Film • Zu Tisch mit Caro Weller • Eine Frau macht sich fertig

Foto: © Immo Fuchs

Looks zum Verlieben. Fashion-No-Gos. Mit Hilfe dieser drei Dinge wickelst du ihn um den Finger. Outfit-Tipps für einen unvergesslichen Eindruck. Romantisch und zart. So gelingt euch ein Wow-Effekt. Richtig schminken ab 50. Tipps für ein frisches Aussehen. 

So oder so ähnlich lauten die Überschriften von Postings und Artikeln, die Frauen (und Männer) darüber unterrichten, wie sie sich am besten präsentieren sollten. Von überall prasseln vermeintlich gut gemeinte Ratschläge und Tipps auf uns ein: von traditionellen und sozialen Medien, von Freunden, Nachbarn, der Familie und sogar von Fremden. Der Dramedy-Kurzfilm Eine Frau macht sich fertig setzt genau hier an und zeigt uns, wie sich genormte Vorstellungen und Erwartungen bezüglich des Aussehens und Verhaltens von Frauen auf das Selbstbild auswirken können. 

Die Regisseurin Caro Weller greift mit ihrem Film ein Thema auf, das sie seit Langem beschäftigt. Der Druck, in der Dating-Welt gefallen zu müssen, das ständige Abwägen zwischen Selbstbestimmung und den Ansprüchen anderer – all das kennt sie nur zu gut. Mit Eine Frau macht sich fertig möchte sie nicht nur unterhalten, sondern auch zum Nachdenken anregen und Frauen dazu inspirieren, ihren eigenen Weg zu gehen – jenseits von Klischees und überholten Rollenbildern. 

Eine Frau macht sich fertig ist Caro Wellers erstes Filmprojekt außerhalb ihrer Arbeit als Werbefilmregisseurin. Wenn die gebürtige Münchnerin nicht gerade Regie führt oder Drehbücher schreibt, spaziert sie mit ihrem „sehr, sehr, sehr verschmusten“ Hund Ronny am Rhein oder besucht das Metropol-Kino. Wenn sie dort abends vorbeigeht und die leuchtenden Buchstaben und Filmplakate im Eingang sieht, erzählt Caro, wird ihr „ganz warm ums Herz“.

Lest weiter, um mehr über Eine Frau macht sich fertig zu erfahren. Der in Düsseldorf gedrehte Film wird bald auf einem Kurzfilmfestival prämiert. Wir verraten Euch, wenn es so weit ist.

Der Titel des Films Eine Frau macht sich fertig kann sowohl das Herausputzen für ein Date als auch das Gefühl der Selbstabwertung durch Schönheitsideale andeuten. Welche Botschaft steckt hinter diesem zweideutigen Titel, und wie wird sie im Film umgesetzt? Ja, es ist letztendlich genau das, was du sagst. Dieser Satz verfolgt mich schon lange, und ich habe mich immer ein bisschen daran gestoßen, dass es eben diese Doppeldeutigkeit gibt. Hier stellt sich auch die Frage, ob das so ein Zufall ist. Für mich geht es genau darum, diesen feinen Unterschied zu erkennen – zwischen dem Herausputzen und dem übermäßigen Stress. Ich wollte durch den Titel darauf aufmerksam machen und dazu einladen, sich den Satz noch mal näher anzuschauen. Im Film kann man beobachten, wie Tilla sich nicht einfach etwas Schönes anzieht und sich schminkt, um sich maximal wohlzufühlen, sondern wie sie sich Sorgen darüber macht, was von ihr erwartet wird, und sich damit von sich selbst entfernt. Es geht ihr nicht mehr darum, sie selbst zu sein, sondern nur noch darum, von ihrem Date gut gefunden zu werden. Das geht so weit, dass sie extra vorher viel Sport gemacht hat, um einen flachen Bauch zu haben. Vielleicht denken jetzt einige, dass sie so etwas nie machen würden. Aber ist das wirklich so? Machen wir uns nicht jeden Tag ein bisschen fertig? Und das ist nur der Anfang. Danach könnte der Film auch heißen: „Eine Frau wird fertig gemacht“. Denn zu den eigenen Unsicherheiten kommen ja dann noch die wirklichen Anforderungen und Ansprüche von außen.

