Löwenmähne, Austernseitling, Limonenseitling und Reishi – das sind Pilzarten, die im Vergleich zu den Champignons aus dem Supermarkt eher exotisch klingen. Dahinter verbergen sich faszinierende Organismen, die nur die Spitze des Eisbergs einer großen Artenvielfalt darstellen. Diese Faszination hat Clara Schmidt Anfang 2022 dazu bewogen, in Kaiserswerth mit myko:nect ein Labor mit Galerie zu eröffnen, das Pilze und deren Entstehung thematisiert. Allerdings züchtet sie dort nicht nur verschiedene Pilze und präsentiert sie. Vor allem sollen der Prozess dahinter und die Wertschätzung unverzichtbarer Natur in den Vordergrund gerückt werden. Sie zeigen, welche Wirkkraft die individuelle Nutzbarmachung im Kleinen haben kann – sowohl für sich selbst als auch für die Umgebung.
Nach dem Besuch eines Kurses zur Permakultur in Portugal im Herbst 2021 hat Clara sich zunehmend stärker mit dem Gleichgewicht zwischen der Natur und dem Anbau von Nutzpflanzen beschäftigt. Die in der industriellen Landwirtschaft hauptsächlich angebauten Monokulturen haben einige negative Auswirkungen auf Pflanzen und Umwelt: Unausgewogenheiten der Nährstoffe im Boden erfordern häufiges Düngen und die Pflanzen sind anfälliger für Schädlinge, für deren Bekämpfung oft chemische Mittel eingesetzt werden.
Zusätzlich bestärkt durch viele Reisen und das Interesse an verschiedenen Formen der Heilmedizin, wie Ayurveda, gründet der erste noch spontane Versuch zur Pilzzucht in einer Internet-Bestellung von Sporen. Zu der Zeit, noch in einer kleinen Wohnung in Unterbilk, ist der erste selbst gezüchtete Pilze entstanden und war gleichsam Ausgangspunkt, dem Thema weiter nachzugehen. Das umfangreiche Wissen hat sich Clara hauptsächlich selbst angeeignet. Pilzzucht, deren Bedingungen und Möglichkeiten sind noch weitgehend unerforscht. Neben vielem Lesen gehört deswegen bis heute auch eigene Forschung mit viel Experimentieren dazu.
Genügend Platz dafür gibt es mittlerweile in dem Häuschen mit kleinem Hof nahe dem Kaiserswerther Markt. Dort eröffnete Clara im Januar 2022 myko:nect. Sie veranstaltet draußen und im Labor Trainings, die die Thematik näher bringen und für das eigene Zuhause zugänglich machen. Damit will sie nicht nur zeigen, dass Autarkie selbst in der Stadt noch möglich sein kann. Eine neue Sicht auf das große Potenzial ungenutzter grüner Flecken in der unmittelbaren Umgebung ist wichtig; ob es der Rasen im eigenen Garten ist, auf dem man Gemüsebeete anlegt oder das Basilikumpflänzchen auf der Küchenfensterbank.
Pilze haben Claras Interesse aber noch mehr geweckt, als Kräuter und Gemüse. Die Organismen haben eine vielschichtige Schönheit an sich, die in den Räumen von myko:nect widergespiegelt wird. Parallel zu den eigentlichen Gewächsen zeigt sie dekorative Fotografien und echte Sporenabdrücke. So wird der Pilz von den Milliarden Sporen bis hin zu den verschiedenen Formen, Farben und Strukturen der Fruchtkörper zu einem Gesamtkunstwerk.
Das ist auch der Grund, aus dem es für Clara nicht den einen Lieblingspilz gibt. Was ihre Einsatzmöglichkeiten betrifft, sind Pilze vielseitig einsetzbar. Über die naheliegenden Fleischalternativen und gesundheitlichen Aspekte hinaus wird er in der Mode als vegane Lederalternative eingesetzt. Auch Dämmmaterial wird bereits daraus hergestellt oder Särge, die keine Materialrückstände in der Erde hinterlassen. Löwenmähne, Austernseitlinge, Kräuterseitlinge, Limonenseitlinge und Shiitake sind die Speisepilze, die Clara in ihrem Labor züchtet.
Der Herstellungsprozess bei myko:nect beginnt mit den Sporen. Werden sie zum Beispiel in Honig gegeben, können sie dort zum Myzel heranwachsen. Das Myzel, der eigentliche Pilz, ist ein Zellnetzwerk, über das Nährstoffe aufgenommen und abgegeben werden. Dieses wird dann vorsichtig, sodass keine Fremdkörper hineingelangen, die das Wachstum behindern könnten, dem sterilisierten Substrat beigemischt. Um die idealen Bedingungen dafür zu schaffen, hat Clara einen eigenen Abzug mit Filter gebaut.
Da das Myzel in der freien Natur unter der Erde wächst, ist mit dafür vorgesehenen Zelten für die nötige Dunkelheit und Wärme gesorgt. Dort wächst es ca. drei Wochen bevor es anschließend ans Licht kommt und mit Sauerstoff und Feuchtigkeit versorgt wird. Nach weiteren drei Wochen beginnen die Fruchtkörper, sich zu bilden. In diesem Schritt zeigt sich das Faszinierende des Prozesses am deutlichsten. Manchmal lässt sich innerhalb eines Tages mitverfolgen, welche Wachstumsfortschritte der Fruchtkörper macht.
Die verwendeten Ressourcen für Claras Arbeit sind biologisch und zum großen Teil regional. Hauptbestandteil des Substrats, auf dem der Pilz wächst, sind Sägespäne gefällter Bäume aus umliegenden Wäldern. Ein bereits verwendetes Substrat, auf dem schon Pilze gewachsen sind, kann als solches wiederverwendet werden und eignet sich später als besonders guter Pflanzendünger. Auf die Qualität der einzelnen Bestandteile zu achten ist wichtig, denn alles, worauf der Pilz wächst, nimmt er in sich auf.
Damit zeigt sich, wofür der Name myko:nect steht. Analog zum Myzel ist Clara diese Netzstruktur mit gegenseitigem Austausch für ihre Arbeit und das Projekt sehr wichtig. Beispielsweise arbeitet sie mit Kindergärten zusammen und hilft, die Außenbereiche dort zu bepflanzen. Diese Form der Zusammenarbeit und die Weitergabe von Wissen als Bestandteil eines nachhaltigen Lebens stellen die Inspirationsquelle für Clara und myko:nect dar. Gerade, wenn Nachrichten über den Klimawandel manchmal schwindelerregend sein können, ist es umso wichtiger, sich mit der Natur, die einen umgibt, auseinanderzusetzen und ihre starken sowie schützenswerten Seiten zu kennen.
Am Sonntag, den 11. März 2023 findet im Geschwister-Scholl-Gymnasium von 11 bis 17 Uhr das Saatgutfestival statt. Dort stellt Clara ihre Arbeit mit myko:nect vor. Weitere Infos dazu findet Ihr hier…
nach Vereinbarung
sonntags 11 bis 16 Uhr
Text: Lisa-Marie Dreuw
Fotos: Michelle Duong
© THE DORF 2023