AILEEN TREUSCH • GALERIE 3AP

Name: Aileen Treusch
Alter: 37
Beruf: Kuratorin, Galeristin
Gelernter Beruf: Kunstwissenschaftlerin

Aileen Treusch hat sich als freie Kuratorin einen Namen gemacht, bevor sie 2022 in Düsseldorf die Galerie 3AP eröffnete – als Plattform für die Erforschung der Verbindung zwischen Kunst und Architektur. Hier schafft sie einen Raum, in dem sich zeitgenössische Künstler, Architekten und Stadtplaner begegnen können. Und macht die räumliche Gestaltung und architektonische Umgebung der Galerie selbst zum integralen Bestandteil der künstlerischen Erfahrung: durch innovative Präsentationsformen, die über traditionelle Ausstellungen hinausgehen. Mit Fokus auf urbane Topologien und Kunst am Bau versteht Aileen Kunst nicht als statisches Objekt, sondern als lebendigen Teil des urbanen Gefüges. Die studierte Kunsthistorikerin erschafft Erlebnisse, die uns dazu bringen, unsere Stadt mit anderen Augen zu sehen. Treusch konzentriert sich besonders auf junge Künstler:innen und Student:innen, und empowert sie, von ihrer Kunst zu leben. 

Welches besondere Konzept verfolgst du mit der Galerie 3AP? Es war nie mein Ziel, eine Galerie zu gründen. Es hat sich einfach ergeben. Nach meinem Studium war ich zunächst am Städel Museum in Frankfurt tätig. Unter der Leitung von Max Hollein, den ich für seine unglaubliche Kreativität, seine zahlreichen Ausstellungen und Veranstaltungsformate bewundere, konnte ich wertvolle Einblicke in die Museumspraxis gewinnen. Davor habe ich etwa 10 Jahre lang in einem Konzerthaus in einem ehemaligen Kraftwerk gearbeitet. Was mich am meisten fasziniert, ist die Lebendigkeit der Galeriearbeit. Ich bin daran interessiert, unterschiedliche Themen zu erforschen und verschiedene Perspektiven in einen kommunikativen Austausch zu bringen, Publikumsspektren zu öffnen und disziplinübergreifend zu arbeiten. Da hat Düsseldorf und das Rheinland mit seinem Erbe zeitgenössischer Kunst und seiner vielseitigen Architekturlandschaft einfach gut gepasst. Die Galerie verbindet Stimmen einer mir nahestehenden Generation und greift künstlerische Positionen von Künstler:innen und Architekt:innen gleichermaßen auf. Ich bin sehr an Fragen der Raumtheorie interessiert. Das kann ein Wechselspiel zwischen Kunst und Architektur sein oder Kunst im Stadtraum, aber auch der malerische oder ein gesellschaftlich konstruierter Raum.

Was vereint Kunst und Architektur und was interessiert dich daran? Die Suche nach Ausdrucksformen oder kreativen Lösungen im Spannungsfeld von Vision, ästhetischer Zielsetzung und Materialität. 

Wie findest du junge Kunsttalente? Ich weiß meist sofort, ob mich ein Werk interessiert, beobachte und tausche mich intensiv mit den Künstler:innen aus. Dazu gehören Ausstellungsbesuche genauso wie Besuche in den Ateliers oder bei den Rundgängen. Das Rheinland und das Rhein-Main-Gebiet habe ich dabei besonders im Blick. Beide Metropolregionen sind über ihre renommierten Kunsthochschulen gut und international aufgestellt. In der Vergangenheit haben auch Initiativbewerbungen zu einem besonders spannenden Austausch geführt. Mit der taiwanesischen Künstlerin Chi-han Feng konnte ich in Düsseldorf eine Performance initiieren, mit der sie im Anschluss dann erfolgreich durch Deutschland, England und die USA tourte. Das hat mich außerordentlich gefreut und beeindruckt! Es ist leider zunehmend schwer für mich, auf Initiativen einzugehen. Trotzdem versuche ich mir alles anzuschauen. 

