Michael Brill ist seit 2018 Geschäftsführer der städtischen Event-Tochter D.LIVE. Na, klingelt es? Die D.LIVE verantwortet die vier Düsseldorfer Publikumshallen Merkur Spiel-Arena, den PSD Bank Dome, die Mitsubishi Electric Halle, das Castello Düsseldorf und das alltours Open Air Kino am Rhein. Im Lockdown stampft D.LIVE in Windeseile Konzepte wie das Autokino an der Messe oder „Autokonzerte“ aus dem Boden. Michael Brill dürfte in vier Jahren Düsseldorf also krisenerprobt sein. Wir treffen ihn im alltours Kino, das gerade aufgebaut wird und sprechen mit ihm darüber, wie Corona die Branche verändert hat, über bewegende Konzertmomente und was Euch bei den MTV EMA in Düsseldorf im November 2022 erwartet.
Das Herz von Michael Brill schlägt von Klein auf für das Veranstaltungsmanagement. Für seinen Bruder, der als Musiker tätig war, übernimmt er die Aufgabe des Betreuers – und kommt so schon früh mit großen Konzerthallen in Berührung. Die Abläufe mit ihrer großen Komplexität faszinieren ihn schon immer. Anfang der 90er Jahre bekommt Michael die Möglichkeit, im Madison Square Garden in New York zu arbeiten – und zögert nicht lange. In Deutschland ist in der Branche noch wenig zu holen.
In den 80ern bis Anfang der 90er gibt es noch keine großen Multi-Purpose-Facilities oder eine nennenswerte Branche zum Management von Veranstaltungsstätten. Es gibt Sporthallen, wie damals noch die Düsseldorfer Philipshalle (heutige Mitsubishi Electric Halle), die auch für Konzerte genutzt wurden. Und so muss er nicht lange überlegen und macht den Schritt in die USA, die schon viel weiter sind in diesem Bereich als Deutschland.
Durch Kontakte kommt er Mitte der 90er zurück nach Oberhausen und nimmt mit der frisch gewonnenen Expertise die brandneue König-Pilsener-Arena in Betrieb. Als Projektentwickler ist er weltweit an der Entwicklung von Veranstaltungsstätten beteiligt. Im Zuge dessen wird er auch auf Düsseldorf aufmerksam. 2016 beginnt hier die Diskussion, wie sich die Stadt künftig mit ihren Veranstaltungsstätten aufstellen will, um das Potenzial voll zu nutzen. 2018 fällt die Entscheidung, die Geschäftsführung von D.LIVE zu übernehmen. Heute ist das also schon knapp vier Jahre her – davon fallen zweieinhalb Jahren in die Pandemiezeit. Besonders in der Veranstaltungsbranche eine enorme Herausforderung. Wir sprechen mit Michael Brill über seine Arbeit und das, was die Zukunft bringt.
Welches Konzert oder welche sportliche Großveranstaltung hat in Deiner Jugend den größten bleibenden Eindruck bei Dir hinterlassen? Es ist schwer, ein einzelnes Ereignis zu finden. Ich habe in den letzten 30 Jahren Konzerte und Großveranstaltungen mitbegleitet. Ich glaube die wirkliche Magie ist immer eine Kombination aus dem Moment, dem Künstler, der Venue und den Menschen, mit denen man das Erlebnis teilt. Mir fallen eine Reihe besonderer Momente und Veranstaltungen ein, aber es gab nicht das Event. Es kam immer auf den Kontext an. Deswegen gibt es ganz unterschiedliche, spannende Veranstaltungen an die ich mich gerne erinnere.
Du verantwortest mit D.LIVE seit 2018 sehr unterschiedliche Eventlocations wie die Merkur Spiel-Arena, den PSD Bank Dome, die Mitsubishi Electric Halle, das Castello Düsseldorf und das alltours Open Air Kino. Die Mitsubishi Halle feierte dabei letztes Jahr ihr fünfzigjähriges Jubiläum. Kannst du uns sagen, welche Location Du am reizvollsten findest, wenn das überhaupt geht? Welche Veranstaltung ist Dir besonders im Kopf geblieben und warum? Jede Location hat ihren besonderen Charme und jede Location funktioniert mit den Künstler*innen der entsprechenden Kategorie. Wenn ich an die Merkur Spiel-Arena denke, handelt es sich um eine Größendimension mit Veranstaltungen wie kürzlich das Rammstein-Konzert oder Lady Gaga. Das sind die angesagtesten Künstler*innen unserer Zeit – und es ist ein ganz anderes Erlebnis als Shows mit jungen Bands in der Mitsubishi Electric Halle, die 1.500 Zuschauer*innen haben und dann später mal auf einer unserer großen Bühnen stehen. Vor vielen Jahrzehnten haben wir beispielsweise in der Mitsubishi Electric Halle eine ausverkaufte Band mit dem Namen die Toten Hosen auf die Bühne gebracht, die kurzfristig vom Tor 3 umziehen musste und heute als Stadion-Act auftritt. Ich kann in einer kleineren Venue über längere Zeit Bands erleben, die morgen eine ganz andere Relevanz haben. In den größeren Stätten sehe ich, was gerade auf dem Zenit des Erfolgs und der Popularität die aktuelle Popkultur vertritt. Jedes Mal ist es ein ganz anderes Erlebnis. Die Doppelshow der Toten Hosen ist eines der bewegendsten Ereignisse für mich nach Corona. Genauso freue ich mich, wenn wir in der Mitsubishi Electric Halle altgediegene Stars wie Billy Idol und Anastacia wieder begrüßen.
