Die Düsseldorfer Sängerin Marie Rauschen vereint deutsche Poesie mit Reiselust und Naturverbundenheit. Im selbst ausgebauten Ford Transit, der als Bühne, Produktionsstudio und Soundlab fungiert, kreiert sie ihre eigenen Sounds. Klangkompositionen zwischen Natur, Mensch und Geräusch verschmelzen zu einer einzigartigen Soundkomposition.
Vor drei Jahren hat die Künstlerin ihre erste EP “hautnah” veröffentlicht und hat seitdem auf vielen Festivals das Publikum mit ihren nachdenklichen Texten und sanften Klängen in ihren Bann gezogen. Jetzt ist sie mit ihrer neuen Single „Da sein“ zurück und verknüpft deutschen Poesie-Indie-Pop mit atmosphärischen und organischen Nature-Elektrosounds. THE DORF gab sie Einblicke in ihre musikalische Entwicklung und ihre Philosophie.
Für Leute, die Dich und Deine Musik nicht kennen, wie würdest Du Deinen Musikstil beschreiben? Es ist schwierig, sich selbst eindeutig in eine große Vielheit von Genres und Gattungen einzuordnen. Von außen betrachtet trifft es wohl die Kategorie deutscher Poesie-Indie-Pop – so wurde es bisher in anderen Medien beschrieben.
Da ich mich nun auch immer mehr im elektronischen Metier umgesehen habe, wird es schwieriger… mit dieser neuen Komponente nenne ich meine Musik nun liebevoll „Deutscher-Poesie-Indie-Pop mit atmosphärischem Nature-Elektrosound“.
Wie bist Du zur Musik gekommen und wann hast Du damit angefangen? Vor etwa zehn Jahren war ich in Malaysia und war fasziniert von dieser Backpacker Lagerfeuer-Stimmung mit Gitarre, dem Beisammensein, Improvisieren und der Atmosphäre. Seither wollte ich Gitarre spielen lernen und selbst singen. Ich habe mir dann während meines Studiums und meiner Zeit als Volontärin in einem kambodschanischen Kinderdorf das Gitarrespielen selbst beigebracht. Etwas später begann ich als Straßenmusikerin in der Altstadt von Düsseldorf zu performen. Auch dort fand ich ein inspirierendes Gemeinschaftsgefühl in der Musik und begann 2014 mit dem Schreiben eigener Songs.
Kurz danach flog ich nach Australien und verbrachte einige Monate im Ort Byron Bay. Mit den Liedern, die ich dort geschrieben hatte, kehrte ich zurück nach Deutschland und begann Songslams zu spielen. Seither bin ich mit meiner eigenen Musik in Deutschland unterwegs und trage dabei immer auch ein Stück weit Erfahrungen mit mir, die ja nun auch schon ein wenig gealtert sind. Das Wunderbare und Faszinierende an Musik ist, dass sie Erinnerungen konserviert und, wenn man sie immer wieder abspielt, nie langweilig wird. Sie wirkt immer wieder anders, aber ist dabei wiedererkennbar – wir sind quasi immer woanders, wenn wir sie hören, aber zugleich an vertrauten Orten.
Welche Musiker haben Dich geprägt und inspiriert und tun es noch heute? Als Kind habe ich viel die Musik gehört, die bei meinen Eltern im Wohnzimmer lief. Dazu gehörten u.a. Eric Clapton, Tracy Chapman, Queen oder Simon and Garfunkel. Ich bin natürlich im Laufe meines Lebens mit vielen anderen Musiker*innen konfrontiert worden, manchmal waren es kommerziell erfolgreiche, konventionelle, aber auch mutige, weniger erfolgreiche Bands oder Künstler*innen. Wir sind Helden, Udo Lindenberg, Georg auf Lieder oder Clueso sind Musiker*innen, die mich bis heute inspirieren so auch Künstler*innen, wie Enno Bunger, James Vincent McMorrow, Lina Maly, William Fitzsimmons, Kim Churchill, Ziggy Alberts, Tuvaband, RYX, Kat Frankie, Haller, Boy oder Sophie Hunger. Es gibt aber viele weitere Musiker*innen, die ich immer wieder neu entdecke, die mich inspirieren und solche, die es schon lange tun.
Wie ist die Idee entstanden, Dein Auto in Studio und Bühne umzuwandeln? Seitdem ich in Australien war, hatte ich den Wunsch, das Lebensgefühl von dort mit nach Hause zu nehmen. Musik zu machen, wo, wie und wann ich will. Und die Möglichkeit, einfach wegzufahren, hat mich dazu ermuntert, ans Meer oder in die Natur zu fahren, um dort zu schreiben, zu komponieren und zu produzieren. Umgebungen haben mich immer schon interessiert und fließen in die Kompositionen mit ein. Als Konzept habe ich das erst im vergangenen Jahr entwickelt und umgesetzt. So hat jeder Song seinen eigenen imaginären und auch realen Ort.
