, Wir sind weder düster noch haben wir gute Laune. Wir arbeiten hochtechnologisch, aber imperfekt. Das Letzte, was wir wollen, ist dass jemand sagt: Das klingt wie eine chromgeputzte sterile Maschine. Wir wollen klingen wie ein Ghostbusters Mobile. Weird und overperformend. Nicht wie der giftgrüne Aventador in Dubai.

Könnt Ihr uns Euren kreativen Prozess im Studio beschreiben? M: Wir beiden haben meist schon Ideen und Skizzen im Kopf, denn jeder für sich kreiert viel alleine. Ich schicke ihm zwischendurch Sachen, die ich keinem anderen schicken könnte. Manchmal ist es ein Fitzelchen Song, manchmal ist eine Serie, ein Vibe oder ein Emoji und sage: Stell dir DAS mal in DER Welt vor. Wenn ich ins Studio komme, hat Alexis meist schon das Sample gebaut.

A: Wir arbeiten jenseits von Trends. Musik und Mode werden immer schnelllebiger. Wir versuchen uns etwas von diesem Stress zu lösen. Aktuell sind in der Singlefindungsphase und sprechen gerade über die Skizze eines Songs, der drei Jahre alt ist. In der schnelllebigen Musikszene ist das eigentlich undenkbar. Wir schließen fast nichts aus. Wenn es zu unserer zwielichten Welt passt und wenn der Vibe und die Uneindeutigkeit stimmen, könnten wir uns sogar eine Synthesizer Ballade vorstellen. Wir sind als Hörer in der Elektronik zu Hause als Hörer, wir sind viel näher am Soul, Funk, Rap, TripHop und Trap – es muss nicht straight Hip Hop sein.

Wie kommt Ihr an eine Zusammenarbeit mit Künstlern wie makko und Souly? A: Man kennt sich. Man schreibt sich. Man hat sich mal gesehen, Man findet sich gegenseitig cool. Was wir als Produzenten für RIN gemacht haben, hat geholfen.  Da war ein Grundvertrauen da.

Wie wichtig ist das visuelle Element für Eure Kunst?  Was inspiriert Euch? A: Visuelles finde ich inspirierender als Musik. Ich sehe ein Bild, das öffnet für mich eine atmosphärische Welt und dann übersetze ich exakt das in Musik. Ohne visuelle Impulse würden wir beiden keine Musik machen. Das kann ein Film sein, eine Serie oder ein Bild in einem Museum. Caravaggio ist schon richtig krass. Krasser als alles, was ich je musikalisch erschaffen kann.

M: Ich habe sehr früh angefangen zu skateboarden und ziehe viel, aus dieser Welt. Früher waren Boards meine Gemälde, etwa was Ed Templeton für Toy Machine gemacht hat. Ich picke mir aus allen Artists Sachen raus, die mir gefallen und bilde meine eigene Ästhetik.

Ihr arbeitet in der Kreation mit der Düsseldorfer Agentur grotesk.group zusammen. Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit? A: Was grotesk mit generierten Bildern machen, ist so weird und odd wie unsere Musik. Als ich zum ersten Mal ihre algorythmusgetriebenen Designs sah, hatte ich das Gefühl, das transzendiert. Im kreativen Dialog ist grotesk maßgeblich für unsere visuelle Ebene verantwortlich. Für unsere CI, alle Cover, den Merch und das On Air Design. Das Video zu ’wzf / Maybach‘ mit Souly, haben wir ebenfalls mit grotesk umgesetzt. Und natürlich unser OW Logo. Das Kreativteam von grotesk hat Unmengen von Daten generiert, das Logo ist aber letztendlich von Hand gezeichnet. Es war der perfekte Prozess aus Technologie und Handwerk – wie unsere Musik.

