Wenn die Türen der Clubs geschlossen bleiben müssen, sind die Besitzer diejenigen, die am meisten leiden. Auf eine so unsichere Zeit kann sich niemand richtig vorbereiten. Wie schnell langjährige Locations vor dem finanziellen Fiasko stehen und Unterstützung brauchen, zeigt die Situation des CUBE. Wir haben mit dem Co-Betreiber Nico Schiffer über seinen Club, seine aktuelle Crowdfunding-Kampagne und die Situation für die Clubkultur in der Stadt gesprochen.
Der Bass hämmert, die Lichter flackern, dunkle Silhouetten werden zu einer vibrierenden Masse. Nein, die Rede ist nicht von einer Szene aus einer neuen Netflix-Serie, sondern von dem Leben, auf das wir seit Monaten verzichten, um noch größere Schäden zu vermeiden. Seit März sind die Clubs leer und die Clubbesitzer am Verzweifeln. Obwohl der Staat mit hohen Summen versucht Hilfe zu bieten, blicken viele Betreiber in eine ungewisse Zukunft. Das CUBE ist einer dieser wackelnden Clubs. Die Betreiber Mollie und Nico Schiffer starteten mit einer Verschuldung beim Finanzamt in das verflixte siebte Jahr und waren sich im Frühjahr bereits sicher, dass das Projekt CUBE zu Ende ist. Sechs Monate später starteten die beiden am 9. Dezember ihre zweite Fundraising-Kampagne, um in letzter Minute das fehlende Geld für das Finanzamt zu sammeln. Mit dem immensen Support ihrer Freunde und Gäste hätte das Betreiber-Paar niemals gerechnet: innerhalb von zwei Tagen kamen Spenden von über 12.000 Euro zusammen. Die gesamte Summe war somit gedeckt.
Ursprünglich wollten wir mit einem Interview mit Nico Schiffer auf die Startnext-Kampagne aufmerksam machen. Obwohl die Kampagne bereits erfolgreich war, ist das Thema immer noch relevant, denn viele Clubs haben weiterhin finanzielle Probleme. Daher haben wir dem CUBE-Co-Betreiber trotzdem ein paar Fragen gestellt, um einen tieferen Einblick in die prekäre Lage des Nachtlebens zu bekommen.
Was ist die Historie und die Ausrichtung des CUBE? Das Cube gibt es schon über dreizehn Jahren. Ich habe nach dem Ende meines Studiums der Populären Musik und Medien den Club in Paderborn zusammen mit einer Gruppe Freunden (unter anderem Chrispop) eröffnet. Als Zuhause für alle, die damals keins hatten, war unsere Ausrichtung sehr breit und progressiv. Wir waren die ersten überhaupt, die 90er Parties und Dubstep im Programm hatten. Aber vor allem hatten wir viel Indie, HipHop, Bassmusik und später auch House und Techno im Programm. Und jede Menge Konzerte mit Acts wie Olli Schulz, Golden Kanine und Grossstadtgeflüster.
2013 habe ich mit Chrispop und meiner Frau den Wechsel nach Düsseldorf gewagt, da wir in Paderborn aus unserem Mietvertrag gedrängt wurden und keine Ersatzräume gefunden haben. Für uns war es damals eine große Ehre als direkter Nachfolger des Pretty Vacant Club in die Räume zu ziehen, in denen Helge Schneider zu Zeiten des Downtown seine ersten Schritte getan hat und Henry Storch mit dem Coffy den Nachfolger zu seinem legendären Unique-Club beheimatete.
Wir haben hier ähnlich breit begonnen wie in Paderborn, mussten aber schnell feststellen, dass das hier so nicht funktioniert und sind etwas homogener ausgerichtet. Ich denke aber, dass wir mit den verschiedensten Formen elektronischer Musik, viel Indie und immer mal wieder Dubstep, Trap und Hip-Hop nach wie vor eine seltene Vielfalt anbieten. Neben der Musik ist uns aber vor allem auch wichtig, dass sich bei uns jeder willkommen fühlt, der andere mit Respekt behandelt, egal wie man aussieht, wo man herkommt oder wer man ist.
Wie kam es zu der Idee der Startnext Kampagne? Wir brauchten dringend Geld, um das Überleben des Clubs zu sichern. Im März hatten wir direkt zu Beginn des Lockdowns ein Crowdfunding auf Leetchi und Betterplace gemacht. Dieses Mal wollten wir den Spendern für Ihr Geld auf jeden Fall eine Gegenleistung geben. Bei Startnext erhält man für seine Spende ein Dankeschön. Wir dachten fast eher an einen Shop, wo auch Leute helfen können, die mit einem Ticket nichts anfangen können.
