Suzusan heißt das Label von Hiroyuki Murase, genannt Hiro, der in Düsseldorf dem aus Japan stammenden Shibori-Handwerk neues Leben einhaucht. In einem Hinterhofatelier in Flingern-Süd, gegenüber des Weltkunstzimmers, sitzt das Unternehmen, das seine Kollektion weit über Düsseldorf hinaus vertreibt und dessen Handwerkskunst schon bei Dior auf dem Laufsteg und von internationalen Stars wie Natalie Portman getragen wurde. THE DORF besuchte ihn in seinem Atelier, um mehr über sein Label, Shibori und seine Zukunftspläne zu erfahren.
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Hiro, was genau ist Shibori und wie kamst du zu dem Business? Meine Heimat Arimatsu ist seit 400 Jahren bekannt für seine Shibori-Techniken, die für Kimonos benutzt werden. Es gibt viele verschiedene Techniken, aber prinzipiell ist es so, dass der Stoff, traditionell meist Baumwolle, per Hand abgebunden wird und danach wird er gefärbt. Wenn der Bindfaden dann wieder aufgemacht wird, sieht man den entstandenen Farbkontrast. Arimatsu liegt zwischen Tokio und Kyoto und früher hatte dort jede Familie ihre eigene Technik des Abbindens, Färbens und Nähens. Der Stoff ging dann von Haus zu Haus, von Familie zu Familie, wie eine moderne Fabrik mit ihren Arbeitsketten. Ein Kimonostoff durchlief also etwa fünf oder sechs verschiedene Familien, bis der Kimono fertig war. Meine Familie betreibt seit hundert Jahren dieses Geschäft, ich bin die fünfte Generation. Als ich noch in Japan lebte, habe ich mich überhaupt nicht für Shibori interessiert. Ich wollte Künstler werden, habe erst in England studiert und bin dann nach Düsseldorf gezogen, um dort an der Kunstakademie zu studieren. Ich wollte nichts mit dem Familienbusiness zu tun haben (lacht).
Oh, wow. Und wie sieht es heute in Arimatsu aus? Es gab früher einmal mehr als hundert verschiedene Techniken des Shibori, mehr als 10.000 Handarbeiter, die in dem Dorf beschäftigt waren. Also das Dorf ist wirklich klein, man kann es in etwa 15 Minuten durchqueren.
Wie hast du dann doch zum Shibori gefunden? Mein Vater, der auch schon viel für Issey Miyake gefertigt hat, kam nach Europa, um auf einer Messe seine Stoffe zu zeigen. Und weil er kein deutsch oder englisch spricht, habe ich ihm geholfen. So habe das erste Mal außerhalb meiner Heimat den Shibori-Stoff gesehen und die Reaktionen darauf. Wenn man in Japan Shibori sieht, dann denkt man „Ja, kenne ich. Traditionelles Handwerk, nichts Neues“. Aber in Europa waren die Menschen begeistert davon. Als wir zum ersten Mal auf der Premiere Vision ausgestellt haben, kamen Hermès, Louis Vuitton, Chanel und Dior auf uns zu. Für Dior haben wir dann auch tatsächlich einen Haute Couture Stoff gefertigt. Das Kleid kostete am Ende 80.000 Euro und später trug es Natalie Portman zu einem Event. (Er zeigt die Bilder vom Laufsteg und Natalie Portman mit ihrem Mann bei einem Event auf seinem Mac.)
Wann war das? Das war die zweite Kollektion von Raf Simons. Sein Mitarbeiter aus dem Sourcing hatte schon mit uns Kontakt, als Raf noch bei Jil Sander war, aber da hatten sie nicht genug Budget. Als Raf zu Dior ging, wechselte auch der Sourcing-Kontakt mit ihm dorthin. Bei Dior Haute Couture hat er sich an uns erinnert und da gab es dann auch das nötige Budget. (lacht) Kürzlich hat auch Loewe angerufen und wollte einen Stoff bestellen, aber sie sagten, sie brauchen ihn in zwei Wochen. Das musste ich dann absagen, wir hatten einfach keine Kapazität.