Frauen sehen sich oft unrealistischen Schönheitsidealen gegenüber. Welche Rolle spielt das Kino bei der Darstellung dieser Ideale und der damit verbundenen Vorstellungen, wie Frauen sein sollten? Ich denke, es spielt eine riesige Rolle – Kino, Werbung und natürlich Social Media. Klar, in Filmen werden so oft Frauen gezeigt, die normschön, schlank, faszinierend und schlagfertig sind. Das kann für uns Zuschauerinnen nur schwer werden. Problem ist nur: Oft haben wir auch das Bedürfnis, etwas zu sehen, das „bigger than life“ ist. Mich fasziniert die Welt der Schönen und Reichen, wie in der Serie White Lotus, in der man wohlhabenden Leuten dabei zusieht, wie sie in einem Luxusresort Urlaub machen und verborgene Geheimnisse aufdecken. Ich bin auch schon immer ein großer Fan von Sex and the City gewesen, mit Carrie Bradshaw in der Hauptrolle, die vorgibt, keinen Sport zu machen und trotzdem ein Six-Pack hat. Ich kann weniger mit Serien wie Girls anfangen, die das realistische und auch unschöne Leben in New York beleuchten. Aber natürlich verzerrt das absolut die Selbstwahrnehmung. Wie man aussieht, wenn man aufwacht, wie die Haare aussehen, wenn man kein Team hat, wie Haut aussieht – das alles ist nicht echt, das sage ich mir ganz oft und immer wieder. Es gibt ja auch das Konzept der Hyperrealität, das besagt, dass die simulierte Version der Realität (also Medien, Kino, Werbung etc.) als realer oder „echter“ empfunden wird als die eigentliche Realität. Ich glaube, es ist einfach wichtig, immer wieder den wirklichen Reality-Check zu machen und verschiedene Körper, Hauttypen und einfach Menschen zu sehen, die abseits der Leinwand existieren. 

Dein Film thematisiert die ständigen Kommentare, die Frauen über ihr Aussehen erhalten. Warum fällt es der Gesellschaft deiner Meinung nach so schwer, Frauen einfach in Ruhe zu lassen? Das ist eine so spannende Frage. Denn manchmal ist es ja einfach „nur“ ein Kommentar wie „dein Rock ist zu kurz“, „die sieht irgendwie stämmig aus“ oder „dein Rouge ist zu doll aufgetragen“. Dahinter versteckt sich aber ein über Jahrhunderte aufgebautes System, in dem Männer und auch Frauen, die patriarchale Sichtweisen internalisiert haben, sich über andere Frauen stellen, sie beurteilen, Erwartungen an ihre Rolle definieren und sie unterdrücken. Viele Männer tun das ab und sind der Meinung, sie dürften doch wohl noch ihre Meinung sagen. Aber ich sehe das etwas anders.

Wenn man sich mal damit beschäftigt, wie Frauen ab dem 15. Jahrhundert aus den Zünften entlassen wurden, ihnen der Zugang zu Bildung verwehrt wurde und sie dann zu Hausfrauen gemacht wurden, während man ihnen erklärt, dass das ihre große angeborene Leidenschaft sei, dann versteht man, dass dieses System, in dem wir leben, unglaublich alt ist. Viele denken ja erst seit dem 19. Jahrhundert über die Gesellschaft nach und sind weiterhin der Meinung, dass die Aufgabe der Frau eigentlich tatsächlich Hausfrau und Mutter ist. Und dass es jetzt ganz modern sei, dass wir plötzlich die Wahl haben wollen. Ist es aber nicht. Also ist es kein Wunder, dass es so unglaublich fest in der Gesellschaft verankert ist, sich über die Frau zu stellen, sie als Ware und Objekt zu sehen und der Meinung zu sein, es wäre okay, sie zu beurteilen und ungefragt Dinge zu kommentieren. Die dritte Frage und ich brauche schon eine Pause… 😀 

Immer mehr Frauen wehren sich gegen den Druck, perfekt aussehen zu müssen. Die feministische Bewegung „Escape the Corset“ von 2018 ist ein Beispiel dafür. Gleichzeitig gibt es Frauen, die Freude am Schminken und Stylen haben. Glaubst du, dass wir Frauen den Male Gaze internalisiert haben? Wo siehst du den Unterschied zwischen selbstbestimmtem Styling und von außen aufgedrücktem Optimierungswahn? Ich glaube, dass der Ursprung darin liegt, gefallen zu wollen, beim Schminken geht es ja auch zunächst ums Außen. Es wird oft als Self-Care oder Me-Time verkauft, aber daran glaube ich nicht. Wir verändern unser Äußeres, um uns wohler zu fühlen, um besser anzukommen und zu gefallen. Häufig befinden sich Frauen in der Position, Männern gefallen zu wollen – oder eben umgekehrt. Bei Frauen gibt es nur noch mehr Ebenen und eine längere Liste von Dingen, die man verändern und optimieren kann. Und da kommt die Beauty-Industrie ins Spiel, die Milliardenumsätze mit vermeintlichen Makeln und Unsicherheiten macht. Jedes Makel bedeutet Produkte, die verkauft werden, und Eingriffe, denen man sich unterziehen kann, was wiederum Umsatz bedeutet. Versteh mich nicht falsch, ich mag Beauty-Produkte und habe mich auch viel damit beschäftigt, aber langsam hinterfrage ich, ob wir nicht manche Unreinheiten, Pickel oder Rötungen und einfach grundsätzlich unsere Einzigartigkeit etwas mehr akzeptieren statt optimieren sollten.