Was war Dein erstes Konzert in der Mitsubishi Electric Halle, das du jemals gesehen hast? Das war Marillion. Damals noch in der Philipshalle. Eine Rockband, die ich heute noch sehr gerne mag. Das war Mitte der 80er das erste Konzert. Zu der Zeit haben sie ein paar Mal in Düsseldorf gespielt.
Welche Eventlocation auf der Welt gefällt Dir besonders und warum? Bei Veranstaltungsstätten ist es es für mich immer eine Mischung aus der Architektur des Gebäudes, der Art der Umsetzung der Veranstaltung und dem, was inhaltlich passiert. Mich kann ein modernes Konzert in der Elbphilharmonie ergreifen und begeistern. Ich finde die Oper in Oslo großartig. Da kann ich mir auch sehr gut klassische Musik vorstellen. Am meisten freue ich mich auf die Eröffnung von der Sphere in Las Vegas, die von der Madison Square Garden Gruppe stammt. Es hängt also davon ab, was ich erleben möchte, wo ich mich gerade befinde und auch wie ich mich fühle. Es kann auch das Reeperbahn-Festival sein, zu dem ich jedes Jahr gehe. Da kann es passieren, dass ich im Molotov-Club etwas erlebe, das mich drei Monate lang beschäftigt, weil es mich bewegt hat.
Ihr habt während der Pandemie, die die Veranstaltungsbranche bekanntermaßen hart getroffen habt, sehr schnell viele kreative Konzepte entwickelt, darunter ein Autokino an der Messe oder ein „Auto-Festival“. Auf welche kreativen neuen Konzepte dürfen wir uns in Zukunft von Euch freuen? Das ist eine sehr schwierige Frage. Das wäre, als hätte man Van Gogh gefragt, was er als nächstes malen würde. Wir arbeiten im Sport-, Kunst- und Kulturbereich, der sich ständig weiterentwickelt. Trends sind selten vorhersehbar. Natürlich gibt es große Themen, die wiederkehren. Aber wenn es um Kreativität geht, müssen wir in erster Linie sehr flexibel sein und eine schnelle Reaktionsfähigkeit haben. Im Sportbereich arbeiten wir derzeit an den Invictus Games gemeinsam mit Prinz Harry, wo Menschen mit Verletzungen antreten, die durch den Arbeits- und Kampfeinsatz verursacht wurden. In der Vorbereitung dieser Veranstaltung erleben wir, wie facettenreich das Thema ist, und das nicht nur mit einer Veranstaltung bedient werden kann. Sowohl auf der Veranstaltungsseite, wie auch auf Ebene des gesellschaftlichen und kulturellen Engagements. Aus jedem Thema, mit dem wir uns beschäftigen entwickelt sich die Frage, wie wir mehr daraus machen und etwas nachhaltigeres entwickeln können.
Auf welches kommende Konzert oder welche Veranstaltung freust Du Dich am meisten? Tatsächlich freue ich mich immer auf die nächste Veranstaltung, die ansteht. Dann setze ich mich noch mal mit den Künstler*innen auseinander und höre mir deren Musik an und lasse das auf mich wirken. Ich sehe mir viele Veranstaltungen an, die mich vielleicht nicht interessieren würden, aber wenn ich im beruflichen Kontext dabei sein darf, beschäftige ich mich auch damit. Beispielsweise habe ich die letzte Tournee von Lady Gaga in Hamburg besucht, weil mich interessiert, wie die künstlerische Umsetzung auf unterschiedlichen Bühnen aussieht. Sie spielt von fünf Shows in Europa nur eine in Deutschland. Da werden durchgehend Gänsehaut und starke Emotionen im Spiel sein.
