DENIS KONTREC

Wir leben in einer Welt, in der künstliche Intelligenz längst unseren Alltag durchdringt. Von Empfehlungsalgorithmen über Chatbots bis hin zu virtuellen Assistenten wie Alexa – KI ist allgegenwärtig. Immer anspruchsvollere Systeme wie ChatGPT sind auf dem Vormarsch und revolutionieren unsere Gesellschaft. Doch während wir die vielen Vorteile feiern, schwingt auch eine gewisse Sorge vor einer unsicheren, womöglich gefährlichen Zukunft mit. Es ist eine Gratwanderung zwischen grenzenlosem Potenzial und gleichzeitiger Herausforderung, die gegenwärtig intensiv diskutiert wird. 

Und genau in diesem aufregenden Spannungsfeld treffen wir auf Denis Kontrec. Der 39-jährige gebürtige Düsseldorfer mit kroatischen Wurzeln ist nicht nur ein leidenschaftlicher Musikproduzent und Barkeeper-Barista, sondern auch ein Content Creator, der mithilfe des Tools Midjourney Kunstwerke erschafft. Seine unheimlichen und anziehenden Werke teilt er auf einem seiner Instagram-Profile Backroom Teddies oder auf www.ai-artworks-gallery.com

Denis findet die Möglichkeiten, die generative KI eröffnet, sowohl „atemberaubend“ also auch „besorgniserregend“. Er ist überzeugt davon, dass sich unsere Welt in naher Zukunft grundlegend verändern wird – die Frage ist nur ob im positiven oder negativen Sinn. In unserem Interview mit Denis tauchen wir ein in seine faszinierende Welt der KI-Kunst. Gemeinsam erkunden wir die „Uncanny Valley“-Theorie und sprechen über die Verbindungen von künstlicher Intelligenz und Kunst. Und als besonderes Highlight präsentiert uns Denis seine kreativen Designideen für unseren eigenen THE DORF Kö-Papagei – natürlich unter Einsatz von KI erstellt. *Dieses Intro wurde mithilfe von ChatGPT geschrieben.

Seit Anfang 2023 teilst du auf Instagram Bilder von Teddybären, Bots und Androiden, die an verlassenen Orten auf der Welt platziert sind. Wie bist du auf diese Idee gekommen? Ich komme eigentlich aus dem Musikbereich, aber habe mich schon immer für Design und Kunst interessiert. Ich bin kein Mensch vieler Worte, weshalb ich wohl alternative Wege suche, mich auszudrücken. Ich habe die Backroom Teddies ins Leben gerufen, um das Spannungsfeld zwischen Realität und Fiktion im Bereich der KI-Bilderstellung zu erkunden und die Betrachter in eine Welt zu entführen, die real erscheint, aber gleichzeitig auch surreal und mysteriös ist. Es ist eine Art Traumfotografie. In meiner Kunst geht es nicht nur darum, etwas Schönes oder Ästhetisches zu schaffen, sondern auch darum, die Grenzen der Wahrnehmung auszureizen und die Betrachter dazu zu bringen, ihre eigene Wahrnehmung, Vorstellungen und Gefühle zu hinterfragen. Ich bin jedenfalls gespannt, wie das Projekt von der Öffentlichkeit angenommen wird und wohin die Reise führt.

Werden in deinen Bildern reale Orte gezeigt oder handelt es sich um eine computergenerierte Simulation? Die in meinen Bildern dargestellten Orte sind nicht real, sondern computergenerierte Simulationen, die von künstlicher Intelligenz kreiert werden. Das zugrundeliegende System hat unzählige Bilder analysiert und daraus gelernt, wie verschiedene Objekte und Szenen aussehen, um darauf basierend neue einzigartige Bilder zu generieren. Die Authentizität dieser Kreationen kann so verblüffend sein, dass KI-gestützte kreative Prozesse in meinen Augen einer Art Magie gleichen.