Welche Künstler:in findest du aktuell besonders spannend? In jedem Fall alle Künstler:innen mit denen ich zusammenarbeite! Darüber hinaus haben mich die Werke und Installationen von Arthur Jafa und Kara Walker in den letzten Jahren immer wieder besonders bewegt und beeindruckt. Ihre Kunst tut weh, verstört macht traurig und wütend. Aus der Wut über etwas gesehen oder erlebtes kann auch ein Potential für Hoffnung und Revolution entstehen. Große Kunst ist für mich immer mit Eindrücken und Emotionen verbunden, die am System rütteln. Es geht nicht darum Lösungswege aufzuzeigen, ein Anfang liegt im Erkennen oder Erinnern. Manchmal ist es auch das winzig kleine, bewusst dekorative oder Ausstellungskontexte wie zuletzt in Turin bei Cally Spooner. Ein virtuoses und gleichberechtigtes Zusammenspiel: Architektur und Ton waren ineinander verschränkt, ohne in eins zu fallen. Absolut ergreifend.

Frauen in der Kunst sind nach wie vor unterrepräsentiert. Wo stehen wir aktuell? Wir stehen besser da als noch vor einigen Jahren. Das Wirken von Frauen in der Kunst bemisst sich ja nicht allein an der Anzahl ausstellender Künstlerinnen. Das darf man nicht vergessen. Ein kompliziertes Netzwerk von Kurator:innen, Sammler:innen und weiteren Meinungsmacher:innen bestimmt, wer präsent ist und wer unsichtbar bleibt. Hier nehme ich eine steigende Anzahl von Frauen in leitenden Positionen war. Sowohl an den Akademien oder Universitäten, als auch an den Institutionen, in der Kunstkritik und im Handel. Wenn es explizit um wirtschaftliche Erfolge und Einflussnahme geht dominieren Männer nach wie vor das Feld. Viele Messen werden in erster Linie von Männern verantwortet. In meinem Studium habe ich mich auf sozialwissenschaftlicher wie volkswirtschaftlicher Ebene mit der Karriereforschung von Frauen beschäftigt. Der Gender Pay Gap beträgt im Kunstbereich etwa 28 %, das ist mehr als in anderen Sparten. Im Berufsleben sind Frauen in der Kunst also auch heute noch stark benachteiligt. Wenn man zusätzlich berücksichtigt, dass der Frauenanteil in Kunststudiengängen und Ausbildungen deutlich höher liegt – etwa 70% ist das auch ein Hinweis darauf, dass es multiple Barrieren gibt. Das führt recht schnell zu übergeordneten gesellschaftlichen Rollenbildern und -verteilungen. Daran müssen wir weiterhin arbeiten. Es gibt sehr vielschichtige Stimmen in der Kunst. Eine Gleichberechtigung und -behandlung, unabhängig von Geschlecht, Abstammung, Sprache, Heimat und Herkunft, Glauben, religiöser oder politischer Anschauungen sollte ein gemeinsames Ziel sein.

Du arbeitest auch als freie Kuratorin. Welche Projekte verfolgst du aktuell jenseits der Galerie? Wir genießen das große Privileg, Kunst und Kultur frei erleben zu dürfen. Ich setze mich für verschiedene Formen der Vermittlung und Förderung von Kunst und Kultur ein. Als Vorstandsmitglied des Kunstvereins Mañana Bold oder als Mitglied der Kulturkommission der Stadt Offenbach kann ich dies in vielerlei Hinsicht tun. Dafür bin ich sehr dankbar, denn es ist sehr abwechslungsreich und weitet den Blickwinkel. Kunst am Bau oder im öffentlichen Raum interessiert mich besonders, weil hier – anders als im Museum oder in der Galerie – eine Öffentlichkeit meinst von vornherein gegeben ist. In der Institution muss sie erst konstruiert werden. Über meine Arbeit versuche ich auch jüngere noch unerfahrene Künstler:innen in komplexe Ausstellungskontexte zu vermitteln, weshalb ich auch an Wettbewerben wie dem „Blaugrünen Ring“, der neuen „Oper am Rhein“ oder der „Schallschutzwand (RRX)“ teilgenommen habe und in denen Architektur und Kunst von Anfang an zusammen gedacht werden dürfen. Leider verlaufen solche großen Wettbewerbe oft im Sand. In Frankfurt arbeite ich derzeit an einem Schulbauprojekt. Der kuratorische Ausgangspunkt bestand in der Entwicklung eines grünen Lernortes, der die Schule als Ort der Forschung, der Bildung, der Kommunikation und des Engagements begreifbar macht. Für beide Künstler ist es das erste große Kunst-am-Bau Projekt. Ich hoffe, dass wir im nächsten Jahr eröffnen können. 

