Patric Faßbender & Marcus Stahl

„Ein energiegeladener Haufen, der darauf brennt, eine Idee in die Tat umzusetzen.“ Das definiert für Patric Faßbender, Erfinder der Toniebox, ein Startup. Wir haben ihn und seinen Gründungspartner Marcus Stahl im Rahmen der 4. Startup-Woche Düsseldorf 2019, die vom 5. bis zum 12. April mit über 100 Events in der ganzen Stadt stattfindet, besucht. Im Boxine-Hauptquartier in Düsseltal sprechen wir mit den beiden über Gründen, Sammeln und Spaß bei der Arbeit.

Hallo Patric & Marcus. Erzählt uns bitte ein, zwei Sätze zu eurer Person.
P: Ich bin Patric Faßbender, habe mit Marcus die Boxine gegründet, um die Tonies zu realisieren. Mein Background ist Graphikdesign. Ich bin Düsseldorfer und habe hier lange in der Agentur-Welt gearbeitet. Zusammen sind wir seit fünf Jahren mit der Boxine, dem Unternehmen hinter den Tonies, unterwegs, um das Kinderzimmer zu revolutionieren.

M: Ich bin Marcus Stahl, 51 Jahre alt. Ich habe zwei Kinder: Den Henry, der ist 11 und Katharina wird jetzt bald 18. Von Haus aus bin ich Ingenieur, ich habe in Aachen E-Technik studiert und danach den MBA (Master of Business Administration) gemacht. Daraufhin habe ich lange bei Nokia im Automotive-Geschäft gearbeitet. Anschließend habe ich einen Automobilzulieferer gegründet. Das lief irgendwann nicht mehr so gut und dann kam, Gott sei Dank, Patric um die Ecke mit dem ersten Mockup der Toniebox. Das war vor fünf Jahren und seitdem machen wir die Tonies.

Wie sieht euer Alltag bei Tonies/Boxine GmbH aus?
P: Ich glaube so etwas wie Alltag gibt es gar nicht mehr. Es ist extrem unterschiedlich. Wir reisen sehr viel zusammen. Vornehmlich sind wir in Sachen Lizenzen in der Verlagswelt in Deutschland und Europa unterwegs. Weitere Touren beschäftigen sich mit Produktionsthemen, wir produzieren in China und Tunesien. Wir machen tatsächlich noch relativ viel als Doppelspitze. Außerdem wachsen wir als Unternehmen, das heißt, wir haben extrem viele Unternehmensthemen auf dem Tisch: Entscheidungen, die von uns getroffen werden müssen, beispielsweise wenn irgendwo etwas nicht funktioniert oder Herausforderungen auftauchen. In allen Abteilungen sind wir operativ immer noch stark mit eingebunden. Meetings machen wir am Anfang und Ende der Woche, damit wir dazwischen die Reisemöglichkeit haben. Ich komme aus einer Welt, wo man trotz Agenturumfeld von Rhythmus und Regelmäßigkeit geprägt ist und dies trotz kleinteiliger Projekte. In den letzten fünf Jahren sind, und das liebe ich auch an dem Job, unfassbar unterschiedliche Themen auf dem Tisch und es gibt keinen Alltag! *Zu Marcus*: Ich weiß nicht, wie du das wahrnimmst.

M: Wir sind nach zweieinhalb Jahren am Markt jetzt an einem Punkt, an dem wir vordergründig auch Wachstum managen. Wachstum im Bezug auf mehr und mehr Produkte, die wir brauchen. Auch die Mitarbeiteranzahl wächst wahnsinnig schnell, das heißt, wir kümmern uns zwar um Prozesse und Strukturen, aber wir managen auch alles insgesamt. Es gibt nicht diesen Alltag. Jeden Tag passiert etwas Neues und wir sind letztendlich auch die letzte Instanz für Entscheidungen.

