GLITZER & FLIEDER • QUEERER PODCAST

Steven Cloos und Lena Hilberger, Foto: Amelie Kirschner
Vollständiger Name: Steven Cloos
Beruf: Schauspieler
Alter: 33
URL: Spotify | Amazon MusicInstagram
Vollständiger Name: Lena Hilberger
Beruf: Theaterpädagogin
Alter: 33
URL: Spotify | Amazon Music | Instagram

Noch ein (queerer) Podcast? Ja, bitte – denn davon gibt es noch lange nicht genug! Das haben auch Lena Hilberger und Steven Cloos erkannt. Die beiden Theaterschaffenden haben mit ihrem Podcast Glitzer & Flieder eine Plattform geschaffen, die der queeren Community eine Stimme gibt und sie sichtbar macht. Ihr Ziel: die Geschichte, Schönheit und Vielfalt von Queerness zu entdecken. Dabei kommt alles auf den Tisch, was die LGBTIQ-Community bewegt. Wir haben Lena und Steven zum Interview getroffen und mit ihnen über ihren Podcast und die Entwicklung der queeren Community gesprochen.

Was hat Euch inspiriert, den Podcast „Glitzer & Flieder“ ins Leben zu rufen? Steven: Alles begann mit einem gemeinsamen Theaterabend am Stadttheater Ingolstadt, in dem wir sehr persönlich über unsere eigene Queerness gesprochen haben. Sich in einem Probenprozess so voreinander zu öffnen und sich intensiv mit der eigenen Geschichte und Identität auseinanderzusetzen, hat natürlich etwas mit uns gemacht. Wir haben beide gemerkt, wie wichtig uns dieser Austausch ist – und wie sehr wir ihn vermisst haben. Also haben wir unsere Gespräche über Queerness nach den Proben und auch nach der Produktion beim Feierabendbier weitergeführt.

Lena: Dann bin ich nach Düsseldorf gezogen, und wir haben uns gefragt, wie wir diese Gespräche fortsetzen können. Warum also nicht mehr Menschen daran teilhaben lassen und uns mit anderen vernetzen? Die Bausteine unseres Theaterabends und unsere Gespräche haben wir schließlich in einem Podcast zusammengeführt.

Welche Themen behandelt Ihr in Eurem Podcast und warum sind diese für Euch wichtig? Lena: In den 19 Folgen, die wir bisher veröffentlicht haben, beschäftigen wir uns mit ganz unterschiedlichen Themen der queeren Community – von Coming-out, queeren Filmen und Queerness in den 2000ern bis hin zu Asexualität und der Trans Awareness Week. Dabei stellen wir uns Fragen aus unserer eigenen Perspektive, wollen diese Themen durchleuchten, mit historischen Beispielen und weiteren Blickwinkeln erforschen – und dabei selbst noch einiges dazulernen.

Steven: Wenn ich an meine Jugend zurückdenke, gab es kaum queere Geschichten – und vor allem keine Vielfalt in diesen Geschichten. Jetzt gemeinsam mit Lena und unseren Gästen regelmäßig die Bandbreite von Queerness zu entdecken, queere Geschichte sicht- und hörbar zu machen, ist unglaublich bereichernd. Diese Sichtbarkeit ist unser Antrieb. Auch für uns selbst: Wir erinnern uns immer wieder daran, dass es queere Geschichte schon immer gab – und dass auch wir Teil davon sind.

Wie wählt Ihr die Gäste für Euren Podcast aus? Steven: Wir erzählen und kommentieren aus unserer persönlichen Sicht, aber haben schnell gemerkt, wie wichtig es uns ist, auch andere Stimmen aus der LGBTQIA+ Community einzubinden. Jede:r hat eine eigene Geschichte, eigene Erfahrungen, Sehnsüchte, Ängste und Perspektiven. Genau diese Vielfalt wollen wir in unserem Podcast hörbar machen. Deshalb überlegen wir bei jeder Folge, welche Gäste wir einladen können, die aus ihrer ganz eigenen Sicht über bestimmte Themen sprechen.

Lena: Bisher haben wir vor allem Freund:innen gefragt, ob sie etwas beisteuern können. Inzwischen hatten wir aber auch das Glück, dass zum Beispiel für unsere Drag-Folge verschiedene Drag-Künstler:innen bereit waren, ihre Geschichten mit uns zu teilen. Nach und nach versuchen wir, immer mehr unterschiedliche Perspektiven und Positionen einzubinden.