Wie habt Ihr es geschafft, dass Olli Schulz Euren Aufruf bei Fest & Flauschig vorliest? Ehrlich gesagt war es unser Mitarbeiter Thore, der die Initiative ergriffen hat. Er hat eine Mail an Olli geschrieben und dieser die vorgelesen. Das Lustige ist aber, dass Thore gar nicht wusste und Olli offenbar auch nicht mehr, dass er bei uns in Paderborn im Rahmen einer Party des örtlichen Uniradios bereits gespielt hat.
Wie empfindest Du die Situation der Stadt bezogen auf die Clubkultur? Ich glaube, dass Düsseldorf sich selbst oft in ein schlechteres Licht rückt als es müsste. Leider bemerke ich aber auch, dass viele Musikfans aus Düsseldorf in andere Städte fahren, um dort zu feiern. Das finde ich sehr schade. Schon damals in “Paderboring” haben wir den Club gegründet, um die Sache selbst in die Hand zu nehmen statt nur zu meckern. Die Nachfrage bestimmt das Angebot und das ist im Clubsektor nicht anders. Ich glaube, dass es mit uns, dem Golzheim, Lucy’s Sky, Silq und Oh Baby Anna im elektronischen Bereich wirklich eine gute Auswahl gibt, die bei allen Unterschieden auch ausreichende Schnittmengen bietet. Wenn man noch den Salon des Amateurs hinzunimmt, der zum Glück wieder auf hat, und bedenkt, dass neben diesem mit Reinraum und dem Schlachthof auch der freien Szene Möglichkeiten offen stehen, dann glaube ich steht Düsseldorf ganz gut da. Und da habe ich über das Schickimicki, WP8 und andere Räume für Kunst, Musik und Kultur noch gar nicht gesprochen.
Inwiefern gibt es Unterstützung für Clubs wie das CUBE? Wir haben nun zwei sehr gute Crowdfundings hinter uns und auch die privaten Feiern liefen gut. Unsere Community unterstützt uns spektakulär. Ich vermute, dass das bei den anderen Läden im Großen und Ganzen nicht anders aussehen wird. Von der Stadt gab es Kulturfördersondermittel, auf die wir wegen unserer Vorbelastung aber leider nicht zugreifen konnten. Generell haben wir uns in der Stadt und vor allem bei Herrn Geisel durchaus gesehen und beachtet gefühlt. Die Lokalpolitik war aber teilweise auch in einer sehr undankbaren Position, da ihr mit den Verordnungen des Landes ein Stück weit die Hände gebunden waren. Ich glaube aber, dass man nicht übersehen darf, dass es nicht nur für uns Clubs, Veranstalter und Gastronomen eine schwierige Zeit ist. Auch die Politik steht vor Aufgaben und Entscheidungen, die sie so noch nicht kannte.
Warum ist es wichtig, dass die Clubs bestehen bleiben? Ich könnte euch Bücher darüber schreiben, warum es wichtig ist, warum die Clubs bestehen bleiben müssen. Clubs sind wichtig, um in einer immer schneller werdenden Welt auch mal positiv Dampf ablassen zu können, einfach die Augen zu schließen und die Welt für ein paar Stunden außen vor zu lassen. In einer Welt, in der durch die Digitalisierung und das Internet auf Grund des schnellen Wachstums Szenen kaum noch existieren und sich heterogen entwickeln können, stellen Clubs die Biotope der Mikro- und Makrokultur dar. Sie sind außerdem ein Ort der Begegnung, des Zusammenseins, des Sich-kennenlernen, des Abstürzens, des Verliebens.
Was wünscht Du Dir von der Stadt? Wir sind mit der Stadt Düsseldorf sehr glücklich. Natürlich könnte man darüber sprechen, ob die Stadt im Städtebau und in der Vergabe von Bauerelaubnissen Kulturräume mehr fördern sollte. Aber im Grunde denke ich, dass wir als Clubbetreiber uns in dieser Stadt recht glücklich schätzen können. Uns als Cube wurden keine Steine in den Weg gelegt. Wir sind immer bestens von der Stadt unterstützt worden und haben diese als Partner gesehen. Sei es im Laden selbst oder auch bei den kleinen Festivals, die wir mit unseren Partnern organisiert haben.