Wie kam die Idee der Toniebox zustande?
P: Die Grundidee ist im Kinderzimmer meiner Töchter entstanden. Die waren damals drei und fünf Jahre alt. Beide extrem Hörspielaffin, was ich sehr mag, weil ich selbst mit Hörspielen groß geworden bin: Drei Fragezeichen, 5 Freunde und so. Wir hatten aber immer die Herausforderung, dass CDs, die wir neu gekauft haben, sehr schnell kaputt waren. Das erste, was ich immer gemacht habe, war die CD zu digitalisieren, damit ich diese über Itunes mit einem Pad oder so abspielen konnte. Aber ich wollte den Kindern in dem Alter auch nicht permanent ein Smartphone in die Hand drücken. Deswegen war immer noch der CD-Player das einzige Abspielgerät.

Meine Frau und ich waren es dann irgendwann leid. Wir haben nach einer Alternative geschaut und mussten feststellen, dass es eigentlich nichts gibt, was uns aus Elternperspektive sinnvoll erscheint. Außer irgendwelchen billigen Hartplastik MP3-Playern im Hello Kitty Design gab es nichts und von der User-Experience sind solche Produkte ganz weit weg von kleinen Kindern. Und das war der Moment, wo ich dachte, das mache ich jetzt selbst. Ich war Anfang 40 und hatte keinen Bock mehr auf Werbung. Insofern war ich auch dankbar für ein neues Ziel, auf das ich hinarbeiten konnte und hab mich dann mit dem Thema Kinderdesign, Hören im Kinderzimmer, Produktdesign für Kinder beschäftigt.

Wie war der Prozess zur heutigen Toniebox, wie sahen die Anfänge aus und was musste sich ändern?
P: Unser erster Toniebox Mockup war mit Stoff überzogen, hatte bereits Ohren und ist aus dem Jahr 2013. Dieser zeigt, wie nah die Version am heutigen Konzept ist. Das trifft für das Design natürlich auch zu. Es war schon damals mit Figuren angedacht, die emotional aufladen und gleichzeitig Steuerinstrument sind. Das Ziel war, dass man digitalen Content für Kinder wieder fassbar und erlebbar macht. Die Hauptintention war, gelernte Nutzerkonzepte, die aus der Erwachsenen-Welt ins Kinderzimmer kommen, hinter sich zu lassen und komplett aus der Perspektive von Kindern als User-Gruppe zu denken. Das große Ohr ist für laut und das kleine für leise. Eben nicht durch Plus und Minus die Lautstärke zu visualisieren, sondern durch die Ohren. Dadurch wird gleichzeitig noch ein spielerischer Aspekt aufgegriffen. Vorspulen oder Kapitel weiterblättern wird durch klapsen auf die Box übersetzt und nicht durch zwei Pfeile, die nebeneinanderstehen.

Das Ganze habe ich dann mit meinen Kindern getestet und war irgendwann so begeistert von der Idee, dass ich unbedingt das Produkt realisieren wollte! Ich habe dann sehr schnell gemerkt, dass ich mit meinem Background als Kreativer viel mitbringe, vieles aber auch gar nicht. Ich habe keinen Finanzbackground. Das Thema Technik kenne ich nur als Anwender und nicht aus der Ingenieurssicht. Da fiel mir dann zum Glück Marcus ein. Wir sind sehr unterschiedlich. Er bringt das Ingenieurs- und Finanzthema ein, inzwischen ist es aber auch umgekehrt. Wir tauschen uns wahnsinnig gut aus. Wir kennen uns aus dem Kindergarten in Düsseldorf, wo unsere Kinder gemeinsam waren und haben dort Vorstandsarbeit geleistet. Daher kenne ich seinen Background und habe ihn sehr schätzen gelernt.

