Wolfgang Schäfer zum Weltkunstzimmer-Jubiläum

Wolfgang Schäfer - Foto: Sabrina Weniger

Mit dem THE BIG NOW-Festival feiert das WELTKUNSTZIMMER vom 18. August bis zum 9. September sein 10-jähriges Bestehen. Was heißt es mit dem Jetzt und dem Augenblick umzugehen? THE BIG NOW Festival besteht aus einem Programm aus Konzerten, DJ-Sets, Performances und Screenings. Mit dabei sind unter anderem der Butoh-Tänzer Yukio Suzuki, das Acoustic Summer Festival, das Chance Festival, Hauschka, Sølyst & The Visitor und die Ausstellung „Die Wirklichkeit ist sowieso da“ in den Ausstellungshallen der ehemaligen Backfabrik. Wir sprachen mit Wolfgang Schäfer, Künstlerische Leitung und geschäftsführender Vorstand des WELTKUNSTZIMMERS über Vergangenheit, Zukunft und THE BIG NOW.

Das Weltkunstzimmer ist seit vielen Jahren ein Anlaufpunkt für Kreative in der Stadt, die Stiftung trägt den Namen HPZ, nach Hans Peter Zimmer. Wer war Hans Peter Zimmer? Das WELTKUNSTZIMER blickt auf eine langjährige Geschichte von Kreativen, Fotograf*innen, Architekt*innen, Künstler*innen sowie Musiker*innen zurück. Seit Anfang der 80er Jahre wurde das Gelände von Peter Zimmer umgestaltet, von der ehemaligen Großbäckerei der Konsumgenossenschaft zu einem Zuhause für Kreative vieler verschiedener Couleur und diversen Handwerksbetrieben.

Aus der Konsumgenossenschaft wurde das Con-sum, wo Peter Zimmer seine Utopie des „freien Rheinlands“ realisierte. Sehr früh begann er auch, Veranstaltungsräume zu gestalten und diese temporär für Balkan-, Techno- und House-Partys sowie Konzertveranstaltungen zu vermieten. Bereits in den 90ern wurden Ausstellungsräume für die Organisation eigener und Gastausstellungen zur Verfügung gestellt.

Wie habt ihr euch kennengelernt? 1987 wurden wir als lose Künstlergruppe mit Achim Duchow, Joe Brockerhoff, Bernd Engberding Mieter einer großen Etage. Hier entstand auch sehr früh die Projektgalerie „Raum 77a“, organisiert von Joe Brockerhoff und Eva Bracke. Gemeinsam mit Duchow, Brockerhoff und Norbert Faehling konnten wir 1993 bereits Ausstellungen mit internationaler Beteiligung und auch kulturpolitisch engagierten Positionen zum Thema des Fremden in der westlichen Gesellschaft organisieren. Damals wurde die Freundschaft und die Beziehung zu u. a. japanischen Künstler*innen – und für mich persönlich zum japanischen Butoh Tanz – gepflegt und gezeigt.

Peter Zimmer wurde für uns sowohl Vermieter wie auch Freund und Förderer und auch Feiergenosse. Inzwischen konnte ich Peter im Bereich Eventmanagement unterstützen und er unterstützte mich dadurch natürlich ebenso in schwierigen Zeiten des freischaffenden Künstlerdaseins. In den 2000er Jahren bekam ich als Künstler und Organisator die Möglichkeit, den Back-Raum mit künstlerischem Leben zu organisieren.

Als Peter Zimmer schwer erkrankte, übergab er mir 2009 die Aufgabe zur Gründung der Kunst- und Kulturstiftung unter seinem Namen – die Hans Peter Zimmer Stiftung. Gemeinsam mit dem Kuratorium, bestehend aus dem künstlerischen Berater Carl-Friedrich Schröer und dem Wirtschaftsberater Burghard Clingen, entschlossen wir uns zur Gründung des Weltkunstzimmers als dem Organ zur Förderung von Produktion, Präsentation und Publikation der Künste. Im Oktober 2012 eröffneten wir das interdisziplinäre Kunstzentrum.

Wie hat sich die Kunst- und Kulturszene in Düsseldorf in den letzten zehn Jahren verändert? Der große Umbruch in der Szene allgemein begann Anfang der 2000er Jahre durch die digitalen Möglichkeiten zur Präsentation und Selbstvermarktung im Internet. Dank der Zusammenarbeit mit Janine Blöß, konnten wir über die Jahre ein kuratorisches Programm verfolgen, das einen Gegenpol darstellte gegen die gewohnte White Cube Ästhetik und die Idee verfolgte, dass Kunst eine politische Verantwortung oder einen Einfluß innerhalb der Gesellschaft haben kann.

