Gerda Breuer • Professorin, Museumsleiterin und Design-Koryphäe

Gerda Breuer | Foto: Beate Steil

Am 28. November 2024 um 18 Uhr findet im NRW-Forum der „DDC Salon NRW“ statt, der sich dem Thema „Frauen im Design – Rebellion und Selbstermächtigung“ widmet. Veranstaltet wird der Salon vom Deutschen Design Club, dem führenden Verband für Gestalter:innen aller Disziplinen im deutschsprachigen Raum. Das Protektorat übernimmt dabei Gerda Breuer. Sie ist Professorin für Kunst- und Designgeschichte, Museumsleiterin, DDC-Mitglied und Design-Koryphäe. Ihre Publikationen Herstories in Graphic Design und Women in Graphic Design beschäftigen sich mit der Sichtbarkeit von Frauen in der Designgeschichte. Außerdem beteiligte sie sich an dem BMBF-Projekt UNSEEN, das Designerinnen zwischen 1865 und 1914 erforschte. Im Gespräch mit ihr haben wir mehr über ihr Engagement für Frauen im Design, ihre persönliche Karriere und die gesellschaftliche Verantwortung der Designszene erfahren.

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Seit Januar 2024 sind Sie Mitglied des Deutschen Design Clubs und übernehmen die Schirmherrschaft für den DDC NRW Salon mit dem Thema „Frauen im Design“. Wie kam es dazu? Ich bin gefragt worden. Das hat sicherlich mit meiner letzten Publikation Herstories in Graphic Design zu tun. Ich muss aber auch sagen, dass der DDC sich sehr mit neuen Diskursen beschäftigt und Frauen große Spielräume zur Entfaltung lässt. Anfangs hatten mich die DDC-Frauen vom Women’s Table zu einem Gespräch eingeladen. Daraus ergab sich die Zusammenarbeit mit Katja Lis, einer der Teilnehmerinnen, die mein Buch gestaltet hat. Diesmal ist es Nina Neusitzer vom DDC Salon NRW, die ich noch aus meiner Wuppertaler Zeit kenne.

Ihre Projekte wie Herstories, un/seen und Innovative Frauen zeigen, dass Sie sich schon seit Langem konsequent für die Sichtbarkeit von Frauen im Design einsetzen. Warum ist das Thema auch heute noch – oder gerade jetzt – so relevant? Es geht mir heute weniger um die Sichtbarkeit von Frauen im Design. Darüber habe ich zusammen mit Julia Meer schon vor vielen Jahren eine umfassende Publikation herausgegeben (Women in Graphic Design), und ich bin Kooperationspartnerin im BMBF-Projekt UNSEEN – da geht es um Designerinnen in der Zeit zwischen 1865 und 1914. Jedes Mal bin ich ungeheuer erstaunt, wie viele Designerinnen durch die Forschung zutage treten, wie engagiert und wie erfolgreich sie waren – sehr viele kannte ich vorher nicht. Das sind sehr wichtige Projekte, und ich hoffe, dass die Designgeschichte zugunsten von Frauen umgeschrieben wird und heutige Designerinnen dadurch größere Aufmerksamkeit erhalten.
Dennoch möchte ich heute darauf hinweisen, welche Chancen und welche Verantwortung Designerinnen haben, sich für Frauen und deren Belange einzusetzen. Es hat sich vieles verbessert, aber die Gleichberechtigung ist noch nicht vollständig erreicht. Teilweise gibt es sogar Rückschläge und ein unglaubliches Beharrungsvermögen traditioneller Rollenbilder. Designerinnen haben durch ihre professionelle Qualifikation ein enormes Rüstzeug, um auf Schieflagen aufmerksam zu machen.

Sie haben in Ihrer Karriere viele verschiedene Rollen übernommen, unter anderem als Professorin für Kunst- und Designgeschichte, als Museumsleiterin und als Mitglied des internationalen Academic Committee des Bauhaus Institute in China. Sie haben die Geschichte des Designs sowohl studiert als auch selbst miterlebt. Welche Entwicklung im Design halten Sie für die bedeutendste? Die bedeutendste Entwicklung im Hinblick auf Frauen im Design scheint mir zu sein, dass der normative Kanon im Design aufgebrochen wurde. Heute erlaubt man einen viel größeren individuellen Spielraum und orientiert sich nicht mehr so stark an ästhetischen Verbindlichkeiten. Zudem sind mehr Frauen in Führungspositionen oder zumindest in einflussreichen Positionen. Viele haben sich in der jüngeren Vergangenheit und heute selbst ermächtigt, was Wirkung gezeigt hat.

Der DDC Salon NRW „Frauen im Design – Rebellion und Selbstermächtigung” repräsentiert insbesondere Nordrhein-Westfalen. Wie würden Sie die Designszene hier beschreiben? NRW ist durch eine dichte Verstädterung geprägt, entsprechend gibt es viele Designschulen, Ausstellungshäuser, Archive, Sammlungen, Vereine, Netzwerke etc. und natürlich reichlich junge Designagenturen. Dennoch meine ich, dass die Designszene noch zu sehr partikularisiert und auf die einzelnen Städte konzentriert ist. Man könnte einen Reichtum an kreativen Ideen zur Schau stellen, wenn gemeinsame Projekte in NRW realisiert würden.