Welches Konzert oder welche Künstler*in würdest Du gerne einmal in eine Eure Venues nach Düsseldorf holen? Was wäre dein Wunschtraum? Die Erfüllung des größten Traumes sind für mich gerade die MTV EMAs. Das ist die Krone des Live-Entertainment. Es kommen an einem Tag das Who-is-Who und die relevantesten Künstler*innen der Gegenwart zusammen. Ich freue mich aber auch schon auf Bruce Springsteen im nächsten Jahr. Für nächstes Jahr haben wir noch viele Acts und ich freue mich über jeden gleichermaßen. Außerdem finde ich es enorm spannend, den Werdegang der Künstler*innen mitzuerleben. Dabei ist Coldplay ein gutes Beispiel. Die erste Show, die ich mit Coldplay gemacht habe, war 2005. Mein Traum ist es, dass alles, was relevant ist und von jedem gesehen werden will nach Möglichkeit in Düsseldorf stattfindet.
Im November 2022 finden erstmalig die MTV EMAs in Düsseldorf statt. Verrate unseren Leser*innen doch, warum das so besonders ist, worauf sie sich freuen dürfen und wie die Chance auf Tickets besteht! Das Live-Entertainment unterliegt raschen Zyklen. Gerade nach der Pandemie können wir noch nicht vorhersehen, wer die relevantesten Künstler*innen sein werden. Das besondere an dem EMAs ist, dass wir eine Festival-Woche vor dem Event veranstalten, in der in Düsseldorf ein tolles Kultur- und Musikprogramm angeboten wird. Das soll auch die Möglichkeit geben, viel lokale Kunst und Kultur einzubauen. Wir werden eine Woche Glamour, Rock, Pop und R’n’B in Düsseldorf haben. Noch sind wir damit nicht im Verkauf. Wichtig ist, dass es nicht nur um den Abend der EMAs geht. Gerade in der MTV Music Week wollen wir viel präsentieren, woran jede*r teilnehmen kann. Wir wollen zeigen, dass Düsseldorf der Place To Be ist.
Neben Euren eigenen Veranstaltungsorten: Wo fühlst Du Dich in Düsseldorf ganz besonders wohl? Das Open-Air Kino ist für mich eine der ersten Adressen und ich versuche hier im Sommer so viel Zeit zu verbringen, wie es geht. Natürlich bin ich auch gerne in den Restaurants und Bars der Stadt. In Düsseldorf ist es in jeder Ecke und an jeder Stelle interessant, wie auch zuletzt im Hof des Rathauses zum Frankreichfest.
Dein persönlicher Gastro-Geheimtipp? Ich finde Chez Claude in Heerdt klasse. Ich habe darüber gelesen und erst gar nicht gesehen, dass man in die Hofeinfahrt abbiegen muss. Auch der Biergarten Three Little Birds ist toll.
Was bringt die Zukunft? Es war noch nie so schwierig, Zukunft zu gestalten wie heute. Wir kommen aus einer Phase, die in unserer Branche einen ganz großen Teil zerstört hat, weil viele Schaffende, Künstler und Dienstleister, sich entschieden haben, die Branche zu wechseln. Dadurch haben wir einen großen Zerfall an Expertise, Mitarbeitern und Arbeitskräften. Durch die Veränderungen der globalen Lieferketten haben wir Schwierigkeiten, wichtige Bestandteile zur Durchführung von Kulturveranstaltungen zu bekommen. Man glaubt es nicht, aber man bekommt keine Dixi Klos! Und das ist ein großes Problem, wenn man ein Festival veranstalten will.
Wir haben zum einen neue Rahmenbedingungen für unsere Industrie und hatten die letzten zwei Jahre keine Möglichkeit, zu beobachten, wie sich die Kunst- & Kulturszene, aber auch die Sportszene entwickelt. Der organische Prozess, sich für Künstler*innen zu interessieren und sie zu begleiten ist komplett weggefallen. Veranstaltungen, die vor zwei oder drei Jahren angesagt waren, haben keine Relevanz mehr und umgekehrt. Wir stehen vor ganz neuen Herausforderungen und müssen uns über die Entwicklung der Gesellschaft Gedanken machen. Es sind aber auch genau die Zeiten, in denen die Musik, das Zusammenkommen und das Gemeinsame in jeder Dimension von ganz besonderer Bedeutung sein wird. Deshalb ist es unsere Verantwortung daran mitzuwirken, den Düsseldorfer*innen eine besondere Auszeit zu geben und mit Fleiß und Geschick die spannendsten Veranstaltungen an den Rhein zu bringen.
Vielen Dank.
(c) THE DORF, 2022
Text & Interview: Tina Husemann
Fotos: Lasse Rotthoff