Wir eröffneten 2012 mit einer Zusammenarbeit mit der niederländischen Kuratorin Anne Berk („Jenseits – Beyond the Body“) und arbeiteten in den Anfangsjahren sowohl mit Emmanuel Mir („Petites Résistances“) und Falk Wolf („Der Blinde Fleck“) zusammen. Unter Janine Blöß fanden die großen Gruppen-Ausstellungen „Daily Sounds All Around“, „Inside Ecologies“ und „Goobye Cruel World, It’s Over“, statt. Der Klimawandel und die Abhängigkeiten und Beziehungen der verschiedenen Spezies auf dem Planet sind Themen, die in den letzten Jahren sicherlich an Aktualität gewonnen haben. Die Themen in einer Multimedialität darzustellen, hat mit der Erweiterung unserer persönlichen Wahrnehmung zu tun, die sowohl akustisch als auch visuell ist und oft die Gebiete des Alltäglichen einschließt – und die letztendlich die Kunst als übergeordnet in Allem wahrnehmbar macht. Es geht immer mehr um Sensibilität gegenüber und Wahrnehmung von verschiedenen Lebenswelten.

Die über die Jahre gewachsene Gemeinschaft der Künstler*innen (dazu gehören u. a. Andreas Schmitten, Michael Burges, David Fried, Oliver Sieber, Katja Stuke), die hier im Hof der Ronsdorfer Straße arbeiten, wurde durch die Aktivitäten des WELTKUNSTZIMMERs, welches sich weiter als auch überregional anerkannte Institution etabliert, unterstützt. Besonders wichtig zu erwähnen ist auch, dass die Finanzierung der Förderaktivitäten grundsätzlich durch die Vermietung von Gewerbeflächen und Studios ermöglicht wird. Da die Stiftung durch die Selbstverwaltung des Geländes lebt, konnte auch in den vergangenen zehn Jahre die Veränderungen auf dem Welt- und Aktienmarkt unsere Existenz nicht gefährden. Das ist eine Stabilität für unser Wirken.

Die Projekträume in Düsseldorf sind mehr geworden. Wir sind entstanden aus verschiedensten Künstler*innen-Initiativen, die entweder als Künstler*innen oder als lose Gruppe agierten. Das Prinzip der Selbstorganisation lässt Kollektive entstehen, die es Menschen ermöglichen, ihre diversen Interessen, Einstellung und Haltungen intensiv zu leben. Und damit auch wiederum ihre Zielgruppen zu finden und anzusprechen. Dies ist eine Dynamik, die in den vergangenen Jahren immer mehr an Bedeutung gewonnen hat. Das ist was man feststellen kann. Das Prinzip der Grassroots hat innerhalb der persönlichen Selbstverwirklichung Schule gemacht.

Ein Blick in die Zukunft: Was wird sich in den kommenden Jahren essenziell verändern? Die Tendenz des Kollektiven wird sich fortsetzen. Die Absolvent*innen verschiedenster Kunsthochschulen werden sich weiter in Interessengruppen formieren und sich dadurch ihren Raum innerhalb des Marktes und des Kulturangebots der Stadt schaffen. Die großen Häuser und Festivalorganisationen haben diesen Trend schon beobachtet und beziehen die Vielfalt der Off-Szene mehr in ihr Programm ein. Wir wollen ja zu den Menschen hin und sie da abholen, wo sie sich gesammelt haben. Man tut gut daran, die Menschen innerhalb ihrer jeweiligen sozialen Blase zu finden und dort abzuholen, um letztendlich die Bereicherung zu erfahren, die durch Kunst und Kultur ermöglicht wird.

Was erwartet die Besucher*innen bei der Ausstellung „Die Wirklichkeit ist sowieso da“? In der Zusammenarbeit mit Thomas W. Rieger haben wir Künstler*innen eingeladen, die jeweils eine besondere, teils langjährige Beziehung zu Düsseldorf haben, hier studiert, in den verschiedensten Institutionen vor Ort ausgestellt haben, noch immer hier arbeiten oder das Dorf an der Düssel gen Brüssel, Amsterdam, Frankreich, Berlin oder sonst wohin im Rheinland verlassen haben. So freuen wir uns umso mehr, zum 10-jährigen Bestehen des WELTKUNSTZIMMERs wieder alte Freund*innen und gute Bekannte, Künstler*innen, deren Arbeiten wir über die Jahre verfolgt haben und überaus schätzen, in Düsseldorf begrüßen zu dürfen.