Nein! (lacht) Ich bin ein riesen Loewe-Fan. Ja, Loewe ist toll (lacht). Aber das geht mit einer so aufwendigen Handwerkstechnik leider nicht so schnell. Ich zeige Dir das mal.
(Er spielt ein YouTube-Video von den Handwerkerinnen in Arimatsu ab, die fast alle ziemlich bis sehr alt sind und auf Tatami-Matten sitzend Stoff abbinden und vor sich hin wickeln. Auf die älteste deutend sagt er:) Sie hat leider neulich aufgehört. Sie hat mit acht Jahren angefangen und gearbeitet, bis sie 94 Jahre alt war. Sie hat ihr ganzes Leben lang nur das gemacht. Die Techniken gehen aber leider mehr und mehr verloren. Ich habe ja vorhin gesagt, es gab einmal 10.000 Shibori-Handwerker. Als ich damit angefangen habe, gab es nur noch 200. Mein Vater sagte zu mir: „In 15 Jahren wirst du hier keine Handwerker mehr sehen, wenn es so weiter geht. Das Shibori-Handwerk stirbt aus.“ Immer wenn eine Familie oder ein Handwerker aufhört, dann geht eine Technik verloren.
Und deshalb konserviert ihr jetzt die Techniken, die es noch gibt? Ja, das machen wir. Und wir entwickeln auch unsere eigenen Techniken. 2008 habe ich meine Kollektion angefangen, weil die Auftragsarbeit für andere Modedesigner natürlich ein unsicheres Business ist. In einer Saison bestellen sie, aber in der nächsten vielleicht nicht mehr. Mit unserer eigenen Kollektion können wir gewährleisten, dass es immer Arbeit für die Handwerker gibt. So haben wir auch schon ein paar junge, neue Handwerker anstellen und ausbilden können.
Wie kam es denn dazu, dass du dein eigenes Label Suzusan gegründet hast? Ich habe mit Christian Dietsch in einer WG zusammengewohnt, er hat BWL studiert und ich Kunst. Christian wollte nach dem Studium etwas eigenes machen. Als mein Vater zu Besuch war, lag der Stoff bei uns auf dem Küchentisch und Christian hat das gesehen und mich gefragt, ob wir damit ein Business machen sollen. So kam das. Wir haben mit Schals angefangen, dann kamen Lampen und Fashion, also Ready-to-Wear und zuletzt kam unsere Home-Linie dazu, da machen wir zum Beispiel Decken und Kissen. Die Mode verkauft sich aber aktuell am besten.
Wo wird Suzusan denn verkauft? Ich bin anfangs mit fünf Schals im Koffer zu den Läden gefahren und habe mit den Einzelhändlern persönlich gesprochen. Mittlerweile haben wir Verkaufsstellen in 23 Ländern. Darunter sind auch wirklich tolle Läden wie L’Eclaireur in Paris, Biffi in Mailand oder Andreas Murkudis in Berlin – Andreas war einer unser Ersten, der an uns geglaubt hat. Je nach Kategorie haben wir natürlich unterschiedliche Kunden. Für Mode arbeiten wir mit Boutiquen zusammen, Home und Interior wird hauptsächlich von Hotels und Restaurants gekauft.
Und hier sieht es so aus, als hättet ihr einen kleinen Concept-Store geplant, oder? Ja, das stimmt. Ich kenne viele Handwerker und Designer in Japan, Paris und Mailand. Die würde ich hier gerne mit den Designs von Suzusan zusammen bringen.
Und wann ist es so weit? Joa… Gute Frage. (Lacht.) Im Sommer vielleicht. Wenn Zeit ist.