Könnt Ihr uns von einer besonders bewegenden Episode oder einem Gast erzählen, der Euch nachhaltig beeindruckt hat? Lena: In der Folge zur Trans Awareness Week hatten wir wunderbare Gäst:innen, die sehr persönlich erzählt haben. Besonders berührend ist es, wenn einzelne Geschichten zu einem Thema zusammenkommen und man unmittelbar spürt, welche Auswirkungen Queerfeindlichkeit – sei es in den Medien oder in der Gesetzgebung – hat. Oder Larry Long, der aus seiner ganz eigenen Perspektive über Drag gesprochen und mir einen erweiterten Blick auf diese Kunst eröffnet hat. Zum Beispiel, was in der Drag-Szene kontrovers diskutiert wird, wie die Unterrepräsentation von Drag Kings, aber auch, was diese Kunstform so empowernd und schön macht.

Steven: Ich muss dabei sofort an die Münchener Drag Queen Vicky Voyage denken, die uns von ihren Drag-Lesungen für Kinder erzählt hat – und davon, wie stark sie von Konservativen und Rechten angefeindet wurden. Sie spricht mit uns darüber, was das mit ihr gemacht hat, aber auch darüber, wie begeistert die Kinder waren und wie wichtig ihre Arbeit ist. Das hat mich sehr beeindruckt.

Inwiefern beeinflusst Eure Arbeit als Theaterschaffende die Inhalte oder Perspektiven, die Ihr in Eurem Podcast behandelt? Lena: Am Theater setzt man sich tagtäglich mit gesellschaftlichen Themen und dem Menschsein auseinander. Wir stellen Fragen wie: Was prägt Dynamiken? Wie entstehen sie? Warum verhalten sich Menschen, wie sie es tun? Und wie kann man sich begegnen? Uns ist bewusst, dass es verschiedene Perspektiven braucht, um Themen zu beleuchten und sichtbar zu machen. Ebenso wissen wir, dass historische Bezüge oder konkrete Beispiele oft entscheidend sind, um Geschehnisse einzuordnen.

Steven: Absolut! Als Theaterschaffende beschäftigen wir uns zudem mit dem Erzählen von Geschichten – und genau das fließt auch in unseren Podcast ein. Ich merke immer wieder, dass wir bewusst überlegen: Was ist eigentlich die zentrale Fragestellung? Was wollen wir erzählen? Und wie schaffen wir es, eine kurzweilige, abwechslungsreiche und inhaltlich starke Folge zu gestalten? Eine, die einen spannenden Bogen schlägt und im besten Fall zu einer Art Infotainment wird.

Gibt es Herausforderungen, mit denen Ihr beim Erstellen des Podcasts konfrontiert wart? Steven: Als wir mit dem Podcast angefangen haben, haben wir zunächst eine Reihe von Probeaufnahmen gemacht, um herauszufinden, wie wir ihn überhaupt gestalten wollen. Ich glaube, dieser Prozess ist nie wirklich abgeschlossen. Manchmal merke ich beim Schneiden einer Folge, dass noch etwas fehlt oder dass wir inhaltlich klarer werden könnten. Dann nehmen wir einzelne Passagen neu auf. Wir sind da aber in einem guten Austausch darüber, was uns wichtig ist, was gut funktioniert hat und was wir für zukünftige Folgen vielleicht anders ausprobieren wollen.

Lena: Tatsächlich überlegen wir das für jede Folge neu. Ein weiterer wichtiger Punkt war die Technik. Da wir in verschiedenen Städten aufzeichnen, mussten wir einiges ausprobieren und zusammenbasteln, damit alles reibungslos funktioniert. Und dann kommt natürlich noch unsere Hauptbeschäftigung dazu: Wir sind beide stark in Theaterprozesse eingebunden, was es nicht immer leicht macht, genug Zeit für alles zu finden.

Inwiefern beeinflussen gesellschaftliche Veränderungen oder politische Entwicklungen Eure Themenwahl? Lena: Die Folge „Queerer Widerstand oder Was steht für uns Queers auf dem Spiel“ ist ein gutes Beispiel dafür. Eigentlich hatten wir eine andere Folge geplant, aber Steven hat zu Recht angemerkt, dass wir angesichts der Medienberichterstattung und der bevorstehenden Bundestagswahl nicht einfach zur Tagesordnung übergehen können. Also haben wir uns entschieden, eine Folge dazu aufzunehmen. Mir hat das unglaublich gutgetan – gerade weil mich die Nachrichten oft mit einem Gefühl der Ohnmacht zurückgelassen haben. Zu hören, dass wir nicht alleine sind, dass wir viele sind und dass wir etwas bewirken können, hat mir Kraft gegeben. Auch unsere historischen Beispiele aus dem queeren Widerstand haben gezeigt: Es gab ihn schon immer, er hat etwas bewirkt – und das schenkt Hoffnung.

