In den vergangenen 20 Jahren hat sich das Areal Böhler sehr verändert. Vom Industriecharme des ehemaligen Stahlwerkes an der Hansaallee ist nur wenig übriggeblieben. Nachdem die Arbeiter gegangen waren, zogen Künstler und Kreative ein. Die sind nun fast vollständig von geschäftigen Anzugträgern verdrängt worden. Aber eben zum Glück nur fast. Denn Donald Campbell hält mit „Pavel Skates“ die Stellung. Dass es hier etwas anders zu geht, zeigt schon der überdimensionierte weiße Ami-Schlitten vor der Tür. Aus dem Dodge Charger, Baujahr 1973, steigt Campbell aus. Dem Skatestyle ist der 59-Jährige treu geblieben: kurze Hose, lange Socken, ein Cap unter dem lange, graue Haare herausquellen und die obligaten Vans an den Füßen. „Ich trage seit 50 Jahren Vans, die haben sich an mich gebunden“, sagt der Düsseldorfer.
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Hinter einem Rolltor verbirgt sich seine Werkstatt, die zugleich als Laden, Ausstellungsraum und Treffpunkt der alteingesessenen Böhler-Bewohner fungiert. Reihen von Skateboard-Decks zieren die Wände, alles ist selbst gestaltet und bedruckt. „Ich bin in Deutschland einer der ganz wenigen, die den Siebdruck von Decks beherrschen“, sagt Donald Campbell. Beigebracht hat er sich die Technik selbst, nach 100 versiebten, passte der selbstgebaute und bespannte Rahmen endlich. Der Ursprung von „Pavel Skates“ geht dabei weit zurück, in eine Zeit als das Skaten noch in den Kinderschuhen steckte und keiner ahnen konnte, welchen kulturellen Einfluss es haben würde.
Angefangen mit dem Skaten hat der junge Donald 1975, mit einem bei Karstadt gekauften Deck. Treu geblieben ist er seiner Berufung seitdem. „Ich hab meiner Omma gesagt, dass ich das unbedingt haben muss“, erzählt Campbell. Für den stolzen Preis von 50 Mark war das Skateboard seins. Es folgten tägliche Übungsstunden auf dem Hof seiner Schule in Flingern. „Ich war nach der Schule wirklich jeden Tag bei Wind und Wetter draußen und habe geübt“, sagt er heute. Mit der Zeit entwickelte sich eine kleine Skate-Szene in Düsseldorf. Diese traf sich unter den Rheinbrücken, denn dort konnte man auch im Trockenen seine Tricks üben. In einer lauen Sommernacht saßen 1983 die wenigen jugendlichen Skater der Stadt wie immer nach dem Skaten noch am Rheinufer herum.
Viele kifften, der junge Donald nicht. „Die haben dann alle nur gequatscht, was man nicht alles machen könnte und sich mit Ideen und Hirngespinsten überboten“, sagt Campbell heute. „Ich habe es dann einfach gemacht, meine ersten Decks selbst gebaut und auch bedruckt.“ So entstand „Pavel Skates“. Der Name geht auf einen ebenjener Kiffer zurück, der Donald immer mit seinem dritten Vornamen Pavel ansprach. „Ich fand das damals witzig, diesen Namen auf meine Decks zu schreiben. Um es dem Typen zu zeigen, dass ich es einfach gemacht und nicht nur rumgelabert habe“, sagt der „Pavel Skates“-Gründer. Heute ziert das Brett die Hall-of-Fame-Wand in seiner Werkstatt, neben vielen anderen Erinnerungsstücken aus längst vergangenen Skatezeiten.
Anregung zu diesem Do-It-Yourself-Ethos bekam Campbell einerseits aus der Düsseldorfer Punk-Szene rund um den Ratinger Hof, andererseits auf vielen Besuchen in Los Angeles, der Mutterstadt des Skateboardens. Ende der 70er Jahre flog Campbell zum ersten Mal ins sonnige Kalifornien, knüpft schnell Kontakte und auch lebenslange Freundschaften. „Ich war dort sechs Wochen lang jeden Tag im Marina del Rey Skatepark. Auch zum ersten Mal in einem Pool, das gab es ja bei uns gar nicht“, erzählt er stolz.