MORGENS
Zum Sonntags-Brunch und ausgedehnten Frühstück trifft man dich… In der Zicke
Den besten Kaffee gibt es… Zu Hause, von meiner Frau
MITTAGS
Lecker, gesund und frisch lunchen gehst du in Düsseldorf…Carlsplatz
NACHMITTAGS
Deine Lieblingsroute zum Spazierengehen, Schlendern, Kopf-Frei-Kriegen: Grafenberger Wald
Drei Plätze in Düsseldorf, die du deinen Gästen unbedingt zeigen musst: K20, K21, Kunsthalle
Zum Kaffeeklatsch mit Küchlein & Co. trifft man dich hier: Hüftgold
ABENDS
Wo verbringst du am allerliebsten einen gemütlichen Abend mit Freunden oder der Familie? Im Olio
Welches Restaurant repräsentiert für dich am meisten den typisch-charakteristischen Geschmack von Düsseldorf? Kikaku (als Japaner)
Dein absoluter Gastro-Geheimtipp-Lieblings-Spot, den du hier mit allen teilen möchtest? Tsun-Gai (Chinesisch)
Dein Lieblings-Altbier: Schlüssel
NACHTS
Deine Lieblingsbar oder Dein Lieblingsbartender sind: Pozangmatcha
Eine ganz besondere, erinnerungswürdige Nacht in Düsseldorf hast du wo verbracht? Ellington
Dance the night away! Getanzt wird hier: Salon des Amateurs
IMMER
Wo und wann fühlst du dich wie ein „richtiger Düsseldorfer“? Jedes Mal wenn ich am Flughafen lande
Was vermisst du an der Stadt, wenn du nicht in Düsseldorf bist? Kunst, Musik und Kultur
Könnte man Düsseldorf essen, schmeckt es nach…Japanisch
Was liebst du am meisten an Düsseldorf? Viel Natur, angenehme Größe zum Fahrradfahren
Gibt es Plätze oder Orte in der Stadt, die dich in deinem Job inspirieren? Die Museen und Galerien
STIL
Wo suchst & findest Du Möbel für Deine Wohnung? Großmarkt, Neu Reich, Licht im Raum
Deine Top 3 Shopping-Adressen in Düsseldorf? Großmarkt Flohmarkt, Aachener Platz Flohmarkt, Buchhandlung König
Gibt es (einen) Düsseldorfer Designer oder Künstler, den du besonders schätzt und wenn ja, warum? Hubert Kiecol, er war mein Professor an der Kunstakademie
Nach welchen Regeln stylst du dich? Was geht gut und was geht gar nicht? Alles geht.
Beschreibe den typischen Düsseldorfer-Stil in drei Worten: Musik, Foto, Kunst
ALLGEMEIN
Was ist dein Lieblingsessen? Curry
Wo oder wobei kannst du am besten entspannen? Zu Hause mit meiner Frau Kaoli
Dein Lieblingsreiseziel ist? Mailand
Welches Buch liegt aktuell auf dem Nachttisch? „My Way of Photo“ von Shoji Ueda
Welchen Kinofilm hast du zuletzt gesehen? Madmax (in Flugzeug)
Dein All-Time-Favorite-Movie? Indiana Jones
Aktuell läuft auf deiner Playlist/deinem Plattenspieler? „On Mande“ von Ogoya Nengo
Dein All-Time-Favorite-Song? Walk on the Wild Side / Lou Reed
Danke!
Text: Barbara Russ
Fotos: Robin Hartschen
© THE DORF 2018/19
English version:
Suzusan is the name of the label of Hiroyuki Murase, called Hiro, who breathes new life into the Japanese craft of shibori. The company is based in a backyard studio in Flingern-Süd, opposite the Weltkunstzimmer, and sells its collection far beyond Düsseldorf. The fabric produced with this special technique has already been worn on Dior’s catwalk as well as byinternational stars like Natalie Portman. THE DORF visited him in his studio to find out more about his label, shibori and his future plans.
“When you see shibori in Japan, you think, ‘Yes, I know. Traditional crafts, nothing new’. But in Europe, people were excited about it.”