Ich bin auch während der Pandemie voll auf diesen Zug “Science behind skincare” aufgesprungen. Sehr spannende Entwicklung. Es geht nicht mehr nur darum, irgendein teures Produkt zu kaufen, sondern Expert*in für Skincare zu werden. Wir sind mehr als nur Konsument*innen, wir kennen die Wirkung von Vitamin C, Retinol und AHA-Säure und wissen, was man nicht kombinieren und was nur abends verwenden sollte. Es ist nicht mehr nur Beauty, es ist eine Wissenschaft. Ähnlich wie beim Weintrinken.

Auf der anderen Seite ist es ja auch gut, dass es ein Angebot und Produkte gibt, um sich selbst wohler zu fühlen. Es gibt medizinische Eingriffe oder solche, die an der Grenze zwischen Schönheit und Medizin stehen, und nichts davon würde ich verurteilen. Ich glaube, es ist nur wichtig, sich darüber bewusst zu sein, warum man etwas macht oder kauft. Einfach ganz ehrlich hinterfragen: Warum möchtest du die Lippen aufspritzen lassen? Wieso willst du dir die Haare färben? Warum hast du das Gefühl, nicht mehr ohne Schminke aus dem Haus gehen zu können? Warum muss es die Creme für 80€ sein? Und die Antwort kann auch sein, dass man gerade nicht in der Lage ist, den Schönheitsstandards zu widerstehen und sich dadurch erhofft, besser beim anderen Geschlecht anzukommen. Ich finde, man muss es nur klar benennen, um vielleicht auch auf anderer Ebene daran zu arbeiten.

Wie stark sind deine eigenen Erfahrungen als Frau und die deiner Freundinnen in das Drehbuch eingeflossen? Gab es spezielle Erlebnisse, die dich zu diesem Film inspiriert haben? Tatsächlich sind viele Ereignisse und Gespräche in den Film eingeflossen. Nicht nur, dass ich mich kurz vor dem Dreh ausgeschlossen habe und bei den Nachbar:innen geklingelt habe. Eine Bekannte von mir hat ihren Schlüssel bei ihrem Vermieter hinterlegt, daher kam die Idee. Auch das Telefonieren und Besprechen, was man für ein Date anzieht, habe ich viel mit Freundinnen gemacht. Ich habe außerdem oft von älteren Menschen gehört, dass ich doch so nett sei und warum es mit den Männern nicht klappe – süß und nervig zugleich. Leider muss ich auch sagen, dass ich immer noch viele Männer und auch Frauen kenne, die sexistische Aussagen machen, wie zum Beispiel, dass es geil sei, wenn eine Frau nicht leicht zu haben ist. Solche Aussagen in den Film zu integrieren, war eine totale Befreiung.

Übrigens sind nicht nur meine eigenen Erlebnisse in den Film eingeflossen; fast jeder Charakter basiert auf einer Person, die ich kenne. Ich hab die Charaktere dann natürlich noch weitergesponnen und in die Hände unserer Schauspieler:innen gegeben.

Kannst du uns mehr über die Protagonistin Tilla erzählen? Tilla ist Ende 20, sehr sensibel, impulsiv und extrovertiert. Sie ist ungern allein, arbeitet viel und gerne und ist sehr begeisterungsfähig, weshalb sie manchmal sprunghaft wirkt. Sie ist ständig von einer Beziehung zur nächsten gegangen und hat dabei ein wenig verpasst, sich selbst besser kennenzulernen. Tilla wurde, wie typisch für ihre Generation, als braves Mädchen erzogen und hat gelernt, sich anzupassen und still zu sein, vor allem gegenüber älteren Menschen. Konflikten geht sie gerne aus dem Weg. All das ist beim Thema Dating und Beziehungen sehr hinderlich für Tilla, weil sie lieber gefallen möchte, um nicht allein zu sein, anstatt herauszufinden, wer sie selbst ist, und beginnt, ihren eigenen Anspruch zu entdecken. Tilla liebt außerdem Mode und näht selbst, geht gerne joggen und ins Fitnessstudio und hat ein Ding mit Fischen. Das sieht man vielleicht erst auf den dritten Blick. 🙂