M: Seit zwei Jahren sind wir jetzt im Markt, aber haben bereits 2013 gegründet. Wir haben erstmal drei Jahre maßgeblich entwickelt, dass die Box technologisch funktioniert. Dann war die Finanzierung noch ein großes Thema, sowie das Einholen von Lizenzen, was bis heute anhält. Die ersten drei Jahre waren sehr operativ geprägt und im Oktober 2016 sind wir dann in den Markt gegangen. Der Start war das erste Weihnachtsgeschäft. Dann kam 2017 und in diesem Jahr ist das Geschäft komplett durch die Decke gegangen. Mittlerweile bedienen wir als Märkte Deutschland, Österreich, Schweiz, Irland und England. 2018 war dann noch mal erfolgreicher. Bis dahin war es ein langer Weg, wir haben drei Jahre echt gebraucht, um das ganze an den Start zu bringen.

Wie wichtig sind Hörbücher und ein eigenes Abspielgerät, fernab von PC/Handy in dieser Online-Welt?
M: Was auch immer ich für Figuren auf die Toniebox drauf stelle, es hat eine große Emotionalität durch die Figur. Kinder erkennen die Tonie-Figuren und denken: „Das ist der Janosch, den stelle ich jetzt drauf“, wodurch man ein sehr bewusstes und strukturiertes Hören hinbekommt. Das unterscheidet uns von vielen der ingenieursgetriebenen Produkte, wobei wir diese auch nicht verteufeln. Wir sind keine Gegner von Ipads und Co.

P: Wir haben uns noch nie über Technologie definiert. Es war tatsächlich eher ein Problem, was wir im Kinderzimmer gesehen haben und diese Lücke wollten wir mit einem Produkt lösen. Ob da WIFI oder NFC zum Einsatz kommt, das ist uns am Ende des Tages total egal. Wie viel Gigabyte Speicher oder was für ein Prozessor verbaut ist, hat für uns nie eine Relevanz gehabt. Wichtig ist nur, dass das Kind selbst gar nicht merken soll, was da für eine Technologie drin ist.

Es geht darum, das Kind als Nutzer in den Mittelpunkt zu stellen. Ich sehe es an den eigenen Kindern, jetzt neun und elf Jahre, wie sehr Technik mit Tabletts und Smartphones an Relevanz gewinnt. Auf der anderen Seite denke ich, dass wir einen guten Gegenpol im Kinderzimmer anbieten. Eine Alternative, die Kinder aber auch lieben. Das ist ja auch das Schöne daran, dass es nicht so ein verkopftes Thema ist.

Tonies beinhalten auch eine gewisse Sammelleidenschaft, was sammelt ihr privat?
P: Vinyl wieder seit ein paar Jahren. Ich habe eine kleine Sammlung an Struppi-Figuren, von Tim und Struppi. Daher kommt auch die Idee mit den Figuren, weil ich die hier auf dem Schreibtisch stehen habe. Ich bin aber nicht so der exzessive Sammeltyp…

M: Komm, erzähl mal was über deine Briefmarkensammlung. *lautes Gelächter*

P: Das waren Münzen! Ne, aber Vinyl wird schon immer schlimmer und für Graphikbücher habe ich auch eine kleine Leidenschaft. Generell finde ich Kollektionen super, aber wenn es zu sehr ausufert, sehe ich es als Ballast. Ich habe zum Beispiel alle Tim und Struppi Bände, aber nicht alle noch auf Chinesisch, Japanisch, Russisch oder irgendwelche Sonderausgaben.

M: Ich bin auch nicht so der große Sammler. Wir haben beide eine große Leidenschaft für Musik, auch wenn die oft sehr unterschiedlich ausfällt. Ich bin zum Beispiel sehr viel im Jazz unterwegs und beschäftige mich mit einem Thema, wie aktuell Blue Note. Dann fresse ich mich da rein und will auch alles Mögliche haben, wie Platten, Bücher und so. Das ist dann auch eine Art Sammeln. Aber ich muss auch nicht alles haben. Es ist mehr von Interesse getrieben, aber nicht so übertrieben, dass es nicht mehr verständlich für die Familie ist.