Teddybären sind süße, aber auch gruselige Kreaturen, die man aus Filmen wie „Toy Story 3“ kennt. Du beschreibst sie selbst als „the cutest little creeps you’ll ever meet“. Wie passt das zusammen und was möchtest du mit dieser Beschreibung ausdrücken? Mit der Beschreibung „the cutest little creeps you’ll ever meet“ möchte ich das Paradoxon hervorheben, das in meinen Bildern steckt: einerseits die süße Unschuld von Teddybären und Spielsachen und andererseits die gruselige unbekannte Atmosphäre der Backrooms und die Vergänglichkeit, die Lost Places mit sich tragen. Diese Gegensätze sollen die Betrachter fesseln und gleichzeitig zum Nachdenken anregen.

Inwiefern denkst du, dass deine Bilder eine Botschaft transportieren? Was möchtest du mit deinen Bildern vermitteln? Meine Bilder dienen in erster Linie dazu, die Faszination der KI-generierten Kunst hervorzuheben und die Betrachter dazu anzuregen, sich mit ihren eigenen Vorstellungen und Emotionen auseinanderzusetzen. Durch das Verschmelzen von realen und fiktiven Elementen lade ich andere Menschen dazu ein, ihre Wahrnehmung und Vorstellungen zu hinterfragen und zu reflektieren. Zudem versuche ich anhand der fiktiven Geschichten, die meine Bilder oftmals auch mithilfe von Musik erzählen, genügend Raum für individuelle Interpretationen zu lassen. Letztendlich präsentiere ich eine Art Taschenkino und -kunst für zwischendurch, die hoffentlich ästhetisch ansprechend ist und zum Innehalten einlädt.

Wie kamst du auf die Idee, den von dir dargestellten Wesen menschenähnliche Merkmale wie Gesichtszüge und Kleidung zu geben und welche Wirkung möchtest du damit bei den Betrachtern erzielen? Die manchmal menschenähnlichen Merkmale und Kleidung verleihen den Wesen in meinen Bildern einen Hauch von Vertrautheit und erzeugen eine stärkere emotionale Bindung zu den Betrachtern. Gleichzeitig soll diese Vermenschlichung auch eine gewisse Unheimlichkeit hervorrufen und anregen, über die Grenzen zwischen Realität und Fiktion nachzudenken.

Hast du schon mal von der „Uncanny Valley“-Theorie gehört? Sie besagt, dass uns Objekte oder Roboter mit menschenähnlichen Merkmalen bis zu einem gewissen Grad sympathisch und attraktiv erscheinen. Sobald die Ähnlichkeit jedoch zu realistisch wird, löst das beim Betrachter ein unheimliches oder verstörendes Gefühl aus. Wie würdest du den Grad der Anthropomorphisierung in deinen Arbeiten beschreiben und hast du vor, dein Spiel mit der Vermenschlichung auf die Spitze zu treiben? Ja, die „Uncanny Valley“-Theorie ist mir bekannt. Mein Fokus liegt jedoch darauf, die Möglichkeiten der KI-gestützten Bildgenerierung zu nutzen, um das gesamte Bild so realistisch wie möglich erscheinen zu lassen, nicht nur die Figuren. In gewisser Weise spiele ich mit einer abgewandelten Form der „Uncanny Valley“-Theorie, bei der das gesamte Bild im Fokus steht. Obwohl es nicht real ist, wirkt es dennoch so, was sicherlich unheimlich und verstörend sein kann.

Hinsichtlich der Anthropomorphisierung der Figuren möchte ich mich nicht auf einen bestimmten Grad festlegen, will mir aber auch keine Grenzen setzen. Manchmal verwende ich humanoide Kreaturen, manchmal Roboter und manchmal klassische Teddybären.

