Dass bei dem Konsum von Kaffee auf Nachhaltigkeit, faire Konditionen und Bio-Zertifizierung geachtet werden sollte, ist keine Neuigkeit. Unter welchen drastischen Bedingungen der Kaffee angebaut wird und welche individuellen Schicksale oft dahinter stecken, ist vielen jedoch unklar. Vor mehr als 20 Jahren gründete Prof. Dr. Rolf Nagel die Düsseldorfer Organisation ProGua.e.V, die es sich zum Ziel gemacht hat, Kaffee aus Guatemala so zu importieren, dass die Lebensbedingungen der dortigen Kleinbauern und ihren Familien verbessert werden können.
Durch jahrelange Freundschaft, offene Kommunikation und Aufrichtigkeit ist ein vertrauensvolles Netzwerk entstanden, das den Mocino-Kaffee direkt nach Deutschland importiert, zu fairen Preisen einkauft und sich letzten Endes für ein menschenwürdiges Dasein in Guatemala einsetzt. Die Düsseldorfer Filmproduzenten Lennart Neumann und Wilhelm Schulz haben die Projekte des Vereins begleitet und den Dokumentarfilm „Coffee for Life“ gedreht, der am 3. September 2021 Premiere feiert.
Lennart Neumann und Wilhelm Schulz produzieren mit ihrer Filmproduktionsfirma salt & pictures Werbefilme und sind ehemalige Studierende von Prof. Dr. Rolf Nagel, dem BWL-Professor mit Passion für die Maya-Kultur. Anfang 2020, kurz vor der Corona-Pandemie, fliegen die drei gemeinsam nach Guatemala, um die genossenschaftliche Organisation Manos Campesinas zu begleiten.
Entstanden ist eine filmische Dokumentation, die in das Leben von Kaffeekleinbauern eintaucht, von individuellen Schicksalen erzählt und damit ein Bewusstsein schafft für die Strapazen der Kaffeeproduktion am anderen Ende der Welt. Fernab von Hipster-Cafés und Kaffeekulturen in Westeuropa, kämpfen die Kleinbauern Tag für Tag für bessere Lebensbedingungen ihrer Familien. Die Premiere der Filmdokumentation “Coffee for Life” findet am 3. September um 19.30 Uhr in der Seifenfabrik Dr. Thompson in Düsseldorf statt und wird auch online zu sehen sein.
Aber wie kam es dazu, dass Rolf Nagel, ein BWL-Professor der Hochschule Düsseldorf, im Jahr 1996 während der letzten Tage des Bürgerkriegs nach Guatemala reist? „Schon als Schüler wollte ich Ethnologie mit dem Schwerpunkt Altamerikanistik studieren, um der Maya-Kultur näher zu kommen. Aus verschiedenen Gründen habe ich aber BWL studiert und im Anschluss bei Banken gearbeitet”, erzählt Rolf Nagel. “Meine Passion für den Süden Mexikos und Guatemala als Kernland der Maya habe ich immer beibehalten. Ich war absolut fasziniert von dem Land und der Kultur, habe aber viele Ungerechtigkeiten und soziale und bildungspolitische Problemstellungen der Bevölkerung gesehen.”
Im Verlauf der Jahre nimmt Rolf an Menschenrechtsprojekten teil, die von Deutschland aus geleitet werden. Parallel zu diesem Ehrenamt wird er Dozierender an der Hochschule und gibt seinen Job bei der Bank auf. “Der Hauptgrund, warum ich überhaupt an der Hochschule angefangen habe, waren die Freiheiten, die mir mit der BWL-Professur geschenkt worden sind.”
Er gründet einen Verein, der sich zunächst um Bildungsprojekte für Kinder und Studierende in Guatemala kümmert. “Irgendwann sind die Eltern eines geförderten Kindes auf mich zugekommen und haben mich nach Kontakten und Hilfe gefragt, ihren Kaffee zu vermarkten.” Zu Beginn der 2000er tritt Vietnam als weiterer Kaffeeproduzent auf den Markt. Das macht sich schnell bemerkbar: Bei gleichbleibender Nachfrage, aber mehr Angebot fallen die Preise, was für die guatemaltekischen Kaffeekleinbauern existenzbedrohend war.