Seht ihr euch denn noch als Startup?
P: Wir haben uns noch nie so richtig als Startup gesehen, aber das ist in der Tat eine Definitionssache. Wenn du sagst, ein Startup ist jedes Unternehmen, das jünger als fünf Jahre ist und Geld sammelt, um eine Idee zu entwickeln und auf den Markt zu bringen, waren wir natürlich ein Startup. Aber ich glaube, an vielen Stellen waren wir auch anders organisiert und aufgestellt. Wir sind beide ja auch schon ein bisschen älter und haben ein riesiges Netzwerk mitgebracht. Wir haben uns auch nie wirklich in diesem ganzen Startup-Umfeld getummelt.

Viele machen dies nachvollziehbarerweise, um Netzwerke aufzubauen. Wenn zum Beispiel jemand ein Produktionsthema hat, weiß man im Alter von 25 Jahren vielleicht nicht direkt, wen man anrufen muss. Das war bei uns einfacher, weil wir ein paar Leute kannten, Kontakte hatten und die genutzt haben. Deswegen waren wir in diesem ganzen Kosmos nicht unterwegs. Das wird jetzt ein wenig mehr, weil wir angefragt werden und viele drauf gucken, was wir gemacht haben und die das cool finden.

M: Die Attribute, die für mich ein Startup ausmachen, sind Leidenschaft, Hartnäckigkeit und das Managen von großen Unsicherheiten. Die treffen auch auf uns zu. Wenn wir das von der Seite betrachten, ja, dann sind wir ein Startup und können es auch gerne bleiben. Aber es gehört auch dazu, erwachsen zu werden, Strukturen einzuziehen, Prozesse aufzubauen, profitabel zu sein und Geld zu verdienen. Also viele gute Attribute, die ein Startup mitbringt, aber in der eben beschriebenen Form und nicht als Selbstzweck.

P: Ich glaube, das ist ein Thema, das uns relativ häufig begegnet und das finde ich verwunderlich. Ganz viele haben tolle Ideen, die sie umsetzen wollen und es ist natürlich super, dass wir in einer Zeit leben, in der man aufgrund der Vernetzung und den Möglichkeiten, die man hat, das tatsächlich auch realisieren kann. Du kannst dir Geld organisieren, wenn du eine gute Idee hast und sie ins Ziel bringen, das ist großartig. Aber viele draußen gründen, um zu gründen und haben eigentlich gar keine Idee. Gründen, weil es ein Lifestyle ist. Ich finde es verrückt, dass die Leute es cool finden zu gründen. Aber wenn du fragst: „Was machst du überhaupt?“ kommt dann: „Ist doch egal oder weiß ich noch nicht, aber ich bin Gründer!“ Das bekommt eine Note, mit der ich relativ wenig anfangen kann.

Was zeichnet Düsseldorf als Unternehmensstandort aus?
M: Ganz platt gesagt: Der der zentrale Standort ist sehr wichtig. Wir bedienen uns ja an Produzenten in China und Tunesien, einem Gehäusebauer in Holland, und so weiter. Hier vor Ort haben wir Hafen und Flughafen. Die Infrastruktur ist einfach top. Wir haben ein großes Netzwerk in Düsseldorf, das gewachsen ist und wir uns nicht über Veranstaltungen erarbeiten mussten. Es ist einfach wahnsinnig viel Kompetenz hier in der Stadt.

P: Düsseldorf ist eine hochattraktive Stadt und von der Größe perfekt. Wir sind auch viel in Berlin oder Hamburg unterwegs, das sind auch tolle Städte. Keine Frage. Aber ich möchte dort nicht dauerhaft leben. Düsseldorf ist einfach ein DORF, im positiven Sinne. Das liebe ich an der Stadt, du kannst dich auf dein Fahrrad setzen und bist in 20 Minuten einmal quer durch die Stadt gefahren. Man hat eine hohe Lebensqualität und das ist natürlich für ein Unternehmen, das hier gründet, perfekt. Leute vorzufinden, die ausgebildet sind, Bock haben in dieser Stadt zu leben und was aufzubauen, ist super. Insofern gibt es viele Facetten, die Düsseldorf spannend machen. Vielleicht gibt es andere Städte wie Berlin, wo es noch einfacher ist, an die Geldtöpfe zu kommen, aber grundsätzlich ist Düsseldorf ein sehr attraktiver Ort.

