RECORD STORES Hitsville vrs. Beat Retreat

Am 13. April 2019 findet auch in diesem Jahr der „Record Store Day“ statt. Beim „internationalen Tag unabhängiger Plattenläden“ nehmen weltweit etwa 2.000 „Record Stores“ teil und verkaufen einen Samstag lang Sonderpressungen und limitierte (Wieder-)Auflagen von Schallplatten. Von vielen kritisiert (da von der Industrie mittlerweile sehr kommerzialisiert), hat der Tag seit seiner Einführung 2008 sicherlich seinen Teil zur Erfolgsstory und Rückkehr von Vinyl beigetragen.

Zeit, einen kleinen Blick auf die Düsseldorfer Plattenläden zu werfen. Wir trafen ein Urgestein und einen Newcomer zum Gespräch: Hitsville auf der Wallstraße ist eine wahre Institution in Düsseldorf; Beat Retreat hat sich als letzter Neuzugang in Flingern auf der Ackerstraße niedergelassen. Eines haben beide gemeinsam: Sie überzeugen mit Persönlichkeit.

*** UPDATE: Oops, sehr schade! Den Beat Retreat Record Store
gibt es nicht mehr bzw. leider nur noch als Online Shop.***

Einer der Gründe, warum man sich für Hitsville oder Beat Retreat entscheidet, ist die Genrewahl. Während die Playlist bei Ralf Brendgens Hitsville von Pop, Hip Hop über Punk bis Elektro wild gemixt ist, sieht das bei Beat Retreat von Marc Taake etwas anders aus. Marc bietet die Genres an, für die er früher selbst immer nach Köln oder Aachen fahren musste, weil die Auswahl in Düsseldorf einfach nicht vorhanden war. Dazu zählt alles rund um das Thema Soul, Hip Hop, Brazil/Latin/Afro und Dub. In den Bereichen Reggae, Elektro und Jazz gibt es bei beiden sicherlich die ein oder andere Überschneidung, Marc hält diese Genres bewusst eher klein.

CDs und Second-Hand-Platten kommen Marc nicht ins Geschäft. Das liegt daran, dass besonders alte Platten in Zeiten des Internets mit Reseller-Plattformen wie Discogs und Co. oft zu unfairen Preisen verkauft werden – und es sich somit nicht lohnt, sie weiterzuverkaufen. Dafür gibt es ein paar coole Tapes im Sortiment. Bei Ralf, der Hitsville in diesem Monat 25 Jahre führt, gibt es sowohl CDs als auch gebrauchte Vinyls, was sich bei der größeren Verkaufsfläche auf der Wallstraße anbietet.

Die Wallstraße in der Düsseldorfer Altstadt war jedoch nicht immer das Zuhause des Plattenladens. Hitsville hat bereits eine lange Reise durch Düsseldorf hinter sich. Angefangen hat alles mit einem Store in der Andreasstraße im Jahr 1986, der vom Ratinger Hof Urgestein Jürgen Krause gegründet wurde. Anfang der 90er musste dieser jedoch geräumt werden, weil es eigentlich gar kein normaler Store war, sondern eine Wohnung in der ersten Etage. „Das hat das Ordnungsamt nicht mitgemacht und den Standort geschlossen.“, erklärt Ralf.

Deshalb zieht der Laden auf die Bolkerstraße über McDonalds – die wahrscheinlich größte und vor allem teuerste Location des Hitsville Stores. Dieser zieht sich über drei Etagen und bietet den besten Platz für laute In-Store-Events. Mit Ralf geht die Reise seit 1994 dann erst bis 1996 ans alte Hafenbecken beim Rhein und dann zum heutigen Standort: die Wallstraße.

Ob das auch zukünftig die Heimat von Hitsville bleibt, ist jedoch ungewiss. Nicht nur für uns, sondern auch für Ralf: „Es bereitet mir Sorgen. Aktuell sind wir noch hier, aber es kann auch sein, dass man sich in absehbarer Zeit einen neuen Standort suchen muss.“ Versprochen hat er jedoch, dass es den Hitsville Record Store so oder so weiterhin geben wird. Eine echte Erleichterung.