Rolf nutzt seinen Status an der Hochschule und gründet im Dezember 2000 den Verein ProGua e.V.. Gemeinsam mit Studierenden des Fachbereichs Designs entwickelt er Packungsdesign und Marketing-Konzept. ProGua e.V. ist eine Non-Profit-Organisation. Rolf sagt: “Mir gefällt der Begriff not-for-profit besser. Das beugt Missverständnissen vor.” ProGua e.V. verzichtet als Importeur und In-den-Marktbringer auf die Ausschüttung von Gewinn. Das funktioniert aber nur, wenn der Konsument für eine exzellente Qualität und einen überragenden Genuss auch bereit ist, einen höheren Preis zu akzeptieren.
Das Motiv von ProGua ist es, das wirtschaftliche Gefälle zwischen uns kaffeegenießenden Europäer*innen und den kaffeeerzeugenden ärmsten Landarbeitern der Welt auszugleichen. Durch fairen Handel mit den Maya-Kooperativen ADIBA Buenos Aires am Vulkan Tajumulco und ADENISA am Atitlánsee will ProGua e.V. dazu beitragen, dass sie ein menschenwürdiges Leben führen können. “Solange die Preise auf den Weltmärkten nicht auf dem Niveau sind, dass die Kleinbauern mit ihren Familien davon leben können, solange wird es uns geben”, versichert Rolf. Ein Großteil der Kaffee-Erträge gelangt auf direktem Wege zurück nach Guatemala. “Das schafft Vertrauen und führt zu einer offenen Kommunikation, die in dieser Form selten zu sehen ist.“, erzählt Rolf.
Der zu vermarktende Kaffee wird Mocino genannt, nach dem „Pharomachrus mocinno“, dem Quetzal-Vogel, der der Nationalvogel Guatemalas ist und in der Maya-Welt als mystisch gilt. Der gesamte Röstprozess des Mocino-Kaffees ist klimaneutral. Das nächste Ziel ist die klimaneutrale Gestaltung des Seetransports. “Das sollte aber kein Problem darstellen. Im Endeffekt ist es eine Frage der Rechnung”, sagt Rolf “Die Höhe der Co2-Absorption der Anbauflächen wird der CO2-Emission eines Containers entgegengesetzt. Ich bin so kühn zu behaupten, dass das passen wird”, schaut Rolf optimistisch in die Zukunft.
Der Film „Coffee for Life“ von Lennart und Wilhelm macht die Lebensverhältnisse und die Arbeit der Kaffeekleinbauern in Guatemala sichtbar. Er thematisiert nicht nur die verschiedenen Stationen der Kaffeeproduktion, sondern auch die Perspektivlosigkeit der dort lebenden Menschen und ihr Versuch, sich von den ärmlichen Verhältnissen zu befreien.
Eigentlich sind Wilhelm und Lennart mit ihrer Filmproduktionsfirma salt & pictures weniger auf Dokumentarfilme als auf unkonventionelle Werbefilme spezialisiert. “Wir arbeiten mit Marken und Agenturen zusammen, gehen in Vorproduktion und bereiten uns meistens zwei Monate auf die Filme vor. Bei „Coffee for Life“ war das eine ganz andere Herangehensweise”, erzählt Wilhelm. Was alles hinter der spontanen Reise steckt, wird den beiden erst vor Ort in Guatemala klar.
“Wir wussten, dass wir gute Chancen hatten, einzigartige Momente festzuhalten, weil die Verbindung zwischen Rolf und den Menschen dort so innig ist. Aber eine Lebensrealität einfangen, die wir vorher noch nicht kannten, war absolutes Neuland für uns”, gibt Lennart zu. Aus 14 Tagen Guatemala wurde eine 20-minütige Dokumentation, die erklärt, wie Kaffee produziert wird und welche Problematiken, aber auch Lösungen damit einhergehen.
„Coffee for Life“ begleitet die genossenschaftliche Organisation Manos Campesinas, die die Kleinbauern und ihre Familien bei der Kaffeeproduktion unterstützt und so für bessere Lebensbedingungen sorgt. Carlos Reynoso von Manos Campesinas hat noch viel vor. Mit der Organisation möchte er größer werden und so noch mehr Familien helfen. Es sind Herausforderungen, keine Probleme, die zu bewältigen sind, wie er sagt.