Wie geht man mit einem Misserfolg um und wie sehen die Schattenseiten aus?
P: Wir hatten glücklicherweise noch keine gravierenden Rückschritte. Klar, es waren ein paar Turbulenzen dabei, aber ich habe irgendwann realisiert, dass es ganz anders als in der Agentur-Welt läuft. Wenn es da ein Problem gab, bin ich zu meinem Chef gegangen und habe gefragt, wie wir das lösen. Ich habe sehr schnell realisiert, dass das nicht mehr funktioniert, wenn du selbst oben bist oder der Laden nur aus zwei Leuten besteht. Du musst selbst das Problem lösen. Du merkst auf einmal: Das geht auch. Wenn du die Entscheidungen selbst treffen kannst, dann kannst du auch Probleme aus dem Weg räumen. So viel Anspruch musst du an dich haben. Das haben wir schnell verinnerlicht und gelebt.

M: Wir haben letztes Jahr Vorträge auf der Startup-Woche gehalten und dann kam die Frage, ob man so einen Job auch nebenbei machen kann. Davon können wir nur komplett abraten. Da musst du dich wirklich 100 bis 120% drauf einlassen. Dann wird das auch gut. Du hast vor nichts Angst und bekommst alles weggeräumt. Aber wenn du nebenbei 30% Gründer, 40% Berater und das und das bist, geht das nicht.

Was erhoffst Du dir von der Startup-Woche Düsseldorf 2019?

P: Ich bin bei einer Podiumsdiskussion dabei, bei der über Hürden in der Startup-Welt gesprochen wird. Ich finde es Wahnsinn, was hier entstanden ist in den letzten Jahren. Als wir angefangen haben, gab’s das noch nicht. Wenn man die Entwicklung der Startup-Woche rückblickend sieht, ist das wirklich beeindruckend.

Welches junge Startup findest Du persönlich aktuell spannend oder interessant?

P: Ich habe ein oder zwei, die ich spannend finde. Ich habe einen Freund, der gerade vor einem Jahr gegründet hat. Das Unternehmen entwickelt Sicherheitssoftwares für Events. Dann ist da noch in Köln die ergobag GmbH/FOND OF GmbH. Die sind mittlerweile echt groß geworden, bauen gerade ihr eigenes Logistikzentrum und haben sieben Marken. Dazu gehören die Taschenlabels pingpong und Affenzahn. Mit denen tauschen wir uns auch immer wieder aus. Es gibt aber auch andere auf unterschiedlichsten Levels, die man beobachtet.

M: Auch sonst engagieren wir uns. Wir arbeiten mit der Heinrich-Heine-Universität, machen Vorträge und unterstützen die Startup-Teams hier in Düsseldorf. Dazu zählen nicht nur die regelmäßigen Vorträge, sondern auch so etwas wie Mentoring.

Wie habt Ihr euch mit der Zeit entwickelt? Wie viele Mitarbeiter_innen gehören dazu?
P: Wir sind jetzt um die 100. Angefangen haben wir auf der Friedrichstraße, gegenüber vom Sternverlag. Den gab es damals noch, glücklicherweise. Deswegen haben wir sehr viel Woyton-Kaffee getrunken und eine schöne Zeit dort gehabt. Das Büro gibt es immer noch, da sitzt das Customer Care Team. Dann haben wir ein Büro in Schwäbisch Gmünd, dort sitzen auch ungefähr 10 Leute, die kümmern sich um das ganze Thema Figurenentwicklung und -Design. Die meisten von ihnen kommen von Schleich – die kriegt man nicht nach Düsseldorf. Deswegen haben wir dort ein Büro eröffnet. Dann haben wir noch den Standort hier auf der Grafenberger Allee. In der Nähe von London haben wir noch ein Büro, weil wir eben auch in UK am Start sind. Zum Thema Geschwindigkeit: Wir haben uns im letzten Jahr verdoppelt und wachsen weiterhin. Auch in diesem Jahr werden wir wieder 30 bis 45 neue Leute dazu holen müssen, um dem ganzen gerecht zu werden.