Hiro, what exactly is shibori and how did you come to the business? For over 400 years, my home Arimatsu has been known for its shibori techniques, which are used for kimonos. There are many different techniques, but in principle, the cloth, traditionally mostly cotton, is bound by hand and then dyed. When the thread is then opened again, you can see the resulting colour contrast. Arimatsu is located between Tokio and Kyoto and in the past, each family had its own technique of binding, dyeing and sewing. The material went from house to house, from family to family, like a modern factory with its work chains. A kimono fabric went through about five or six different families until the kimono was ready. My family has been running this business for a hundred years, I am the fifth generation. When I was still living in Japan, I was not interested in shibori at all. I wanted to become an artist. First I studied in England, then I moved to Düsseldorf to study at the Academy of Fine Arts. I did not want to have anything to do with the family business (laughs).
Oh, wow. And what about Arimatsu today? There used to be more than a hundred different shibori techniques, more than 10,000 craftsmen and women were employed in the village. The village is really small, it takes no more than 15 minutes to walk from one side of town to the other.
How did you come to shibori after all? My father, who has produced a lot for Issey Miyake, came to Europe to show his fabrics at a trade show. And because he does not speak German or English, I helped him. So, for the first time outside my homeland, I saw the shibori fabric and the reactions to it. When you see shibori in Japan, you think, “Yes, I know. Traditional crafts, nothing new”. But in Europe, people were excited about it. When we first exhibited at the Premiere Vision, Hermès, Louis Vuitton, Chanel and Dior approached us. For Dior, we actually made haute couture fabrics. A dress they made from it cost 80,000 euros in the end and was later worn by Natalie Portman to an event.
He shows the pictures of the catwalk and Natalie Portman with her husband at an event on his Mac.
When was that? This was the second collection by Raf Simons. His sourcing assistant already was in contact with us when Raf was still at Jil Sander, but they did not have a big enough budget. When Raf went to Dior, the sourcing contact went with him as well. At Dior Haute Couture he remembered us and there they also had the necessary budget (laughs). Recently, Loewe also called to order a fabric, but they said they would need it in two weeks. I had to decline that order, we simply had no capacity.
No! I’m a big Loewe fan (laughs). Yes, Loewe is great (laughs). But with such a complex crafting technique, it’s not that easy. I’ll show you. He plays a YouTube video of the artisans in Arimatsu, who are almost all very old. They sit on tatami mats and are wrapping and twisting cloth. Pointing to the oldest, he says: Unfortunately, she has retired recently. She started working at the age of eight and worked until she was 94 years old. She has done nothing else all her life. Unfortunately, the techniques are more and more lost. As I said earlier, there were once 10,000 shibori craftsmen. When I started doing that, there were only 200 left. My dad said to me, “In 15 years, you will not see any craftsmen here if it continues like this. The shibori craft is dying out.” Whenever a family or craftsman stops, a technique is lost.
And that’s why you now preserve the techniques that still exist? Yes, we are doing that. And we also develop our own techniques. In 2008, I started my collection because commissions from other fashion designers are an uncertain business, of course. They order one season, but maybe not in the next. With our own collection, we can ensure that there is always work for the craftsmen and women. Like this we have already been able to hire and train a few young, new talents.
How come you founded your own label Suzusan? I used to live in a flat share with Christian Dietsch, he studied business administration and I studied art. Christian wanted to start his own business after graduation. When my dad was visiting, the fabric lay on the kitchen table and Christian saw it and asked me if we should start a business with it. That’s how it all began. We started with scarves, then lamps and fashion were added, and last came our home line, for which we produce blankets and pillows. Currently, the fashion line is our best selling one.
Where is Suzusan being sold? At first, I drove to the shops with five scarves in my suitcase and talked to the retailers personally. We now have sales outlets in 23 countries. Among them are really great shops like L’Eclaireur in Paris, Biffi in Milan or Andreas Murkudis in Berlin – Andreas was one of the first who believed in us. Of course, we have different customers depending on the category. For fashion, we work with boutiques, home and interior is mainly bought by hotels and restaurants.
And here it looks like you’ve planned a small concept store, right? Yes, that’s true. I know many artisans and designers in Japan, Paris and Milan. I would like to bring this together with the designs of Suzusan.
And when is it going to happen? Oh well … Good question (laughs). Maybe in the summer. When we have the time.
Thank you!
THE DORF • THE MAG is part of the #urbanana project by Tourismus NRW