Auf der anderen Seite steht mit Beat Retreat Düsseldorfs jüngster Plattenladen. Auf der Ackerstraße teilt sich der moderne Store seinen Eingangsbereich mit einem Kiosk. Also eine prima Kombi: Erst ein paar Platten kaufen und dann einen kühlen Drink mitnehmen oder andersrum. Der Name Beat Retreat zieht aber nicht nur auf den lässigen Rückzugsort für Musikfans ab, sondern auch auf die Entstehung des Geschäfts. Marc arbeitet zwar schon während der Schule und des Studiums in Plattenläden, entscheidet sich dann aber für einen anderen Berufszweig.

Der Traum vom eigenen Store begleitet ihn aber auch in dieser Zeit. Musik und vor allem Platten sind schon immer sein Lebensinhalt: „Meine erste Platte habe ich mit acht Jahren gekauft und seitdem hat das auch nicht mehr aufgehört.“ Im November 2017 ist es dann soweit und der Traum wird wahr. Dementsprechend verabschiedet er sich aus seinem alten Job („Retreat“ ist engl. für „Rückzug“) und bringt den Beat wieder zum Pumpen.

Im Untergeschoss gibt es immer wieder unterschiedlichste In-Store-Events wie Release-Partys oder die Open Vinyl Night, einigen auch bekannt als Stammtisch. Dabei tauschen sich Musiknerds aus und schmeißen sich gegenseitig ihr Fachwissen um die Ohren. Diese Veranstaltungen sollen aber nicht zum Hauptgeschehen werden. „Letztendlich ist es kein Club-Betrieb, sondern ein Plattenladen plus X.“, so Marc.

Egal, ob der Record Store schon mehr als ein Vierteljahrhundert existiert oder nur ein paar Jahre, das Business ist hart. Sowohl das Internet als auch große Multistores haben eine gewaltige Auswahl und stellen die kleinen unabhängigen Stores in den Schatten. Daher müssen diese auf ihren Charme, Persönlichkeit und den lokalen Support setzen.

Könnt Ihr eure Laden in ein bis zwei Sätzen vorstellen?

M: Ich versuche Sachen anzubieten, die es sonst nirgendwo gibt und eher auf Qualität, statt auf Quantität zu gehen. Es gibt nur Vinyl und ein paar wenige Tapes. CDs und Co. kommen mir nicht ins Haus. Außerdem stehe ich in direktem Kontakt mit den kleinen Labels, was sich im Preis und Verhältnis widerspiegelt. Die Kunden bekommen also einen besseren Preis, ich kann schon vor Erscheinung mal reinhören und weiß, was kommt.

R: Ich bin Ralf und habe den Hitsville Records Store in diesem Monat 25 Jahre. Der Laden ist ein unabhängiger Ort in einem hochbezahlten Viertel. Hier können Leute ihre Veranstaltungen aufhängen und unbequeme Musik kaufen.

Wie würdet Ihr das Feeling im Laden beschreiben?

M: Entspannt, würde ich sagen, ist das richtige Wort. Das Motto ist ja auch: „Enter with a happy heart“ und so soll es auch sein. Man soll sich freuen, hier herzukommen, ein paar Leute kennenzulernen oder auch altbekannte wiederzutreffen, ein bisschen zu quatschen, Kaffee zu trinken und dabei über Musik rumzunerden und sich nebenbei ein bis 50 Platten mitzunehmen.

R: Nicht altertümlich, aber ein bisschen old-schoolig würde ich sagen.

Was war die legendärste Veranstaltung hier im Laden?