So lernte er mit den Z-Boys die Väter des Skateboardens kennen. Deren Geschichte wurde 2005 unter anderem mit Heath Ledger und Emil Hirsch erfolgreich verfilmt. Das Drehbuch zu „Lords of Dogtown“ stammt vom ehemaligen Z-Boy Stacy Peralta, der schon einige Jahre vorher mit der Kino-Doku „Dogtown and Z-Boys“ der Szene in Venice Beach ein Denkmal gesetzt hatte. „Ich war Ende der 70er mit Jay Adams skaten. Irgendwann kam dann Stacy Peralta und hat mich mit Brettern gesponsert“, sagt Campbell. Besonders Peralta, Mitbegründer der Skateboard-Marke „Powell Peralta“, war für ihn ein Vorbild. So sehr, dass Campbell seinem Sohn den Namen Stacy gab.
„Stacy war ein wahnsinnig netter Typ, während Jay Adams echt gefährlich war, der saß ja sogar wegen Totschlags eine Zeit lang im Knast.“ Doch auch zurück in Düsseldorf waren Anfang der 1980er Jahre wilde Zeiten angebrochen. Tagsüber verbrachte Campbell seine Zeit auf dem alten Schlachthof, wo er mit Freunden die erste Mini-Rampe der Stadt installiert hatten. Und abends ging es auf die Ratinger Straße. „Während da andere abgestürzt sind, war mir das Skaten aber immer wichtiger“, sagt Donald „Pavel“ Campbell. „Das Skaten hat mir wirklich den Arsch gerettet, als Punk wäre ich sicherlich abgerutscht!“
Privat ließ Campbell das Skateboard nie los, auch wenn „Pavel Skates“ in den 90er Jahren erstmal in den Winterschlaf fiel. Denn das Geld verdiente Campbell damals mit dem Import von Comics. Auch hier waren natürlich die Kontakte nach L.A. sehr nützlich. „Eine zeitlang war ich Millionär, wusste davon aber nichts“, erzählt er. Denn einige seiner Mitarbeiter im Comic-Laden am Wehrhahn stopften sich die Taschen auf Kosten ihres Chefs voll. „Geschäftlich habe ich oft auf die harte Tour gelernt“, sagt Campbell heute.
Ruhiger wurde es dann erst als er Ender der 1990er Jahre „Pavel Skates“ wieder aufweckte. Und ein wichtiges Kapitel in Düsseldorfs Skate-Gesichte aufschlug. Über Kontakte auf dem Böhler-Gelände konnte er 2004 eine Skatehalle eröffnen. „Wir haben fast sechs Monate lange einen Pool gebaut, später kamen dann noch Mini-Ramps, eine Half-Pipe und eine Street Skate-Area dazu“, sagt Campbell. Fast zehn Jahre lang war die Skatehalle Treffpunkt. In der alten Industriehalle übten Generationen von Skatern, immer unterstützt von Donald Campbell.
Wie so oft, wenn Leute mit Herzblut und ohne großes Kapital etwas aufziehen, ging das Idyll zu Ende als ein neuer Besitzer das Areal übernahm. Heute arbeitet Campbell im Skatepark Eller weiter mit jungen Skatern. Daneben ist er in seiner Werkstatt. Im Laufe der Jahre hat „Pavel Skates“ nämlich eine beachtliche Liste an Kooperationspartner aufzuweisen: mit Carhartt und Vans, Suicidal Tendencies und Blink 182, Fender und Titus. „Skateboarden war ja schon immer auch ein Vorreiter in Sachen Fashion und Musik“, sagt Campbell völlig zu Recht. Sneakers, Basecaps, oversized T-Shirts, Rucksäcke – all diese Trends haben den Weg aus dem Skate-Untergrund in den Fashion-Mainstream gefunden. Und dank Menschen wie Donald Campbell blüht dieser Underground auch weiterhin in Düsseldorf.
Text: Clemens Henle
Fotos: Markus Bronold
Archivbilder: Donald Campbell
© THE DORF 2020/21
English version:
Areal Böhler saw quite some changes in the past 20 years. Not much is left of the industrial charm of the former steel mill on Hansaallee. After the workers had gone, artists and creative people moved in. They have almost been completely chased away by eager suits. But fortunately, only almost. Because Donald Campbell holds the fort with “Pavel Skates”. And the oversized white American car in front of the door already shows that things are somewhat different here. Campbell gets out of the 1973 Dodge Charger. The 59-year-old stayed true to the skating style: short pants, long socks, a cap covering his grey hair and donning the obligatory Vans. “I’ve been wearing Vans for 50 years, they are permanently stuck to my feet”, says the guy from Düsseldorf.
