Georg Zimmermann

(c) Alexander Schroer

Name: Georg
Künstlername: Zimmermann
Alter: schwer zu schätzen
Werdegang: Blockflöte, Klavier, Gitarre, Studium in der Altstadt, Bass, Gesang

Ende April 2023 erschien das neue, vierte Album des Düsseldorfer Musikers Georg Zimmermann. Das Album mit dem schmissigen Titel „Spleen“ zeugt von Georgs Begabung, seine doppelbödige Lyrik über zeitgenössische Abgründe mit den Wurzeln der alternativen Rockmusik und knalligen Refrains zu versöhnen. Etwa, wenn er in seiner ersten Album-Single „Ich will dein Leben von Innen sehen“ die Tücken der Liebe mit einem Lächeln auf dem Lippen und einem lässigen „Mh Mh Mh – Lass uns auf jeden Fall telefonieren“ besingt. Georg Zimmermann nahm „Spleen“ in Eigenregie in verschiedenen Studios auf und experimentierte vor allem mit alten Verstärker-Sounds und Distortion-Boxes. Wir sprechen mit Georg über sein neues Werk, auf das er tatsächlich etwas stolz ist und ganz persönliche Spleens.

Stell dich vor. Wer bist Du und was machst Du? Ich bin gebürtiger Duisburger, wurde in Dinslaken groß und wohne seit einer zärtlichen Ewigkeit in Düsseldorf. Ich mache Musik und schreibe dazu meine eigenen Texte. Das meiste geschieht im DIY-Modus, aber ich hole mir gern Hilfe dazu, wenn ich zum Beispiel meine Aufnahmen mische oder natürlich, wenn ich mit Band spiele.

Wie bist Du zur Musik gekommen? Als Kind habe ich viel Radio gehört. In intensiver Erinnerung habe ich meine erste Platte: Das war ein Best-of der Beatles. Im Wohnzimmer der Eltern habe ich dann deren LPs gehört: Dire Straits, Grönemeyer, Udo Lindenberg, Stones und Dylan – wobei ich glaube, dass ich mich mehr mit dieser Musik beschäftigt habe als meine Eltern.

Dein Stil in einem Wort? Grotesk-Rock. Oder so.

Wie würdest Du Deine musikalische und inhaltliche Entwicklung beschreiben? Ich habe früher in der Beat/60s-lastigen Band „Soda Maker“ Gitarre gespielt und dort auch oft Gesang übernommen. Wir haben meist zwei- oder dreistimmig gesungen. An deutschsprachiger Musik hatte ich kaum Interesse, weil mich diese „Die Straßenbahn sieht traurig aus und ist zu spät“ – Texte immer abgeschreckt haben. Ausnahmen gab es aber immer. Ton, Steine, Scherben oder Tocotronic höre ich immer noch. Manchmal auch Georg Kreisler oder Degenhardt.

Ab 2010 habe ich mich dann deutschen Texten gewidmet, weil ich gedacht habe: Wie kann man deutsche Lyrik – und da gibt es einen Menge großartiger Dichter*innen – mit alternativer Musik verbinden? Seitdem bewege ich mich zwischen Heinrich Heine und Bowie oder auch zwischen Lou Reed und Brecht. Wobei ich mich jetzt nicht mit den Genannten auf eine Stufe stellen möchte… Aber Musik machen oder Texte schreiben heißt für mich vor allem: Selbst hören und lesen.

Was erwartet Zuhörer*innen auf Deinem neuen, vierten Album „Spleen“? Auf mein viertes Album bin ich tatsächlich etwas stolz – auch, wenn ich das Wort gar nicht so mag. Die Platte ist vom Sound her an die New Yorker Bands der frühen Punk-Szene angelehnt. Ich habe viel Lou Reed, Television, Modern Lovers, Iggy oder auch die Talking Heads gehört. Der reduzierte Gitarrensound und die einfachen Song-Strukturen finde ich wahnsinnig toll.