Welche Rolle spielt Düsseldorf als kreativer Knotenpunkt für Euch? A: Uns verbindet, dass wir viele Sachen aus Asien feiern. Und da ist man in Düsseldorf natürlich richtig. Wir haben schon Beats gemacht, weil wir eine koreanische Soda Dose aus dem Hanaro Markt geil fanden. Dafür liebe ich Düsseldorf. Ich kann Minh einfach einen Sound beschreiben, indem ich ihm von einem Roboter in einem Ramen Laden auf der Bismarckstraße erzähle. Er weiß sofort, welchen Vibe ich meine. Technologisch, aber irgendwie hängengeblieben.

M: Wir haben viele Beats gebaut, die danach benannt sind, wo wir gerne essen gehen in Düsseldorf: etwa Kushi Tei. Ich bin vor 1,5 Jahren mit meiner Frau nach Düsseldorf gezogen und für mich ist Essen total wichtig. Hier ist die größte asiatische Community, wir lieben die gastronomische Vielfalt Düsseldorfs. Es ist eine belebte Stadt mit der perfekten Größe. Du hast nicht das Gefühl, dass du vereinsamst und zu viel Input bekommst.

Gibt es Orte in der Stadt, die für Eure Arbeit besonders wichtig sind, sei es als Inspirationsquelle? M: Wir frequentieren viel auf der Immermannstraße. Restaurants, Supermärkte. Wir ziehen viel Inspiration aus der asiatischen Kultur, weniger aus der Musik, mehr aus den Vibes.

A: Bei mir hat es voll lange gedauert, Düsseldorf zu verstehen. Im Gegenteil, zu Minh, der aktiv nach Düsseldorf gezogen ist, war es Zufall, dass ich hier gelandet bin. Ich bin in Griechenland aufgewachsen mich von dort aus für das Studium der Komposition und Tontechnik an der Robert Schuhmann Hochschule beworben. Mich haben alle Musikschulen in Deutschland abgewiesen, inklusive der Düsseldorfer. Nur die FH Köln hat sich als gnädig erwiesen. An meinem ersten Tag an der Uni habe ich einen Düsseldorfer kennengelernt, mein erster Freundeskreis in Deutschland war somit in Düsseldorf und nach und nach habe ich hier meine Zeit verbracht.

Was verbindet Ihr mit der Düsseldorfer Musikszene? A: Dazu gibt es eine witzige Anekdote: Meine Patentante war im Vorstand der IG Metall und hat damals Konzerte gegen rechts, u.a. mit den Toten Hosen, organisiert und mir mal ein Autogramm von Campino geschickt. Meine Mutter hat es letztens gefunden. Ich habe als Jugendlicher daheim in Griechenland extrem viel Tote Hosen konsumiert. Es war die einzige deutsche Musik, die ich kannte. Als ich dann Jahre später nach Düsseldorf kam und im Toykio gekellnert habe, lernte ich dann Andy von den Toten Hosen kennen. Stellt euch vor: Ich bin in Thessaloniki, höre ’Kreuzzug ins Glück, freue mich über ein Autogramm von Campino und sitze dann Jahre später beim Hosen-Management JKP. Das ist so crazy. Nichts davon war geplant.

Mit wem würdet Ihr gerne mal zusammenarbeiten? A: Das diktiert der Song. Natürlich gibt es Leute, von denen wir denken, das wäre eine coole Kombi. Auf internationaler Ebene würden wir uns natürlich freuen, auch mal die Sprache zu wechseln. Ich habe Leute kennengelernt, die supernett sind, aber ästhetisch zu weit weg. Andersrum auch Leute, die ästhetisch näher dran sind, aber Arschlöcher. Die Schnittmenge für Kollabos wird so überschaubar. Wir hatten das Glück, mit unseren ersten Singles direkt mit Leuten zu kooperieren, die wir als Künstler extrem schätzen und auf die wir Bock hatten. Und hinter den Kulissen passiert aktuell noch einiges.

M: Uns interessieren aber auch Kollabos mit Video und Visual Artists und da haben wir mit der grotesk group schon die besten der Welt. Wir lieben Merch, da würden wir auch gerne medienübergreifend mit Designern kollaborieren.