Der Fokus des Films liegt klar auf den einzelnen Individuen. Stück für Stück wird den Zuschauer*innen die Kaffeeproduktion näher gebracht. Zwischendrin sieht man Sequenzen von Pedros Alltag. Pedro ist Kaffeebauer. Er steigt jeden Morgen den Vulkan hinauf und pflückt per Hand die Kaffeekirschen, um sie dann in einem Plastiksack wieder hinunter zu tragen. “Wir sind um 3.30 Uhr aufgestanden und etwa anderthalb Stunden den Vulkan hochgewandert. Das war einer der anstrengendsten Momente der Reise. Der Weg zurück ist dann noch anstrengender. Pedro hatte zu dem Zeitpunkt einen Sack voller geernteter Kaffeekirschen auf dem Rücken. Und wir stehen morgens auf und beschweren uns, dass es regnet”, sagt Wilhelm.
Mit intimen Nahaufnahmen und weitläufigen Landschaftspanoramen bringen Lennart und Wilhelm den Zuschauer*innen die Lebensrealitäten der guatemaltekischen Kleinbauern nahe. “Wir wollten den Menschen dort nahekommen, sie verstehen und den Unterschied zu dem, wie wir leben, zeigen. Es war uns wichtig, eine Verbindung zwischen uns, den Kaffeekonsumierenden und den Menschen, die den Kaffee anbauen, entstehen zu lassen. Das war das übergeordnete Ziel”.
Überzeugen kann man sich von dem Ergebnis ab dem 3. September 2021. Da feiert Coffee for Life nicht nur in der Seifenfabrik Dr. Thompson in Düsseldorf Premiere, sondern auch online. Zum Stream gelangt Ihr hier…
Wo und wie Wilhelm, Lennart und Rolf am liebsten ihren Kaffee trinken, verraten sie uns hier!
Wie trinkt Ihr Euren Kaffee am liebsten?
Wilhelm: Ich trinke am liebsten Espresso. Dabei ist es wichtig vorher ein Glas Wasser zu trinken. So kann man den Geschmack des Kaffees vollends genießen.
Lennart: Ich mache das genauso. Meistens trinken wir gemeinsam im Büro unseren ersten Kaffee am Tag.
Rolf: Ich trinke meinen Kaffee ganz schlicht mit einem Schuss Milch. Je nachdem wie der Kaffee zubereitet wird, kommt ein ganz anderer Geschmack dabei heraus. Das kann von der Temperatur, dem Mahlgrad oder dem Wasser abhänge, auch wenn es dieselbe Röstcharge ist. Das ist schon enorm, wovon das alles abhängt.
Was ist Euer Lieblingsspot zum Kaffee-Trinken in Düsseldorf?
Wilhelm: Mein Lieblingsort ist das Velvet.
Rolf: Alle Orte, die unseren Kaffee ausschenken. Das sind leider noch nicht so viele, aber zum Beispiel das 400Grad an der Berliner Allee.
Lennart: Ich sitze gerne in der obersten Etage vom Woyton am Schadowplatz und trinke da meinen Kaffee. Da kann man gut die Leute beobachten, die gerade vom Shoppen auf der Kö zurückkommen.
Mit wem, tot oder lebendig, würdet Ihr am liebsten einen Kaffee trinken und über was würdet ihr sprechen?
Wilhelm: Mit meiner Mum. Ich komme ursprünglich aus Braunschweig und wenn ich mal dort bin, mache ich nichts lieber als mit ihr in der Küche zu sitzen und zu quatschen.
Lennart: So eine süße Antwort habe ich nicht 😉 Ich trinke am liebsten mit unserem Team aus dem Office Kaffee auf unserer Terrasse.
Rolf: Ich kann mich nicht auf eine einzige Person fokussieren, daher würde ich eine Kaffeetafel organisieren. Dabei sein würden Martin Luther King, Mahatma Gandhi, Nelson Mandela, Michelle und Barack Obama, Al Gore, Bill Gates, Tecun Uman und Angela Merkel und ich würde mit ihnen über den Zustand der Welt, der Menschheit und über die zukünftige Entwicklung sprechen.
Vielen Dank!
Text: Franka Büddicker
Fotos: salt & pictures gmbH
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