Wie kann man das CUBE momentan unterstützen? Derzeit gibt es eigentlich nur einen Weg der Unterstützung. Und das ist Geld. Ich würde gerne eine romantischere Antwort geben, die Situation ist bei allen ähnlich: Man kann Merch kaufen oder spenden. Oder einfach eines der Tickets für die Opening Parties erwerben, die derzeit in der Kampagne rausgehauen werden. Genauso wie unsere legendären Jahrestickets. Ansonsten geht es wohl eher um symbolische Dinge, die uns das Gefühl geben, dass wir nicht vergessen werden. Ihr könnt uns auf Social Media folgen, ab und an ein paar nette Worte schreiben, einen kleinen Post, der uns auch Freunde und Freundinnen uns im Gedächtnis behalten lässt. Und ansonsten einfach mit uns darauf warten und freuen, dass es wieder losgeht, wenn es wieder losgeht.
Was passiert, wenn das Ziel der Startnext-Kampagne nicht erreicht wird? Das ist zum Glück bereits eine hypothetische Frage. Aber ja, lasst uns ehrlich sein, dem Insolvenzantrag des Finanzamtes würde stattgegeben und wir hätten schließen müssen.
Gibt es Ideen für alternative Konzepte, falls Kulturbetriebe auch auf längere Sicht geschlossen bleiben müssen? Ehrlich gesagt nicht. Ich war immer ein Verfechter des klassischen Clubbings. Da war ich als DJ und da sind wir als Clubbetreiber zuhause. Es gibt viele spannende Wege und Konzepte, aber da Mollie und ich beide „nebenbei“ auch Vollzeit arbeiten, haben wir nicht die Kraft und die Energie, die es bräuchte, um etwas Anderes aufzubauen. Wir sind aber immer für alle Ideen offen und lassen uns gerne begeistern.
Ihr habt das Fundingziel jetzt so dermaßen schnell erreicht, wie erklärst Du Dir das, wie fühlst Du Dich dabei? Wir sind in erster Linie stolz auf unsere Freunde und Community. Mollie kommt aus den USA, daher ist viel Unterstützung über den Atlantik gekommen. Weil sie dort auch alle wissen, was es uns bedeutet, dass wir uns hier im CUBE kennengelernt haben und den Laden mittlerweile zusammen führen. Auch, dass einen Tag vor der Kampagne das Gebäude abgerissen wurde, in dem wir in Paderborn waren, hat uns einen Push gegeben. Wir haben die letzten Tage viele Mails und Spenden aus Paderborn bekommen.
Aber ich möchte auch nicht unsere jetzige Community vergessen. Damit meine ich nicht nur die wöchentlichen Partygänger und Cube-Gäste. Wir sind wirklich ergriffen, wie viele Menschen unsere Kampagnen unterstützen, die alles andere sind als Stammgäste. Es macht uns glücklich zu sehen, dass offenbar viele Menschen so sehr zu schätzen wissen, wieviel Herzblut, Liebe, Geld und Zeit wir in dieses Projekt stecken, und helfen wollen.
Man hört momentan auch oft genug aus der Kulturbranche, dass die Soforthilfen vom Staat so gut wie nichts bewirken, weil der Großteil dieser Beträge vom Empfänger direkt zum Vermieter der Location fließt. Wie sieht das bei Euch aus? Wo fließt das Geld, das nicht dem Finanzamt zusteht, hin? Wegen des Insolvenzantrags des Finanzamtes bekommen wir keine Soforthilfen vom Staat. Ansonsten würden diese tatsächlich zu großen Teilen unseren Vermietern zu Gute kommen. Das finden wir auch richtig so. Unsere Vermieter sind ein liebevolles, Musik-begeistertes älteres Paar, deren Rente unsere Miete ist. Sie haben uns völlig ungefragt für mehrere Monate die Miete erlassen und auch in der Vergangenheit schon immer alles dafür getan, dass die Mertensgasse 8 ein Ort bleibt, wo die Liebe zur Musik einen Platz hat.
Wir hoffen durch die Abwendung der Insolvenz die Soforthilfen und Überbrückungsgelder ab sofort nutzen zu können. Dann könnten wir die auf Eis gelegten Verträge mit verschiedenen Unternehmen wieder anlaufen lassen.
Es geht nicht nur uns Gastronomen schlecht, sondern das Ganze hat einen enormen Rattenschwanz. Und wir möchten unseren Mitarbeitern noch ein kleines Weihnachtsgeld geben, wenn das zeitlich noch hinhaut.
Danke!
Mittlerweile hat das CUBE sogar das zweite Fundingziel von 15.000 Euro erreicht. Dadurch können die Besitzer ihre Schulden begleichen, kleinere Investitionen im Club angehen und die staatliche Überbrückungshilfe beantragen. Die Startnext-Kampagne läuft noch bis zum 27. Dezember. Falls Ihr das CUBE weiterhin unterstützen wollt, könnt Ihr hier spenden.
Interview & Text: Maren Schüller
Fotos: Kasia Bialy