Deine Teddybären sind KI-generiert. Kannst du uns erklären, wie das Erstellen von KI-Bildern funktioniert? Welche Prompts gibst du dem KI-Tool und wie beeinflusst dies das Ergebnis? KI-generierte Bilder entstehen durch den Einsatz von künstlichen neuronalen Netzwerken, die auf umfangreichen Datenmengen trainiert werden. Um Bilder mithilfe eines KI-Tools zu erstellen, gebe ich zunächst inhaltliche Vorgaben wie Stichworte, Sätze, Farben, Formen, Gewichtungen und Stilrichtungen ein, die ich in den Bildern umgesetzt sehen möchte. Das System verarbeitet diese Vorgaben und generiert darauf basierend einzigartige Bilder. An diesen nehme ich anschließend kleine Schönheitskorrekturen vor, ganz klassisch in Photoshop. Das Tool Midjourney hat mir von Anfang an die besten Ergebnisse geliefert, weshalb ich dabei geblieben bin.

Manchmal gelingt es schnell, die gewünschten Ergebnisse zu erzielen, während es in anderen Fällen recht lange dauern kann. Kleinste Details, wie einzelne Wörter oder der Satzbau im Befehl, sowie systemeigene Parameter können erhebliche Auswirkungen auf das Endergebnis haben. Oft enthalten die Bilder Artefakte, wie Körperteile an falschen Stellen oder in unrealistischer Anzahl, schwebende Objekte oder auch ganz andere Ergebnisse, als man erwartet hat. Bis vor kurzem hatte Midjourney erhebliche Schwierigkeiten, menschliche Hände realitätsnah darzustellen. Dies hat sich aber mit der zuletzt veröffentlichten Version stark verbessert. Für meine Teddies sehe ich diese Artefakte jedoch eher als Vorteil, da oft unerwartete, zufällige und total verrückte Details entstehen, auf die ich wahrscheinlich von allein nicht gekommen wäre.

Ein tolles Feature ist die Möglichkeit, zwei oder mehr Bilder zu kombinieren und daraus ganz neue Kreationen entstehen zu lassen. Oder man lädt ein Bild hoch und manipuliert es mit Befehlen (siehe mein klassisch gemaltes Bild auf Leinwand und drumherum die KI-generierten Abwandlungen). Die Zuhilfenahme von KI in Kunst, Design und Grafik ermöglicht meiner Meinung nach eine ungeahnte Flexibilität im Stil und Vielfalt in der Gestaltung, die die kreative Freiheit der Schaffenden erweitert und ihnen hilft, neue, innovative Wege zu beschreiten.

Welche Kunstschaffenden und Content-Creator haben einen Einfluss auf deine Arbeit? Den größten Einfluss auf mein künstlerisches Schaffen – egal ob in der Musik, auf Instagram oder in „echten“ Malereien, hat das das reale Leben. Ich habe meistens ein Notizblock dabei in dem ich Ideen und Momente jeglicher Art festhalte. Mein Smartphone ist auch voll mit Audionotizen von gesummten Melodien und Songideen. Ich hoffe, es kommen bald KI-Lösungen auf den Markt, die helfen, diese Schnipsel zu sortieren und das mittlerweile unüberschaubare Chaos zu bändigen.

Um einige Namen aus verschiedenen Disziplinen zu nennen, die ich bewundere, hier eine willkürliche Auswahl: David Lynch, die Coen-Brüder, Francis Bacon, Edward Hopper, Lee Bul, Lim Qi Xuan, Chet Baker, Miles Davis, Max Martin, Ennio Morricone…

Du verwendest Hashtags wie #manga, #bubbletea und #anime, die mit der japanischen Kultur in Verbindung gebracht werden. Hast du eine persönliche Verbindung zu Japan oder was inspiriert dich, diese Hashtags zu verwenden? Obwohl ich keine direkte persönliche Verbindung zu Japan habe, fühle ich mich von japanischer Kunst und japanischem Design stark angezogen. Ich versuche, diese Ästhetik in einige meiner Bilder zu integrieren und glaube, dass Manga- und Anime-Fans zu einer Zielgruppe gehören, die meine Bilder ansprechend finden könnten. Meine Kinder sind Anime-Fans, was mich sicherlich zusätzlich dazu inspiriert, gelegentlich diese Optik in meinen Ideen zu verwenden. Tatsächlich haben meine Kinder auch einige Backroom-Teddies „geprompted“. Und was den Bubble-Tea betrifft: Er ist in der richtigen Mischung verdammt lecker und macht riesen Spaß. #Strohhalm #Boba_Kugeln #Leute_ärgern 🙂