Man stolpert über den Albumtitel „Spleen“, der in der Pressemitteilung Bezug nimmt auf Charles Baudelaires sarkastische Beschreibungen von urbaner Schönheit und Brutalität in Le Spleen de Paris. Der Begriff „Spleen“ könnte auch mit „Marotte“ übersetzt werden. Wie kam es zu dem Titel und was möchtest Du damit ausdrücken? Ich habe ja vorhin schon auf Heinrich Heine als Einfluss angespielt. Von da aus ist es nicht sehr weit bis zu den französischen Dichtern, eben Baudelaire oder auch Rimbaud. Die Gedichte dieser Typen sind oft wahnsinnig überladen, aber „Spleen de Paris“ besteht aus kurzen Schilderungen des Pariser Stadtlebens. Die „Marotten“ der Menschen, wie Du sie nennst, sind in der Stadt oft so putzig und zugleich brutal überall anzutreffen: Rausch, Geiz, übersprudelnde Freude, Angst und dieser merkwürdige Karriere-Spleen, den alle irgendwie mittragen, obwohl sie keine Lust darauf haben. Es ist fast so, als hätte eine ganze Stadt immer diesen Riesen-Spleen.

YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden

Verrate uns: Was ist Dein persönlicher Spleen? Ich würde sagen, Religion. Das fasziniert mich, aber ich bin nicht gläubig. Ich denke ja, dass die Themen, die ich vorhin genannt habe, die gleiche Funktion wie Religion haben. Man braucht nur auf irgendeinen Bildschirm gucken: Goldene Kälber überall. Und diesen Spleen hab ich auch – es gibt kein richtiges Leben im Falschen.

Welcher Song des neuen Albums hat für Dich die größte emotionale Bedeutung und warum? „Ciao For Now“. Da geht es um Tod und die Einordnung, wie und wo man lebt, wenn man stirbt. Das war beim Schreiben sehr intensiv. Ich lande allerdings bei solchen schweren Themen wie so oft bei doppelbödigen und ironischen Inhalten. Aber die Akkorde und der Swing des Songs fangen das ganz gut ein, finde ich.

Wo und wie ist der Großteil Deiner neuen Lieder entstanden? Die Texte sind entstanden durch Sammlungen von Zitaten, Anlehnungen an andere Gedichte und Äußerungen von Menschen in der Stadt. Ich habe auch viele Texte in einer Art meditativen Sitzung sozusagen filterlos runtergeschrieben und danach habe ich gekürzt und alles neu aufgeschrieben. Klingt anstrengend, macht aber Spaß!

Was wünscht Du Dir von der Düsseldorfer Musikszene? Ich fühl mich wohl hier! Es gibt viele gute Leute und auch gute Läden. Ich muss aber auch sagen, dass mir die Brause, der Q-Stall oder auch das Pretty Vacant fehlen. Dem Reinraum ergeht – oder erging – es leider nicht anders. Die Stadt muss hier mehr Verantwortung übernehmen.

Wo kann man in Düsseldorf am besten Musik hören/finden? Gibt es Orte, die Dich besonders inspirieren? Im ZAKK, in der Kassette, die Ritus-Reihe ist toll. Ich finde aber auch Veranstaltungen wie den Büdchentag sehr belebend.

Mit welchem Musiker, tot oder lebendig, würdest Du gerne mal ein Altbier trinken gehen? Lou Reed wäre schon interessant. Den Düsseldorfer Klaus Dinger fände ich auch spannend. Bei den Lebenden: Dylan. Aber der trinkt Whiskey, soweit ich weiß.

Was bringt die Zukunft? Dieses Jahr stehen noch etliche Konzerte an, auf die ich mich sehr freue! Ich habe schon ein, zwei Ideen für meine 5. Platte. Ich würde diese gerne mit Band und live aufnehmen.

Vielen Dank!

Interview: Tina Husemann
Fotos: Siehe Bildbeschreibung
© THE DORF 2023

Mehr von TINA

Tom Schilling

Der Schauspieler Tom Schilling hat gerade an der Düsseldorfer Kunstakademie gedreht. Am...
Weiterlesen