Du hast in Heidelberg, Gent und Frankfurt gelebt. Nun also Düsseldorf – was macht den  besonderen Flair der Stadt aus und was verbindest du mit ihr? Ich fühle mich in Düsseldorf sehr wohl, was zum einen an der erfüllenden Arbeit aber auch an den tollen Menschen liegt, die ich in den letzten zwei Jahren kennengelernt habe. Die Rheinische Frohnatur – ein Klischee, dass sich für mich bewahrheitet hat und das eine gute Abwechslung zum roughen Frankfurt darstellt. Derzeit pendle ich noch aus privaten Gründen zwischen Düsseldorf und Frankfurt. 

Wie würdest du Düsseldorfs Kunst- und Galerieszene beschreiben? Extrem vielseitig, wo Altbewährtes auf Neugedachtes trifft. Persönlich begeistern mich auch immer wieder die handwerklichen Betriebe, wie Rahmenbauer oder Gießereien, die ein wertvoller Partner für Künstler:innen und Galerien darstellen. 

Welche Orte, architektonischen Gebäude und Personen in Düsseldorf inspirieren Dich? Düsseldorf ist durchzogen von großen und kleinen Wasseradern. Das über- und unterirdische Netzwerk von Düssel und Rhein bildet gemeinsam mit den Grünanlagen wie dem Hofgarten oder dem Spee‘schen Graben, einen beeindruckenden Rundgang aus, der zum Flanieren durch die Innenstadt einlädt und dabei fast alle Kunst- und Kulturinstitutionen miteinander vernetzt. Wie ein unsichtbarer roter Faden, der alles zusammenhält. Beide Gewässer stehen ebenso für das Besondere in Düsseldorf: die Gleichzeitigkeit von internationaler Strahlkraft und tiefer lokaler Verbundenheit. Ein früher Spaziergang zum Sonnenaufgang mit dem Hund am Paradiesstrand oder den Rheinwiesen in Niederkassel lohnt sich immer! Architektonisch reizvoll ist auch der Clash am Medienhafen, die Tonhalle, das Schmela-Haus… die Liste ist unendlich lang! Als Vertreter der Düsseldorfer Photoschule mag ich Thomas Struth sehr gerne. Sein Archiv birgt fantastische Aufnahmen der Stadt.