Behind the roller shutter hides the workshop, serving at once as a store, showroom and a meeting point for the long-established Böhler residents. Rows of skateboard decks adorn the walls, every single one designed and printed by Campbell himself. “I’m one of just a few in Germany who master to silk-screen skateboards”, he says. He’s taught himself the technique, after 100 failed prints, the self-made and covered frame finally fit. The beginnings of “Pavel Skates” go back a long way, to times when skating was still in its infancy and no one could have guessed what cultural influence it would have.
Young Donald started skating in 1975 with a deck he bought from Karstadt. Since then he’s been staying true to his vocation. “I told my granny that I absolutely had to have this”, Campbell says. For the stiff price of 50 Deutschmarks, the skateboard was his. Daily lessons followed on the yard of his school in Flingern. “I really went out there every day after school at wind and weather to practice”, he recalls.
Over time a small skater scene grew in Düsseldorf. They met under the Rhine bridges where they could practice their tricks without getting their feet wet. In a mild summer night of 1983, the handful young skaters were hanging out at the riverside as usual. Some smoked weed, but Donald didn’t. “They were all talking about what was possible, outdoing each other with ideas and pipe dreams”, Campbell remembers. “Instead of talking, I just did it, built and printed my first own decks.”
That’s how “Pavel Skates” was born. The name refers to one of these dope-heads who addressed Donald by his third name, Pavel. “Back then, I thought it was funny to write this name on my decks. To prove to the guy that I did it instead of talking rubbish”, tells the “Pavel Skates” founder. Today the deck adorns his workshop’s Hall-of-Fame wall, next to many other memorabilia from past skate times.
Campbell got the inspiration for this do-it-yourself ethos in Düsseldorf’s punk scene around the famous Ratinger Hof as well as during his many visits to Los Angeles, the mother town of the skateboarding scene. It was the end of the 70s when he travelled for the first time to sunny California, where he quickly made contacts and friends for life. “I was there for six weeks and spent every day at the Marina del Rey Skatepark. Also, for the first time in a pool, which didn’t exist back home”, he says proudly.
And by meeting the Z-Boys, he got to know the fathers of skateboarding. Their story became the topic of a successful film with Heath Ledger and Emil Hirsch in 2005. The script of “Lords of the Dogtown” had been written by former Z-Boy Stacy Peralta who already set a monument to the Venice Beach scene with the cinema documentary “Dogtown and Z-Boys”. “At the end of the 70s, I went skating with Jay Adams. Sometime Stacy Peralta joined us and sponsored me with decks”, says Campbell. Especially Peralta, co-founder of the skateboarding brand “Powell Peralta” has been a role model to him. So much so that he named his son Stacy.
„Stacy was such a nice guy, while Jay Adams was really dangerous, he even went to jail for manslaughter for a while.” But back in Düsseldorf times also turned wild at the beginning of the 80s. Campbell spent the days at the old slaughterhouse, where he built the city’s first mini ramp with friends. Evenings he went to the Ratinger Straße. “While others let themselves go, skating was always more important to me”, says Donald “Pavel” Campbell. “Skating saved my life, as a punk I was certainly heading for the gutter!”
Privately, Campbell never let go the skateboard, even though “Pavel Skates” went dormant during the 90s. Since back then he made his money by importing comics. And here the contacts to LA were helpful too. “I was a millionaire for a while and didn’t know anything about it”, he says. He realized that some employees at the comic store at Wehrhahn stuffed their pockets at the expense of their boss. “I often learned running a business the hard way”, reflects Campbell today.
It only became quieter when he reawakened “Pavel Skates” at the end of the 90s – and opened an essential chapter of the Düsseldorf skating era. Thanks to contacts he had at the Böhler premises he could open a skate hall in 2004. “For nearly six months we built a pool, later we added a mini ramp, a half-pipe and a street skate area”, says Campbell. For almost ten years, the skate hall was a meeting point. Several skater generations practised in the old industrial hall, always supported by Donald Campbell.
As is often the case when people build something with heart and soul but without funds, the idyll came to an end when a new owner took over Areal Böhler. Today, Campbell continues working with young skaters at Skatepark Eller. Besides, he works in his workshop. Over the years, “Pavel Skates” has accumulated a remarkable list of cooperation partners including names like Carhartt and Vans, Suicidal Tendencies and Blink 192, Fender and Titus. “Skateboarding has always been a forerunner in fashion and music”, says Campbell rightly. Sneakers, base caps, oversized t-shirts, backpacks – these trends made their way from the skate underground to fashion mainstream. And thanks to people like Donald Campbell, this underground movement will continue to flourish in Düsseldorf.
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