Wo gehst du in Little Tokyo oder allgemein in Düsseldorf gerne hin? In Düsseldorf gibt es viele Orte, die ich gerne besuche. Neben dem Grafenberger Wald, den Rheinstränden und den zahlreichen beeindruckenden Parks und Museen, die unsere Stadt zu bieten hat, bin ich auch ein großer Fan der vielfältigen Cafés. Als Kaffeeliebhaber schätze ich die vielen einladenden Cafés, ohne hier bestimmte Namen zu nennen. Ansonsten gehe ich aber eigentlich nicht viel aus. Am liebsten verbringe ich Zeit mit der Familie. Meine zwei Kinder stehen für mich an erster Stelle. Sie lehren mich immer wieder die Bedeutung, den Moment zu genießen und für Neues offen zu sein.

Wie sähe ein von dir gestalteter Kö-Papagei für THE DORF aus? Da hätte ich einige Ideen. Mir persönlich gefällt das erste Design am besten.

Welchem Instagram-Account sollten wir unbedingt folgen? Meinem anderen Instagram-Account Dr. Cheron Grady Project. Das „Dr. Cheron Grady Project“ soll ohne Rücksicht die grausamen und hässlichen Facetten unserer Kapitalismus-Gesellschaft und unseres Handelns und die damit verbundenen Folgen hervorheben, wenn auch manchmal stark überspitzt. Der Großteil der Weltbevölkerung ist durch die Fesseln des Alltags, die Last der sozialen Verpflichtungen und den unerbittlichen Überlebenskampf betäubt und unfähig, sich aus eigener Kraft von den Übeln unserer Zeit zu befreien. Nur ein winziger Bruchteil der Weltbevölkerung besitzt das Privileg, über solche Themen nachzudenken zu können, Ideen zu entwickeln und seine Gedanken öffentlich kundzutun.

Ich habe einen Funken Hoffnung, dass kommende Generationen mit frischen Ideen und dem Einsatz „intelligenter“ Technologien die Welt von diesen Fesseln befreien können. Ohne grundlegende und unangenehme Veränderungen und den Mut, persönliche und kollektive Opfer zu bringen, wird dieser Wandel jedoch kaum Realität werden. Es liegt an uns, den Weg für eine gerechtere und nachhaltigere Zukunft zu ebnen, indem wir unsere Augen öffnen und gemeinsam handeln. Je mehr dieses Bewusstsein in der Bevölkerung geweckt wird, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass neue kluge Köpfe mit innovativen weltverändernden Ideen hervorgerufen werden.

Hier noch ein paar gute KI-Kunst-Accounts, denen ich auf Instagram folge:
Cyborg Tea Party
Sy the AI photo guy
Ephellem
AI Architect Design

Was sind deine Pläne für die Zukunft? Möchtest du in einer bestimmten Art und Weise weiterarbeiten oder möchtest du dich auf andere Themen konzentrieren? Ich bin neugierig, wie sich meine Instagram-Präsenzen weiterentwickeln und wie sie von den Menschen aufgenommen werden. Die Musikproduktion wird stets ein wichtiger Bestandteil meines Lebens bleiben, in dem ich noch einiges vor habe. Außerdem arbeite ich aktuell an der Gründung eines kleinen Cateringservices, über den ich gerne mehr erzähle, sobald alles in den Startlöchern ist. Die Verbindung von traditioneller Kunst und KI-generierten Werken fasziniert mich ebenfalls, sodass ich früher oder später auch in dem Bereich bestimmt etwas machen werde. Ich halte euch auf dem Laufenden!

Vielen Dank!

Text: Merit Zimmermann
Fotos: Denis Kontrec
© THE DORF 2023

Mehr von MERIT

MILA THE VEGAN

Pulled Pork, Roastbeef, Calamari und Krabben-Sushi-Rollen ... aber bitte vegan! Für Miki...
Weiterlesen