Der offensichtlich lapidare Titel „Die Wirklichkeit ist sowieso da“ provoziert und fordert im gleichen Moment zum Weiterdenken auf. Unsere persönliche Wahrnehmung und Bewertung der Welt, die uns umgibt, ist grundsätzlich von unseren subjektiven Interessen geprägt. Hier ist die Aufforderung, den Stand- und Gesichtspunkt zu wechseln, zu versuchen, sich von seinen persönlichen Einschränkungen zu distanzieren, um an den Punkt zu kommen – wie man so schön sagt – die Dinge zu sehen, wie sie sind. Um nicht zu pragmatisch zu werden, noch ein persönlicher Zusatz: Das Wunder hinter den Dingen zu sehen und dankbar anzunehmen.

The Big Now ist das Festival zum 10jährigen Bestehen des WELTKUNSTZIMMERs. Was heißt es, mit dem Jetzt und dem Augenblick umzugehen Verschiedene Weisheitslehren betonen die Bedeutung „Im Hier und Jetzt sein“. Dies ist die große Fähigkeit, in der Dynamik aufzugehen, wo einem quasi alles zufällt. Wir vom WELTKUNSZIMMER verdanken sowohl den Mieter*innen wie auch den Kooperationpartner*innen, die hier über die Jahre ihre Festivals, Ausstellungen und Konzerte veranstaltet haben, sehr viel. Der Betrieb des WELTKUNSTZIMMERs ist nur im Team möglich. Gemeinsam mit den Kolleg*innen aus der Stiftungsverwaltung und dem Kulturmanagement genauso wie auch den Interessent*innen des vielfältigen künstlerischen Angebots. So sind alle, die mit uns in Beziehung treten, untereinander wichtig.

Deshalb setzt sich dieses künstlerische Angebot des Festivals, sowohl aus eigenen Konzerten mit Sølyst / The Visitor (25. August), der Ausstellung „Die Wirklichkeit ist sowieso da“ (18. August bis 18. September), dem Butoh-Workshop wie auch der Aufführung von Yukio Suzuki (2.-3. September und 4. September), und dem „Tutorial der Wirklichkeit“ von NUANS (28. August) wie auch den Festivals unserer wertgeschätzten Koop-Partnern Acoustic Summer (20. August) und CHANCE Festival (2. & 3. September) zusammen. Im Rahmen der Veranstaltungen lädt der ausgestaltete Hinterhof mit Barbetrieb zum längeren Verweilen ein. Als Abschluss des THE BIG NOW Festivals am 9. September freuen wir uns auf eine Party mit DJ-Sets von Tom Förderer, Monita Wagma und seren.a.

THE BIG NOW Festivalprogramm
17. August 2022
18.00 Uhr Eröffnung Festival + Ausstellung „Die Wirklichkeit ist sowieso schon da“

20. August 2022
14.00 Uhr Acoustic Summer Festival

25. August 2022
19.00 Uhr Konzert Sølyst / The Visitor

28. August 2022
15.00 Uhr Führung durch die Ausstellung „Die Wirklichkeit ist sowieso da“
18.00 Uhr NUANS: “Tutorial der Wirklichkeit“

2. September 2022
19.00 Uhr CHANCE Festival
Butoh Workshop mit Yukio Suzuki (Anmeldung erforderlich)

3. September 2022
13.00 Uhr CHANCE Festival
Butoh Workshop mit Yukio Suzuki (Anmeldung erforderlich)

4. September 2022
15.00 Uhr Führung durch die Ausstellung „Die Wirklichkeit ist sowieso da“
19.00 Uhr Butoh-Performance von Yukio Suzuki

7. September 2022
19.30 Uhr Konzert HAUSCHKA

9. September 2022
19.00 Uhr Abschlussparty mit DJ-Sets von Tom Förderer (studio s:o:m), Monita Wagma, seren.a

Alle Infos zum THE BIG NOW-Festival gibt es hier… bei uns oder auf www.weltkunstzimmer.de

Text: Melanie Schrader
Fotos: siehe Bildbeschreibung 
© THE DORF 2022

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