Sie haben eine beeindruckende und vielseitige Karriere hinter sich. Gibt es ein Projekt oder ein Ereignis, das Ihnen besonders im Gedächtnis geblieben ist? Fast alle Projekte haben mir gefallen. Auch in NRW habe ich in vielen Städten gearbeitet, habe Ausstellungen und Kataloge zu NRW-Designern und -Architekten (wie es damals üblich war: meist Männer) organisiert – über Max Burchartz, Werner Graeff, Jupp Ernst, Hans Schwippert. Ich habe einen Band über die Folkwang Schule in Essen veröffentlicht und über die Becher-Schüler Thomas Ruff, Thomas Struth, Candida Höfer, Axel Hütte und viele mehr. Dennoch würde ich sagen, dass mich mein erstes Projekt nach Abschluss meiner Dissertation in Aachen besonders geprägt hat. Das ist zwar schon sehr lange her, aber es hat mich überhaupt erst zum Design gebracht. Ich habe Kunstgeschichte, Soziologie und Philosophie studiert. Es war ein Verbundprojekt zwischen den Städten Düsseldorf, Krefeld, Hagen, Wuppertal, Köln und Essen mit dem Titel Der Westdeutsche Impuls 1900-1914. Kunst und Umweltgestaltung im Gebiet zwischen Rhein und Ruhr. Damals galt vieles, was in den jeweiligen Ausstellungen gezeigt wurde, noch regelrecht als Entdeckung, die man in einem Industriegebiet gar nicht vermutet hätte. Das Ergebnis war für viele eine Überraschung. Damals wurde mir bewusst, wie reich dieses Bundesland an Designschätzen ist, und das bestätigt sich bis heute. Ich meine, NRW sollte das auch noch viel mehr zeigen.

Die 20 Jahre als Professorin für Designgeschichte an der Wuppertaler Universität waren ebenfalls ausgesprochen schön. Die Universität hat mir enorme Möglichkeiten mit Ausstellungsräumen und Sammlungen zur Verfügung gestellt, und ich habe viel von den Studierenden im Kommunikationsdesign und Industrial Design sowie von meinen Design-Kolleg:innen gelernt.

Welchen Rat würden Sie als angesehene Persönlichkeit der Designszene jungen Designerinnen mit auf den Weg geben? Ich glaube nicht, dass ich jungen Frauen einen Rat geben kann. Sie sind heute sehr gut informiert und vernetzt. Aber ich habe Wünsche an sie. Wir leben heute in einer sehr diskussionsintensiven und politisch interessierten Zeit. Um die richtigen Entscheidungen zu treffen und eine kritisch-reflexive Haltung einzunehmen, ist es wichtig zu wissen, wie andere denken. Wo sind die wirklichen Konfliktpunkte, wo die Triggerpunkte? Wer definiert Figuren, die als das Andere markiert sind? Wer bildet das Zentrum, wer den Rand? Wer normiert Geschlechteridentitäten? Wo bilden sich neue Hybridformen, auch zwischen dem Design und anderen Wissensdiskursen? Wo halten sich hartnäckig patriarchale Muster? Wo sind Rückschläge zu traditionellen Geschlechterrollen zu verzeichnen, sowohl in Männerbünden als auch bei den trad wives und vor allem bei den Neuen Rechten? Es gibt viele Fragen, mit denen sich Frauen auseinandersetzen und für die sie Verantwortung entwickeln sollten. Design beteiligt sich an all diesen Transformationsprozessen, macht sie sichtbar und wendet sie neu an. Ich würde mir ein stärkeres gesellschaftspolitisches Engagement wünschen, in dem die Position von Frauen sowie von queeren Geschlechteridentitäten eine wichtige Rolle spielt.

Vielen Dank!

Über den DDC
Der Deutsche Design Club ist im deutschsprachigen Raum der führende Club für Gestalter:innen aus allen Disziplinen. Seit über einem Jahr repräsentieren in Nordrhein-Westfalen die Designerinnen Nina Neusitzer, Beate Steil und Ursel Schiemann den Deutschen Design Club in Form des DDC Salons NRW. Seit 2024 unterstützen der Designer und DDC-Vorstand Michael Menge und Haris Samuel mit dem interdisziplinären Netzwerk Alimonie das Format. Die Veranstaltung findet in Kooperation mit der Vitra Design Stiftung statt.
Weitere Kooperationspartner: Wirtschaftsförderung Düsseldorf, KomKuK, KMS Team, Max Brown Hotels
Medienpartner: The Dorf, Page, Slanted, Grafikmagazin, Alimonie www.ddc.de

DDC Salon NRW: „Frauen im Design – Rebellion und Selbstermächtigung”
28. November 2024, 18 Uhr
Talks & Podiumsdiskussionen mit den Designerinnen Gerda Breuer, Daniela Burger, Maria
Wintz, Pauline Gebauer und Tayo Osobu.

NRW-Forum
Ehrenhof 2
40479 Düsseldorf
www.nrw-forum.de

(c) THE DORF, 2024
Text: DDC Salon NRW Team & Inga Handke
Bilder: Beate Steil
Video: Alimonie

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