Hattet ihr bereits Probleme mit Plagiaten und wie geht ihr damit um?
M: Bei dem Produkt in der Form gibt es kein Konkurrenz-Produkt. Es gibt ein paar Ansätze, die mit Karten experimentieren und eine ähnliche Technologie verwenden. Die können aber nicht die Emotionalität auslösen wie unsere Tonies. Die Begrifflichkeit „Hörfigur“ ist von uns geschützt. Wenn mal ein Plagiatsfall eintreffen sollte, was bestimmt bald mal passieren wird, dann haben wir einen relativ großen Patentschutz. Außerdem haben wir viele Lizenzen exklusiv und mehrere Innovationen in petto. In der Regel sagen wir: Wir konzentrieren uns auf uns selbst und unsere Neuheiten. Aktuell sind wir noch in der glücklichen Situation, dass es kein vergleichbares Produkt gibt.

Als Düsseldorfer Unternehmen habt ihr euch schon mal bezüglich eines lokalen Tonies Gedanken gemacht? Vielleicht was geschichtliches oder mit F95-Bezug?
P: Es gibt ja den Löwen (…der nicht schreiben konnte) vom Düsseldorfer Autor Martin Baltscheit. Der war bis zur Mitte des letzten Jahres bei jedem Starterset dabei. Insofern haben wir im Kontext mit dem Autor schon einen Zusammenhang zu Düsseldorf. Im Bezug auf Fortuna: Ich habe ja selbst früher bei Fortuna gespielt, wir beide sind Mitglieder und haben eine Dauerkarte. Aber der Verein war in den letzten Jahren sehr mit sich selbst beschäftigt. Ich warte noch drauf, dass sie von sich aus sagen: „Wir haben wirklich Lust auf einen Fortuna-Kreativ-Tonie!“ Ich weiß, dass ein paar Fortuna-Spieler die Toniebox haben. Marcel Sobottka habe ich neulich einen Kreativ-Tonie mit seiner Nummer geschickt. Die klopfen intern auch dafür, dass es irgendwann einen geben wird.

M: Die Kabinenweisheiten eines Friedhelm Funkels, den man dann oben auf die Box stellen kann, machen wir sehr gerne!

P: Genau! Oder „Opa“ (Anmerkung der Redaktion: „Opa“ ist der Stadion-DJ) mit seiner Band, die Stadionmusik spielen. Klar, auf solche Sachen haben wir immer Lust. Ich habe bereits mit Düsseldorf Tourismus gesprochen, dass man auch mal was lostreten könnte. Außerdem haben wir mit Henning Schmitz, einer der aktuellen Kraftwerk-Besetzung, zusammengearbeitet. Er hat das Sounddesign gemacht. Das haben wir nach außen hin gar nicht groß kommuniziert, aber man merkt schon, dass der Düsseldorf-Begzug überall reinspielt.

Neben euren eigenen Tonies gibt es auch einige Figuren aus anderen „Universen“. Welche Kooperation ist für dich am beeindruckendsten und welche Kindheitshelden fehlen noch unbedingt?
P: Aktuell fehlt nichts wesentliches, weil schon alles in der Pipeline ist. Besonders wichtig waren uns Klassiker, wie zum Beispiel von Preußler die Reihe: „Wassermann, das kleine Gespenst und Hotzenplotz.“ Die Wichtigkeit war uns schon sehr früh bewusst. Besonders beeindruckend finde ich die „Unter meinem Bett“-Reihe. Das ist eine Musikreihe von Oetinger Media aus Hamburg. Die haben Kindermusik komplett neu gedacht. Die haben Künstler wie Bela B, Klee, Die Höchste Eisenbahn, Tele und kleine feine Bands aus dem Independent-Bereich gefragt, ob sie nicht Lust haben, Kindermusik zu schreiben. Aber eben nicht wie Anne Kaffeekanne oder Rolf Zuckowski. Viele haben den Markus Langer, der das Projekt verantwortet, für verrückt erklärt. Der hat es aber durchgezogen und zwar super erfolgreich.