Was bedeutet Euch Musik? M: Musik ist mein Leben! (lacht) Nee, Musik eins der 40 Hobbys, die ich gestartet habe. Ich bin dankbar, dass ich durch die Musik auch andere Hobbys habe, wie Videos zu schneiden. Musik hat mir sehr viel geöffnet. Skaten, Video spielen, Filme… ist alles interessant und cool, aber ich habe mich mit Musik am meisten beschäftigt und es ist für mich eine Basis, auch andere Sachen zu tun. Durch Musik habe ich auch die besten Leute kennengelernt. Dass ich damit mein Geld verdiene, ist Fluch und Segen, aber es ist Teil von mir und ich bin sehr dankbar dafür.

A: Musik hat mir den Arsch gerettet, als ich jung war. Ich war ein krasser Nerd mit üblen Matheskills und tief im Gaming verwurzelt. Sehr harte, sehr aggressive Musik war mein Zuhause. Metal hat mich davor bewahrt, auf dem Schulhof verprügelt zu werden, wegen den Dämonen auf meinen Shirts. Hätte ich mehr Talent im Visuellen, wäre ich vielleicht auch beim Film und der Regie gelandet. Ich beneide Leute, die gut zeichnen und malen können.

Was schweißt Euch als Band zusammen? A: Es gibt in der Musikproduktion hohe Hochs und tiefe Tiefs und die kommen oft sehr schnell hintereinander. Wir kommen beide nicht so gut mit Schwankungen klar. Wir schätzen Stabilität. Wir finden es sehr suspekt, wenn und jemand richtig scheiße findet, aber auch wenn uns jemand so richtig geil findet, der uns gestern noch nicht gekannt hat.

Was sind Eure Pläne für die Zukunft? Gibt es neue Projekte oder ein Alben? A: „Wir mögen die Physikalität eines Albums sehr und werden etwas machen, was in der Real World stattfinden wird. Ein Album wird definitiv kommen. Wann und wie ist sehr in flux. Es kann aber sein, dass wir erst noch 8 Singles raushauen.

Was soll man zukünftig über oddworld schreiben oder sagen? A: Wir beiden finden Kunst Elitarismus scheiße. Wenn du ein fünfjähriges Studium brauchst, um zu checken, was ein Künstler dir sagen will. Das muss es geben, ganz klar, aber es ist nichts, was uns bewegt. Ich finde eine der besten Serien, die je gemacht wurde, war Breaking Bad. Du kannst sie von einem Filmanalytiker sezieren lassen und gleichzeitig wird ein Straßengangster sagen: Das ist die realste Serie ever! Das ist für uns die große Kunst. Wenn du was unter der Oberfläche suchst, wirst du was finden. Wenn du das nicht willst, hast du einfach nur eine gute Zeit.

Was würdet Ihr mit Eurer Kunst der Welt schenken? A: Ich stelle mir einen 16-Jährigen vor, der mit dem letzten Bus nach Hause in sein Kaff fährt und dabei einen oddworld Song hört. Weil es das catcht, wo er am liebsten wäre. Weil dieser Soundtrack die Busfahrt funny oder deeper macht. Ihn aus seinem drögen Alltag herausgeholt und in eine andere Welt beamt. Die purste Art und Weise, Kunst zu konsumieren ist, when nobody is watching. Das prägt dein Leben. Wenn wir einen klitzekleinen Obolus dazugeben können, dass eines Tages jemand sich genau an den Moment erinnert, an dem er das erste Mal oddworld gehört hat, wären wir happy. So wie ich genau sagen kann, wann ich das erste Mal ’Smells like Teen Spirit’ gehört habe. Das wäre mein Traumszenario.

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Vielen Dank!

Das Interview erschien im neuen THE DORF THE MAG No. 8 – das Magazin könnt Ihr hier auf shop.thedorf.de bestellen.

(c) THE DORF, 2024
Text: Karolina Landowski
Fotos: grotesk.group
Artwork: oddworld
Stills: „oddworld x souly – wzf/maybach“ visualisiert von grotesk.group

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