3AP sitzt an einer historischen Adresse im Fürstenwall 74, auf die du mit dem Ausstellungs- und Artist Residence Projekt Wohnung Lauxtermann Bezug nimmst. Erzähle uns mehr über die Historie und das daraus entstandene Projekt? Im Fürstenwall 74, der ehemaligen Wohnung des Bäckermeisters Josef Lauxtermann trafen sich Mitglieder der Widerstandsgruppe. Hier wurde über politische Entwicklungen diskutiert und es bildete sich ein örtlicher Widerstand gegen den Nationalsozialismus. Insbesondere mit dem Ziel die Stadt Düsseldorf zum Ende des Krieges vor einer totalen Zerstörung zu bewahren. Ein dezentrales Mahnmal (Weg der Befreiung) erinnert heute über sechs Stationen in Form von Informationsstelen daran, die am Fürstenwall beginnen. Der historische Ortsbezug wurde mir erst nach Gründung der Galerie bewusst und ich habe nach Wegen gesucht damit umzugehen. Das angesprochene Ausstellungs- und Residency Projekt mit dem Namen „Wohnung Lauxtermann“ möchte diese historische Adresse zurück ins Stadtbewusstsein holen. Es ist fluide, ein Ausstellungs- und Arbeitsort für Künstler:innen. Es gibt eine Waschmaschine, Küche und einen Schlafplatz, der von unterschiedlichen Künstelr:innen aus unterschiedlichen Gründen genutzt wird. Ein Ort an dem man andocken kann, der sehr ruhig und intim ist. Seit dem Start im Februar 2023 beschäftigen sich verschiedene Programmstränge mit der gesellschaftlichen Rolle von Kunst und Design und ihrem Potenzial zur Partizipation. Thematisch befassen sich die ausgestellten Positionen mit verschiedenen Fragen von Demokratie und Häuslichkeit, Orientierung und Zusammenhalt, Fragilität des Menschseins, Zerrüttung des Selbst und des Anderen, (Re-)Imagination, Transformation und Zuständen der Verschiebung. Der Rundgang beginnt im Erdgeschoss und führt durch Büroflächen, Lager- und Arbeitsräume auf den oberen Stockwerken im Fürstenwall 74. Es geht hierbei auch darum, Demokratie als Lebensform erfahrbar zu machen, über eine Selbstwirksamkeit. Die Grenzen unterschiedlicher Gestaltungspraktiken werden dabei weit geöffnet, Künstler:innen treffen aus unterschiedlichen Richtungen aufeinander – nicht nur geografisch. Welche Dimensionen braucht eine Arbeit, um Aufmerksamkeit zu erringen? Was heißt es „Format“ zu haben, „souverän“ mit (Frei-)Räumen umzugehen? Das Projekt lässt Betrachtungsräume der Kunst entstehen. Gemeinsam formen die Exponate eine fiktive Wohnung: Räume, die zeitlos sind, erfüllt von aller Zeit. Perspektivisch kann ich mir auch vorstellen, die Geschichte des Ortes noch stärker in den kuratorischen Fokus zu stellen. Im Moment geht es mir eher darum, die Existenz des Ortes aufzuzeigen.

Wo trifft man sich persönlich auf einen Kaffee / einen Drink / ein entspanntes Dinner? Kulinarisch hat Düsseldorf sehr viel zu bieten! Das ist sicher ein weiterer Grund, warum ich mich bereits nach zwei Jahren so wohl und auch zuhause fühle! Ich mag viele Brasserien, liebe japanisches Essen oder auch mal eine Fischsuppe unter freiem Himmel am Carlsplatz mit anschließendem Wein. Als Schülerin und Studentin habe ich in jährlichem Turnus für die Messe Düsseldorf gearbeitet. Roberts Bistro am Medienhafen war da eine feste Anlaufstelle und es ist schön, dass sich sein Erbe weiterträgt. In der Lorettostraße hat vor kurzem ein neuer Laden – das forum – aufgemacht. Gefällt mir ganz gut, was „die Jungs“ hier auf die Beine gestellt haben und ich freue mich über eine neue Anlaufstelle in nächster Nähe zur Galerie. Der Weg ins Olio, den Salon oder auch Janot’s Bar ist nach so mancher Eröffnung trotzdem noch zu weit.

Welche Ausstellungen hast du in Planung? Viele. Aktuelle News uns Ankündigungen gebe ich über die Webseite der Galerie bekannt. Thematisch kreist das Jahresprogramm um Begrifflichkeiten wie Wut, Identität und wenn ich Glück habe auch um Austern – ein Wesen mit Herz und ohne Gehirn.

VIELEN DANK! 

Das Interview erschien im neuen THE DORF THE MAG No. 8 – das Magazin könnt Ihr hier auf shop.thedorf.de bestellen.

Text: Karolina Landowski
Foto: Toni Meyer
(c) THE DORF 2024 

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