M: Ich finde eigentlich alle Veranstaltungen cool, bei denen Leute hier herkommen und sich wohlfühlen, eine Gemeinschaft bilden. In der Zeit Ende 80er, Anfang der 90er, wo ich musikalisch sozialisiert wurde, hat man sich im Plattenladen getroffen, da gemeinsam stundenlang abgehangen, sich ausgetauscht und erklärt. Diese Grundlage ist über die Jahre durch das ganze Online-Shopping verloren gegangen. Ich möchte das nicht generell verteufeln, aber ich glaube, dass es vielen Leuten fehlt, sich mit Gleichgesinnten auszutauschen. So einen „Kommunikations-Hub“ möchte ich hier anbieten. Ich finde auch gerade diese Open Vinyl Night sehr schön, wenn dann Leute fast schon zufällig in den Laden reinschneien und es bis zum nächsten Mal nicht mehr abwarten können.

R: Rückblickend gab es einige. Das ein oder andere entdecke ich immer, wenn ich zuhause alte Fotos oder Poster sehe. Christian Koch (Chris Cook) von VIBRAVOID hat mit der Vorgänger-Band VOID FORUM noch im alten Laden gespielt. Der Store hatte drei Ebenen, alle waren beleuchtet und er saß in der obersten mit seiner dicken Electric Sitar 1995. Zu dieser Zeit wurde auch noch richtig kräftig geraucht und getrunken im Laden. Außerdem haben Greg Ginn von Black Flag, Sniffing Glue und Kreidler hier gespielt. Die feiern ja gerade ihr 25 Jähriges und haben ihre erste 12″ mit dem Namen „Sport“ bei Hitsville (samt eigener Bar) vorgestellt.
*Bei der Überlegung welche Band noch im Hitsville gespielt hat mischt sich ein Kunde in das Gespräch ein und gibt Vorschläge für den Bandnamen, nach dem Ralf gerade auf der Suche ist*
Ralfs Erkenntnis: Es ging gut ab und der Name war irgendwas Hochheiliges.

Wir hoffen, dass sich die Teller in beiden Stores noch viele Jahre drehen und massig Vinyls über die Tresen gehen. Wir finden: Abhängen und austauschen macht, auch als Musikamateur, viel mehr Spaß im Record Store als unpersönlichen Electrodiscountern.

Am diesjährigen Record Store Day am 13. April 2019 nehmen in Düsseldorf offiziell Hitsville, A&O Medien, Vinylwerk und Slowboy Records teil. Bei Beat Retreat wird „Record Store Day Is Every Day“ zelebriert und Dj Jenz, Goersch und Hydrogenii legen in der Zeit von 15-22 h für euch auf.

Hitsville Record Store
Wallstraße 21, 40213 Düsseldorf • Altstadt
Genres: Independent, Punk/HC Classics, Soul/Funk, Jazz, Rock’n’Roll, Electronica, Reggae, Oldies

Öffnungszeiten:
Mo-Fr: 11-19 Uhr
Sa: 11-18 Uhr
Website | Facebook

***UPDATE: Oops, sehr schade! Den Beat Retreat Record Store
gibt es nicht mehr bzw. leider nur noch als Online Shop.***

Beat Retreat Record Store
Ackerstraße 53, 40233 Düsseldorf • Flingern
Genres: Soul, Funk, Jazz, Hip Hop, Dub, Reggae, Brazil, Latin, Afro und Electronic.

Öffnungszeiten:
Di-Fr: 15-19 Uhr
Sa: 12-18 Uhr

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Weitere Record Stores in Düsseldorf!

A&O MEDIEN
Schadow Arkaden, 1. Etage, Schadowstraße 11, 40212 Düsseldorf · Stadtmitte
aundo-medien.de

RAINKING RECORDSTORE
Düsselthaler Straße 2, 40211 Düsseldorf · Stadtmitte
rainking-recordstore.com

SLOWBOY RECORDS
c/o 69m2 concept store, Lindenstraße 186, 40233 Düsseldorf · Flingern
slowboy.de

VINYLWERK
Ackerstraße 61, 40233 Düsseldorf · Flingern
facebook.com/vinylwerk

Text: Ole Spötter / Tina Husemann
Fotos: Sabrina Weniger (Hitsville) / Kristina Fendesack (Beat Retreat)
© THE DORF 2018/19

Translation: Angela Holtkamp
Production: David Holtkamp

© THE DORF 2018/19

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