„Europe in THE DORF“ • Curated Affairs im Gespräch – THE DORF x Curated Affairs

Wie viel Europa steckt in Düsseldorf? Und was ist typisch „europäisch“? Gibt es das überhaupt? Das und vieles mehr fragen sich THE DORF & Curated Affairs im Hinblick auf das Veranstaltungsformat „Europe in the City“, das vom 1. bis 9. Mai 2021 die europäische Vielfalt, Solidarität und Offenheit in Düsseldorf feiert. Die Interviewserie „Europe in THE DORF“ ist nur ein Beitrag des umfangreichen Rahmenprogramms, das in diesem Jahr fast ausschließlich digital stattfindet.

Den Auftakt der THE-DORF-Interviewreihe machen Kasia Lorenc und Angelika J. Trojnarski. Die beiden Polinnen haben sich vor ein paar Jahren unter dem Projektnamen Curated Affairs zusammengeschlossen und bereichern das Dorf seitdem mit ihrer künstlerischen Arbeit. Kasia ist darüber hinaus als kuratorische Assistenz in der Neuen Galerie Gladbeck tätig; Angelika ist bildende Künstlerin in Düsseldorf. Mit Curated Affairs kuratieren sie Pop-up-Ausstellungen und Events an verschiedenen Orten mit wechselnden Kooperationspartnern. Für ihre Projekte arbeiten die beiden sowohl mit jungen als auch etablierten zeitgenössischen Künstler*innen zusammen. Ihre Aktivitäten spiegeln ihre polnische Herkunft und aktuelle deutsche Heimat entweder im Ausstellungsinhalt oder in der Wahl der beteiligten Künstlerinnen und Künstler wider. Im Interview verraten uns Kasia und Angelika mehr über ihre Arbeit und ihre Beziehung zu Europa.

 

Womit beschäftigt Ihr Euch?
Aus Liebe zur Kunst kuratieren wir neben unseren Professionen freiberuflich und in wechselnden Kooperationen nicht-kommerzielle Pop-up-Ausstellungen und entsprechende Begleitevents. Unsere Aktivitäten spiegeln unsere polnische Herkunft und deutsche Heimat wider. Dies sowohl mit jungen wie etablierten zeitgenössischen Künstler*innen. Wir setzen uns vor allem für mehr Diversität und geschlechtliche Gleichberechtigung ein und wollen damit einen Dialog anstoßen, sei es politisch, sozial, philosophisch oder radikal künstlerisch. Wir sehen uns als Projektraum ohne einen physischen Raum. Das gibt uns die Freiheit nomadisch umherzuwandern und auch thematisch streben wir stets nach neuen Inhalten und Liaisons.

Was sind Eure aktuellen Projekte?
Im Juni zeigen wir anlässlich des 100. Geburtstages von Joseph Beuys und des 100-jährigen Jubiläums der Zulassung von Frauen an der Düsseldorfer Kunstakademie die Ausstellung BEUYS & GIRLS. Damit möchten wir einen Diskurs zur immer noch bestehenden weiblichen Benachteiligung im Kunst- und Kulturbetrieb führen sowie gleichzeitig ein starkes Bekenntnis zu Künstlerinnen und ihrer Kunst abgeben. Die Ausstellung ist eine Kollaboration mit Nails projectroom e.V., wird gefördert von der Kunst- und Kulturstiftung der Stadtsparkasse Düsseldorf sowie dem Kulturamt Düsseldorf und findet unter der Schirmherrschaft des Frauenkulturbüros NRW e. V. statt. Als Ausstellungsmacherinnen nehmen wir auch hier das Thema zum Anlass, um über einen möglichen gesellschaftlichen Wandel zu sprechen. Die Liste unserer Partnerorganisationen die sich gemeinsam für die Gleichstellung von Frauen stark machen, wächst jeden Tag, diese erkennt man bald am unserem Hashtag #WomenNow.

Wo findet Ihr Europa in Düsseldorf?
Vor allem in der internationalen Kunstakademie als schlagendes Herz des Nachwuchses und der jungen Szene, die bei 40% ausländischer Studierender gleichzeitig progressiver Schmelztiegel der Nationen und Kulturen ist.

Was ist für Euch typisch Düsseldorf? Was ist für Euch typisch „europäisch“?
Ganz konkret befindet sich unser EUROPA in der Stephanstraße 2 im Stadtteil Reisholz. Es ist ein Eiscafé direkt am großen städtischen Atelierhaus. Der Name ist hier Programm, und sobald die Gastronomie öffnen darf, treffen sich hier wieder viele Nationalitäten unter der Markise zum entschleunigten Plausch.

Wo findet Ihr gerade in der Düsseldorfer Kulturlandschaft Europa wieder?
Es sind die internationalen Künstler*innen, die in hiesigen Museen ausstellen und die Musiker*innen, die in der Tonhalle (einer unserer Lieblingsorte) auftreten. Was wir aber noch nicht gefunden haben, ist eine migrantische Kulturlandschaft Düsseldorfs. „Nur das, was in Museen ausgestellt, in Denkmälern verkörpert und in Schulbüchern vermittelt wird, hat auch die Chance, an nachwachsende Generationen weitergegeben zu werden“ schrieb Aleida Assmann. 140.000 Düsseldorfer*innen haben einen ausländischen Pass und prägen das Bild der Stadt, sind aber in den, wir nennen es jetzt offiziellen Strukturen noch nicht oder nur bedingt angekommen.

Fällt Dir eine europäische Stadt ein, die Düsseldorf sehr ähnlich oder unähnlich ist?
Angelika: Düsseldorfs geflügelte Bezeichnung ist Klein-Paris. Vielleicht möchte das das Institut Français kommentieren, s’il vous plaît?

