ISABELLA TIL

Die Düsseldorfer Künstlerin Isabella Til perfektioniert in ihren Werken die Symbiose von malerischen und digitalen Mitteln und schafft dadurch einzigartige, abstrakte Motive. In ihrer Arbeit Sis Corp. beschäftigt sie sich mit der Geschlechtergleichstellung und hinterfragt die Rolle der Frau. Anlässlich des Weltfrauentags am 8. März 2021 haben wir mit ihr über ihre jüngste Arbeit, ihren Weg über Düsseldorfer Agenturen in die Kunstwelt und die aktuelle Lage gesprochen. 

Du hast Kommunikationsdesign an der Folkwang Universität in Essen studiert. Wie kamst du zum Kunststudium und woher stammte dein besonderes Interesse für digitale Kunst? Malen gehörte seit meiner Kindheit schon immer zu meinem Leben dazu. In meiner Jugend habe ich vieles hinterfragt und mir die Freiheit genommen, mich selbst so auszudrücken, wie ich es wollte. Künstlerin zu werden war schon immer ein großer Traum von mir, allerdings hatte ich nur männliche Vorbilder wie Picasso, Cézanne oder Warhol. Ich bin zudem direkt gegenüber vom Museum Folkwang aufgewachsen und hatte dadurch einen zusätzlich starken Bezug zur Kunst. In der Schule hatte ich einen wunderbaren Lehrer, der mich unterstützt hat. Kunst Leistungskurs habe ich natürlich auch gewählt und von da aus war es kein weiter Weg mehr. Ich wurde nach dem Abitur direkt an der Folkwang Universität der Künste angenommen und fand es toll, dort Menschen zu begegnen, die nichts anderes tun als zu gestalten. Im Studium bin ich mit verschiedenen Techniken in Berührung gekommen. Zuerst war es die Fotografie, die mich begeisterte und als dann die ersten Macs an die Schule kamen, war ich sofort dabei. Ich habe viel herumprobiert und mich oft bis nachts in den Computerraum der Uni eingeschlossen. Die Möglichkeiten, die man am PC hat, haben mich sofort fasziniert.

Du bist in Köln geboren und wohnst seit 1992 in Düsseldorf. Was hat dich hierher verschlagen? Ich empfand den Weg als Künstlerin als sehr unsicher. Daher sah ich die Möglichkeit, als Corporate Designerin dabei zu helfen, eine schönere Welt zu gestalten und all die tristen, alten Firmen samt Denke nach vorn zu bringen. Auf meiner Suche fand ich eine kleine Designagentur in Düsseldorf, abseits der großen Werbeagenturen, die wie ich digital arbeitete. Der Umzug ins Rheinland war eine große Befreiung und hat mir viel gegeben, aber ich habe immer noch ein Herz für das Ruhrgebiet.

Wie nimmst du die Kunstszene in Düsseldorf seit der Pandemie wahr? Stellst du eine neue Entwicklung fest? Wird Kunst zwangsweise digitaler? Es gibt zwar mehr digitale Bildungsangebote von Museen und Galerien, aber ich empfinde, dass der Kontakt innerhalb der Szene ruhiger geworden ist. Es fehlen die realen Begegnungen, die durch Online-Viewings oder Podcasts nicht zu ersetzen sind.

In deinen Werken schaffst du eine perfekte Verschmelzung von digitalen und malerischen Mitteln. Was reizt dich daran, die beiden Formen zusammen zu bringen? Es hat sich einfach so ergeben… vielleicht, weil ich es kann *lacht. Vor fast fünf Jahren habe ich in meinem Archiv alte Fotogramm-Collagen aus Studienzeiten entdeckt und diese auch ausgestellt. Ich wollte die Arbeit unbedingt weiterführen, aber zeitgemäßer machen. Also habe ich Aquarelle gemacht, diese zerschnitten und dann in Photoshop bearbeitet. Erst in schwarz-weiß und dann natürlich auch in Farbe. Und so haben sich diese abstrakten Bilder entwickelt.

Würdest du deine Arbeit als neue Kunstform bezeichnen? Das ist schwer zu sagen. Schaut man sich einmal international um, gibt es immer Künstler, die ganz weit vorne sind. Daher würde ich mir das nicht anmaßen. Unter gleichaltrigen Künstlern bin ich mit den digitalen Mitteln eher die Ausnahme. Mich interessieren aber Fragen der künstlerischen Darstellung. Dabei sehe ich den Computer nur als ein weiteres malerisches Mittel, neben all den anderen, wie z.B. Pinsel und Farben. Ich versuche aber bei allem einfach meinen eigenen Weg weiter zu verfolgen.