Warum hast du Vivien König für die Hauptrolle ausgewählt? Wie verlief der Casting-Prozess für den Film? Tatsächlich haben Sophia Spengler, meine Produzentin, und ich einfach unglaublich viele Showreels angesehen, auf Seiten wie Filmmakers.eu und den Webseiten von Schauspielagenturen. Dabei haben wir auch Vivien König gefunden. Wir haben sie und viele andere talentierte Schauspielerinnen angeschrieben und zum E-Casting eingeladen. Es kamen so viele großartige Bewerbungsvideos zurück, dass ich echt überwältigt war. Das Video von Vivien hat mich komplett umgehauen, und ich wusste sofort, dass sie die perfekte Tilla ist. Danach haben wir uns ein paar Mal getroffen, uns kennengelernt und gemeinsam das Drehbuch gelesen. Die Entscheidung fiel allerdings schon sehr früh, und ich bin immer noch so glücklich darüber. Vivi ist eine tolle Schauspielerin.

Was erhoffst du dir, dass die Zuschauer aus dem Film mitnehmen? Ich hoffe insgeheim, dass viele Frauen sich in Tilla wiedererkennen und in sich hineinfühlen, ob da nicht etwas Wahres dran ist. Ich wünsche mir, dass sie beginnen, sich selbst zu reflektieren und anzuerkennen, wie streng sie mit sich selbst sind. Warum versuchen wir immer, so perfekt auszusehen, und wie können wir gemeinsam entspannter werden? Ein Mitgefühl unter Frauen zu entwickeln, fände ich auch toll. Mehr Komplimente machen, einander aufbauen, anstatt sich gegenseitig zu stressen – das wären langfristige Veränderungen, die vielleicht etwas bewirken könnten. Und natürlich fände ich es auch toll, wenn Männer durch den Film verstehen, was ein Date für uns bedeuten kann und wie wir möglicherweise einem anderen Druck ausgesetzt sind.

Gibt es eine Lieblingsszene im Film, die dir besonders am Herzen liegt? Ohne zu viel zu verraten, was macht diese Szene für dich so besonders? Meine Lieblingsszene ist tatsächlich die, in der Tilla zum zweiten Mal Lena – ihrer Nachbarin – im Flur begegnet. Lena lebt in ihren konservativen Strukturen und ist irgendwie unzufrieden. Sie hatte zu viel Angst, ihr Rollenbild zu hinterfragen und will es deswegen lieber promoten. Lena ist so top gestylt und ihr Leben erscheint nach außen perfekt, das kann sie und das rät sie auch Tilla. Unser Kameramann Tjark Lienke hat diese Szene so wunderbar eingefangen und die ganzen Lösungsansätze von Lena durch eine Kamerafahrt so toll unterstrichen, sodass der Stressfaktor nur noch größer wird. Hier sieht man einfach, dass das kein individuelles, sondern ein strukturelles Problem ist. Und Anna Overdiek spielt Lena einfach sensationell. 

Kannst du ein besonderes Highlight oder einen unvergesslichen Moment von den Dreharbeiten mit uns teilen? Die Dreharbeiten waren einfach nur schön. Ich weiß nicht, ob ich mich jemals so passend an einem Ort gefühlt habe wie an diesen Tagen. Alles hat gestimmt und das Team war einfach unglaublich. Die Anspannung ist natürlich die ganze Zeit sehr hoch und ich war sehr sehr konzentriert. Als wir dann abgedreht haben und wir applaudierten, ist der Druck abgefallen, mir kamen die Tränen und ich habe in die glücklichen Gesichter der anderen geschaut. Das war so schön und den Moment werde ich nie vergessen. Wie viele talentierte Menschen zusammengekommen sind, um uns zu helfen und uns ihre Arbeit und die freie Zeit geschenkt haben, das ist so unglaublich.

Vielen Dank!

Eine Frau macht sich fertig
ist bald bei ausgewählten Filmfesten zu sehen.
Alles weitere rund um den Film findet Ihr hier…

© THE DORF, 2024
Text/Interview: Merit Zimmermann
Fotos: Philipp Romppel & Immo Fuchs (Portraits) siehe Bildbeschreibungen

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