Steven: Und auch die Idee, jede Folge mit einem „Queer Joy“-Moment zu beginnen, ist daraus entstanden. Queerfeindliche Nachrichten können sich schnell überwältigend anfühlen. Da kamst du, Lena, auf die Idee, dass wir dem etwas entgegensetzen wollen – als Erinnerung daran, dass unsere Freude nicht nur Widerstand ist, sondern auch etwas absolut Schönes.

Wie seht Ihr die Entwicklung der queeren Community in Deutschland und welche Veränderungen würdet Ihr gerne durch Euren Podcast anstoßen? Lena: Ich habe den Eindruck, dass die Sichtbarkeit der Community vielfältiger geworden ist – nicht nur in Deutschland. Ein Beispiel dafür ist die Erweiterung der Regenbogenflagge, die mittlerweile noch mehr Teile der Community einbezieht. Für mich gibt es in der queeren Community noch so viel zu entdecken, und genau deshalb möchte ich mit dem Podcast weiterhin dazu beitragen, der Vielfalt von Queerness mehr Sichtbarkeit zu verschaffen.

Steven: Ich wünsche mir, dass wir Heteronormativität immer stärker hinterfragen und aufbrechen. Dass wir erkennen, wie sehr uns die Vielfalt an Menschen, Identitäten und Perspektiven bereichern kann. Und dass der Kampf für queere Rechte uns alle angeht – denn auch auf den CSDs wird unsere Demokratie verteidigt. Ich hoffe, dass wir innerhalb der Community noch mehr zu Allies füreinander werden, uns zuhören, voneinander lernen, uns gegenseitig stützen und schützen. Und genau das wünsche ich mir auch für unseren Podcast: dass wir durch die verschiedenen Perspektiven und Inhalte immer weiter lernen und neue Erkenntnisse gewinnen.

Welche positiven Entwicklungen oder Erfolge innerhalb der queeren Community seht Ihr rückblickend auf die letzten Jahre? Lena: Ich sehe vor allem Erfolge für die queere Community – besonders in Bezug auf gesetzliche Entwicklungen. Die Ehe für alle und das Selbstbestimmungsgesetz sind wichtige Schritte in Richtung Gleichberechtigung. Dass diese Rechte erkämpft wurden, ist großartig. Außerdem fand ich es beeindruckend zu sehen, wie sich in kleineren Orten Deutschlands Menschen zusammengeschlossen haben, um CSDs zu unterstützen. Dass Menschen aus anderen Städten angereist sind, um zu zeigen: Wir sind viele, wir sind stark – das war wirklich bewegend.

Steven: Mir kommt sofort das Thema Sichtbarkeit in den Sinn – und die Darstellung queerer Lebensrealitäten. Junge Menschen haben heute die Möglichkeit, sich selbst oder ihre Freund:innen in Serien wie Heartstopper wiederzuerkennen. Oder queere Künstlerinnen wie Chappell Roan, die offen, selbstbewusst und voller Freude über Queerness singen – Lieder, zu denen man lautstark mitsingen und tanzen kann. Dass queere Geschichten heute so viel zugänglicher sind als noch in meiner Jugend, freut mich wirklich sehr.

Habt Ihr Pläne für zukünftige Themen oder Gäste, auf die sich Eure Hörer:innen freuen können? Lena: Wir freuen uns besonders auf eine lange aufgeschobene Folge zu Queer im Alter. Das Thema beschäftigt uns sehr – vor allem im Hinblick auf Zukunftsperspektiven. Aber auch auf Folgen zu Queer in der Schule oder Labels bin ich gespannt. Und natürlich darauf, welche Gäst:innen wir dafür gewinnen können.

Steven: Ja, wir haben noch so viele spannende Themen in unseren Notizbüchern! Vor Kurzem haben wir darüber gesprochen, eine Folge über lesbische Pionier:innen zu machen – darauf freue ich mich besonders. Ich tauche gerade wieder tief in Biografien ein und entdecke so viele faszinierende Geschichten, die ich unbedingt erzählen und teilen möchte.

Vielen Dank!

Der Podcast „Glitzer & Flieder“ ist auf Spotify und Amazon Music erhältlich. Mehr Infos findet Ihr außerdem auf InstagramInterview: Valentina Görke
Fotos: siehe Bildbeschreibungen
© THE DORF, 2025
Mehr von VALENTINA

BENEFIZ-KUNSTAUKTION HEARTWORK 2023

Montags ins Museum? JA! Denn am Montag, den 11. Dezember 2023 findet...
Weiterlesen