Wie beeinflusst die Arbeit auf fahrbaren fünf Quadratmetern Deinen musikalischen Output? Ich bin im Van deutlich fokussierter als zuhause. Es gibt wenig, was mich ablenkt, da der Raum begrenzt ist. Gleichzeitig bin ich draußen und ganz woanders. Unterwegs vertraut zu sein, das hat mich fasziniert. So ist das besonders Schöne an der Arbeit dort, dass ich nur die Tür öffne und draußen bin und das Draußen sich in meiner Musik wiederfindet.
Wie hat sich der Klang der Außenwelt in Düsseldorf seit Corona verändert? Der Klang der Außenwelt hat sich insofern verändert, als dass ich ihn präsenter wahrnehme. Das Gefühl beim häufigen Spazieren gehen, dem neuen Ausgehen, wenn man so will, also das Flanieren lässt den Sound der uns umgebenden Natur oder Stadt viel deutlicher wahrnehmen. Das frühlingshafte Zwitschern der Vögel im Baum oder auf den Dächern, das Prasseln des Regens auf Gras oder Beton oder das Rauschen der Blätter in den Alleen und Parks sind mir präsenter als je zuvor. Genauso verhält es sich mit den viel klarer wahrnehmbaren Jahreszeiten. Ich habe sowieso das Gefühl, dass ich noch nie zuvor die jahreszeitbedingten Veränderungen in der Natur derart bewusst erlebt habe, schließlich war ich glaube ich noch nie bei Wind und Wetter so viel draußen wie in diesem und dem vergangenen Jahr.
Fahre ich an den Rhein, sind dort viele Menschen unterwegs, allerdings immer nur in Zweiergruppen, lautes Feiern gibt es natürlich nicht, sondern nur vertraute Gespräche in vertrauten Gruppen, davon dann aber ganz viele – wie ein leises Flüstern, eine Zurückhaltung, die nicht nur spürbar ist – am Ende muss man eben aufmerksam sein und genau hinhören.
Was schätzt Du an Düsseldorf? Wo hattest Du den ersten Kontakt zur Musikszene in Düsseldorf? Ich schätze an Düsseldorf sehr das vielfältige Musik- und Kulturangebot, das es vor der Krise noch gab. Ich liebe es, in Unterbilk zu wohnen und in nur zehn Gehminuten am Rhein sein zu können. Dort habe ich auch meinen ersten Kontakt mit Publikum am Rheinufer gehabt. Im Jahr 2015 spielte ich meinen ersten Songslam in der Butze in Derendorf. Der Sieg war damals der Stein, der alles ins Rollen brachte.
Gibt es eine*n Düsseldorfer Künstler*in oder eine Band, mit der du gerne mal auf der Bühne stehen würdest? Da gibt es viele! Düsseldorf hat eine wunderbare Musikgeschichte, ob Kraftwerk, Stabil Elite oder die Elektroszene um den Salon des Amateurs. Da ich selbst mehr im Deutschpop verortet bin, würde ich die Düsseldorfer Grenze vermutlich überschreiten und sehr gerne einmal mit Sophie Hunger oder Lina Maly auf einer Bühne stehen. Wunderbare Konzerte durfte ich bereits mit befreundeten und tollen Düsseldorfer Künstler*innen, wie der Band One Eye Open oder Luise Weidehaas spielen.
Was hast Du für Dich persönlich bisher aus der Krise gelernt? Das ist eine sehr gute Frage. Ich denke, dass ich gelernt habe, dass ich einige Dinge und Menschen für eine unbestimmte Zeit hinten anstellen muss, um das, was ich mir vorgenommen habe, auch zu erreichen. Ich glaube, dass die Single und der Van nicht die wären, die sie sind, wenn ich meinen Alltag so weiter geführt hätte wie bisher. Durch die wenigen Ablenkungen in den vergangenen Monaten hatte ich die Möglichkeit, mich auf meine Vorhaben zu konzentrieren und mich auch musikalisch weiterzuentwickeln und neu zu entdecken. Ich habe mir viele neue Instrumente zugelegt und mich vor allem in einem mehr elektronischen Milieu umgesehen. Das macht großen Spaß und lässt mich in diesem Jahr mein neues Album fertigstellen, das anders sein wird als meine vorherigen Arbeiten. Ich hoffe bis dahin viele weitere wunderbare Orte besuchen zu können, deren Klänge ein Teil dieser Platte werden sollen.
Danke Dir!
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Text: Maren Schüller
Fotos: Sophie Biebl