In deiner jüngsten Arbeit Sis Corp. behandelst du die Probleme der Geschlechtergleichstellung, insbesondere hinterfragst du die Rolle der Frau. Welcher Aspekt durfte dabei nicht fehlen? Stereotype sind mir schon als Kind aufgefallen. Es gab kaum interessante weibliche Vorbilder. Ich habe aktiv Fechtsport betrieben und finde es bis heute spannend mit Männern zu konkurrieren. Es ist deutlich, dass Feminismus bis heute noch ein wichtiges Thema ist. Es gibt zwar inzwischen Gesetze, die für mehr Gleichberechtigung sorgen sollen, aber im privaten Bereich ändert sich einiges, sobald Familien gegründet werden und Frauen Kinder bekommen. Vieles muss mit dem Partner abgestimmt werden, um weiterhin beruflich aktiv zu sein und sich selbst treu zu bleiben. Und genau diese private Verhandlung versuche ich zu thematisieren.

Was ist Ziel deiner Arbeit und was würdest du dir wünschen, wie die Menschen im Optimalfall auf Sis Corp. reagieren? Ich möchte, dass Frau und Mann aufeinander zugehen und dabei alles offen und fair bleibt. Oft nehmen Mütter die komplette Verantwortung für die Kinder und die Familie auf sich. Als ich meinen Sohn bekommen habe dachte ich, dass ich es mit Kind und Beruf einfach hinkriegen muss. Ich habe das Gefühl, dass dieser Kraftakt oft als selbstverständlich genommen und wenig honoriert wird. In dieser Arbeit „degradiere“ ich die Malerei bewusst zum Dekor, um den Effekt eines „Trojanischen Pferdes“ herzustellen. Auf den ersten Blick denkt man erst einmal: Oh wie schön! Und dann kommt plötzlich alles andere hinterher. Beide Geschlechter sollen inspiriert werden ihre Rolle zu hinterfragen und ganz wichtig: Es soll nicht abschrecken.

Du sagst, dass du in vielen deiner Werke Malerei, Fotografie und Zeichnungen bis an ihre digitalen Grenzen integrierst. Wieso nicht bei Sis Corp.? In Sis Corp. habe ich diese Komponente komplett rausgelassen, mit der Ausnahme, dass es digitale Drucke gibt. Die eine Seite zeigt Fotos aus der Realität, die mit der Malerei verwoben sind und die Rückseite dieser „Kleid-Bilder“ sind rein abstrakte Malereien. Ich wollte, dass es vielschichtige Objekte werden und ich wollte mit meinen Händen daran arbeiten.

Kunst ist ein großer Bestandteil unserer Gesellschaft. In diesen Zeiten bekommt man allerdings das Gefühl, dass es eher eine zweitrangige Rolle spielt. Wie siehst du das? Kann eine Gesellschaft ohne Kunst bestehen?  Ich finde das ganz furchtbar. Wenn Museen schließen ist es so, als würden Bibliotheken schließen. Für mich sind Museen Bildungseinrichtungen und Künstler sind wie Denker und Philosophen. Sie weisen auf Sachverhalte hin, manchmal auch auf Missstände. Einige Menschen haben oft den Eindruck, dass Künstler ganz unverständliche Dinge machen, aber man muss nicht jeder Richtung folgen und alles verstehen. Das tut man in vielen anderen Bereichen auch nicht. Kunst ist ein Ausdruck von Freiheit! Für mich ist es auch keine Unterhaltung. Es erfordert eine gewisse Aufmerksamkeit und benötigt ein Nachdenken und sich einlassen, um etwas von einer anderen Warte zu betrachten. So nötig, wie eine Kopfmassage.

Wann wird deine Arbeit zu sehen sein und ganz wichtig: In welcher Form? Zum Weltfrauentag am 8. März findet ein Online-Opening auf der Plattform von female.vision per Zoom statt. Darüber hinaus befindet sich vieles in Planung.

Vielen Dank!

Infos und Updates zu Isabella Til und ihren Arbeiten gibt es auf
www.isabellatil.com
www.felixringel.com

(c) THE DORF, 2021
Fotos: Isabella Til 
Text & Interview: Amani El Sadek

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