M: Was wir für ein Düsseldorfer Unternehmen beeindruckend finden: Wir sind mit 14 Content-Tonies gestartet und jetzt fragen uns selbst Playmobil und Disney an. Disney kommt im zweiten Halbjahr 2019 auf die Box. Man kann von den Disney-Klassikern halten was man will, aber dass so ein Weltunternehmen hier auf die Box will ist schon krass!

P: Worauf ich auch Bock hätte, sind vier Kreativ-Tonies im Sgt. Pepper’s Outfit von den Beatles. Aber die Umsetzung wird sicher schwierig, obwohl wir auch mit den Labels mittlerweile recht guten Kontakt haben. So kleine Perlen, die werden irgendwann mal realisiert, aber das haben wir noch nicht geschafft.

Womit können wir in der Zukunft rechnen? Wird es weitere Sprachen geben oder Geschichten für ältere Kinder?
M: Internationalisierung ist ganz klar ein Thema, das wir weiterhin im Fokus haben. Ein Produkt, das wie unseres aus dem Hören kommt, funktioniert überall. Hörspiele oder -bücher sind ja eher ein deutsches Phänomen, aber Musik, Märchen oder edukative Dinge werden auch Kinder in anderen Ländern überzeugen. Diese Überzeugung leistet England aktuell, weswegen wir auch in andere Länder wollen, wie Spanien, Frankreich, Italien und weitere in Europa. Verstärkt wird das ganze wahrscheinlich auch durch Streaming-Anbieter. Es ist ein wachsender Markt. Die Kernalterszielgruppe liegt bei drei bis zehn Jahren, wobei der Fokus eher auf den jüngeren Kindern liegt. Aber wir werden auch weitere Inhalte für Ältere anbieten, zum Beispiel Hörbuch-Produktionen, Geschichten oder Musik. Wir haben online einen Bereich, wo Kunden uns ihre Tonies-Wünsche mitteilen können.

Gibt es irgendwann auch mal die Eltern-Tonies?
M: Damit beschäftigen wir uns auch, es ist sehr naheliegend. Die Frage, die wir uns dabei stellen ist: „Wäre eine Toniebox in diesem Design auch für Eltern okay, um zum Beispiel Sherlock Holmes oder einen Popstar oben drauf zu stellen?“ Viele beantworten uns die Frage mit: „Ja!“ Aber wir könnten uns auch mit anderen Gehäuseformen nähern. Außerdem haben wir einen Bereich, der sich Bildungseinrichtung nennt und sich mit Krankenhäusern, Geburtsstationen und Kindergärten beschäftigt. Insgesamt gibt es viele Möglichkeiten, die wir nach und nach angehen.

Patric & Marcus haben den Schritt zur Selbstständigkeit bereits hinter sich. Wenn ihr euch auch für das Thema interessiert, erfahrt ihr hier in unserem Beitrag alles zur Startup Woche Düsseldorf 2019. Vom 5. bis zum 12. April 2019 finden insgesamt 128 Events rund um Gründungskultur statt.

Wir sind dankbar für das tolle Interview und freuen uns, dass die beiden so viel Spaß bei der Arbeit haben. Noch einmal Kind sein ist also nichts, wovon man nur träumen sollte, es ist viel mehr der Spaß an Leben und Arbeit, der den grauen Alltag verzaubert. Deswegen hören wir jetzt auch erstmal unsere Lieblingshörbücher. Bis dann!

Text & Interview: Ole Spötter
Fotos:
Melanie Zanin
Produktion: David Holtkamp

© THE DORF 2019

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