Kasia: Hier ist zwar sicherlich eine Stadt außerhalb von Deutschland gemeint, aber für mich ist Düsseldorf-Flingern wie Berlin Prenzlauer Berg. Dieser Berliner Stadtteil war nach meinem Studium in Krakau meine erste (und jahrelang) deutsche Heimat. Ich fühlte mich dort besonders wohl. Gleichzeitig weiß ich, wie sich Flingern und da ist es wieder – ähnlich wie P-Berg über die Jahrzehnte verändert hat und gentrifiziert wurde. Mein Gefühl ist daher wohl eine Form einer kritischen Würdigung.

Wann bemerkt Ihr, dass Ihr in Europa seid?
Kasia: Europa sind für mich die Menschen. Ich hatte das Glück in meinem Leben viel innereuropäisch reisen zu dürfen: Albanien, Griechenland, Italien, Rumänien, Serbien, Spanien. Bildungsreisen sind und bleiben für mich die spannendste Form einer Begegnung. Umso mehr freue ich mich auf die Kulturreise nach Warschau im nächsten Jahr.

Was macht die Menschen in Düsseldorf zu Europäer*innen?
Es ist eine Weltoffenheit spürbar. Als Curated Affairs haben wir seit unserer Gründung sehr viel Zutrauen und Zuversicht von Menschen und Institutionen erfahren. Das motiviert unfassbar.

Was würdet Ihr sagen, denken andere europäische Städte über Düsseldorf?
Nett oder ehrlich? Für viele ist Düsseldorf immer noch nur die KÖ. Dabei ist die Stadt so viel mehr.

Ihr seid beide polnischer Herkunft und lebt seit einiger Zeit in Düsseldorf, wo ihr auch Curated Affairs realisiert. Gibt es für Euch etwas, was typisch polnisch ist, dass Ihr auch in Düsseldorf wiederfindet? Wir sind sehr stolz, dass wir in Düsseldorf das Polnische Institut haben. Und dass es die Städtepartnerschaft gibt. Am 17. Juni 1991 wurde der deutsch-polnische Nachbarschaftsvertrag unterzeichnet und das Institut 1993 gegründet. Amtlich heißt der Vertrag: Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Polen über gute Nachbarschaft und freundschaftliche Zusammenarbeit. Während es hilfreich ist, Strukturen von oben zu haben, für die u.a. die Abteilung für Internationale & Europäische Angelegenheiten zuständig ist, finden wir es sehr wichtig auch an die Bewegung von unten auf Bürger*innenebene zu denken und diese zu unterstützen, um Aufmerksamkeit und Anerkennung zu schenken.

Was macht Eure Arbeit mit den verschiedenen Künstler*innen aus?
Durch unser Engagement für die polnische Kunst und die Zusammenarbeit mit u.a. der Warschauer Kunstszene, aufgrund der Städtepartnerschaft, bleiben wir im zwischenstaatlichen Diskurs und auf dem Laufenden. Das Leben in/mit zwei Kulturen ist sehr spannend und erweitert den eigenen Blickwinkel. Genau diese gegenseitige Beeinflussung steht im Fokus von Curated Affairs – wir möchten keine Einzelausstellungen konzipieren, sondern mit dem dialogischen Ansatz einen Künstler*innen-Austausch ermöglichen.

Was sind Gemeinsamkeiten und/oder Unterschiede der Kunstszene in Düsseldorf bzw. Deutschland und der in Polen?
Kasia: Eine sehr interessante Frage, denn ähnlich haben wir die Ausstellungen 2019 betitelt: Mit der Unterschied in Ähnlichkeit und Ähnlichkeit im Unterschied wollten wir zeigen, dass es Unterschiede und Ähnlichkeiten gibt. Wichtig ist jedoch die Positionierung des Einzelnen. Es ist nicht anders als in einer Freundschaft: Die Ähnlichkeiten bringen uns zusammen, aber die Unterschiede erweitern unsere Perspektive.

Angelika: Auf der Ebene der künstlerischen Arbeiten haben wir keine großen Unterschiede festgestellt. Die polnischen Künstler*innen haben die gleichen künstlerischen Fragen, arbeiten mit den gleichen klassischen und neuen Materialien, sind ebenfalls physisch und digital rege unterwegs. Auch wenn die Anzahl der Museen und Galerien in Düsseldorf und Warschau etwa gleich ist, gibt es im Rheinland mehr Menschen, die privat Kunst sammeln und zeigen.

2019 habt Ihr mit drei Ausstellungen in Düsseldorf und Warschau das 30-jährige Jubiläum der Städtepartnerschaft gefeiert. Sind hierzu weitere Projekte geplant?
Diese Ausstellungen brachten beide Städte einander so nahe, dass wir dieses Jahr bereits eine Fortsetzung unserer deutsch-polnischen Zusammenarbeit vereinbaren konnten. Aufgrund einer gemeinsamen Initiative (mit dem Kulturamt und dem Polnischen Institut), kommen im Rahmen eines zweiwöchigen Beuys-Forschungsstipendiums zwei Warschauer Künstler*innen nach Düsseldorf. Wir freuen uns, dass das Stipendium beides vereinen kann – die internationale Zusammenarbeit und die thematische Ausrichtung anlässlich des beuys’chen Jubiläums.

VIELEN DANK! 

Neugierig geworden? Mehr über das komplette Programm von „Europe in the City“ erfahrt Ihr hier…

„Europe in THE DORF“ • Europäer*innen im Gespräch ist ein Gemeinschaftsprojekt von THE DORF und Curated Affairs.

(c) THE DORF, 2021
Text & Interviewserie: Amani El Sadek & Tina Husemann

Fotocredits: Fotos siehe Bildbeschriftungen, Eiscafé Europa, Düsseldorf-Reisholz © Curated Affairs, 2021 

 

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