ABSCHIED VOM WHITE CUBE

Raumkunst, Installationen und Interaktion auf dem Akademie-Rundgang

Anything goes, Laissez faire, Gesamtkunstwerk, die Kunstakademie Düsseldorf lud zum traditionellen Rundgang ein, gab Raum für die Abschlussarbeiten der Absolventen und Absolventinnen. Man weiß zwar nicht genau, wohin die Akademie-Reise in der Kunst geht, aber langweilig ist sie nie. Seit 2013 kann sich die kunstinteressierte Öffentlichkeit beim Flanieren durch die geschichtsträchtigen Räumlichkeiten am Eiskellerberg selber einen Eindruck über den Künstlernachwuchs verschaffen. Als ruhend-intimer Gegenpol zum umfassenden Winter-Gegenstück, bot der vorsommerliche Rundgang den jungen Talenten auch dieses Jahr wieder die große Bühne: 38 Meisterschüler aus 16 Klassen destillierten ihr facettenreiches Profil in einer teils überzeugende, teils weniger überzeugende Themen- und Talentschau. Trotz des eher durchmischten Ergebnisses diente der Rundgang als authentisches Fenster zur Kunst. Erneut ein Besuchermagnet für Jung und Alt.

MYTHOS RUNDGANG: PART OF THE DORF BRAND

Nach Fachbereichen und Meisterklassen gruppiert, vermittelte der fast schon obligatorische Rundgang einen anschaulichen wie konzentrierten Einblick in die spannenden Arbeitsfelder der medienübergreifend agierenden Absolventen und Absolventinnen. Dass der Malerei wieder einmal eine zentrale Rolle zukam, war wenig überraschend, denn sie prägt seit jeher das Selbstverständnis der Kunstakademie, die im 19. Jahrhundert unter ihrem damaligen Direktor Wilhelm von Schadow als “Düsseldorfer Malerschule” erstmals international bekannt wurde. Weiter zeigte sich jedoch, dass der Schwerpunkt dieses Mal nur quantitativ auf der Malerei lag, denn das Spektrum reichte von Fotografie, Baukunst, Bildhauerei und Bühnenbild bis hin zu Installation, Video und Performance.

Die interdisziplinäre Ausrichtung des diesjährigen Rundgangs spiegelte sich in der variablen Gestaltung der räumlichen Strukturen wider. Das Arrangement der Arbeiten war vielfältig: Sei es durch Rahmen, Sockel, Tische, Vitrinen, Spanplatten, Stahlketten oder in Form von raumübergreifenden Installationen. Im Zusammenspiel mit dem faszinierenden architektonischen Ambiente der Kunstakademie und dem kurzzeitig aufgehobenen Rauchverbot ergab sich aus diesem breiten Repertoire eine besonders anregende Atmosphäre, in der die Abschlussarbeiten zur Schau gestellt wurden.

Viele Werke luden nicht nur zum Betrachten ein, sondern lockerten auch die Raumwirkung auf. Sie boten Gelegenheit, mit den Künstlern ins Gespräch zu kommen und deren Praxis erfahrbar zu machen. Abschied vom sterilen White Cube nahmen unter anderem Moritz Krauth und Nicholas Brian Grafia aus der Klasse Dominique Gonzalez-Foerster: In einem mit Stroh gefüllten Raum präsentierten sie eine Video-Dokumentation ihrer Performance It’s 10PM. Do You Know Where Your Children Are? (2019). Diese thematisiert sowohl visuell als auch verbal gesellschaftlich verankerte Vorurteile und Klischees von Geschlechterverhältnissen.

KUARATORISCHES HIGHLIGHT: DIE ELLEN GALLAGHER KLASSE

Einer der Höhepunkte war zweifellos die Klasse von Ellen Gallagher: Der in den Vereinigten Staaten geborene Künstler Jacob Madel schuf eine monumentale Gesamtkonzeption aus vom Alltag inspirierten Leinwänden, indem er 43 großformatige, plakative Bilder neben, über- und untereinander reihte. Was anfangs wie eine etwas erdrückende Zeichenflut wirkt, entfaltet nach und nach eine suggestive Kraft, die zur Kontemplation anregt. Welche Statussymbole prägen unsere Zeit? Was genau ist Lebensqualität? Und wie sehr hängen wir zum Beispiel an unserem Auto?

Auch im Nebenzimmer ging es rund. Mit einer gleichermaßen einzigartigen Bildersprache schaffte es Laura Aberham, ebenfalls Schülerin von Ellen Gallagher, den Besucher in ihren Bann zu ziehen. Mit Pinsel und Besen trägt sie in großen Schwüngen Farbe auf. Wer sich ihren 300 x 240cm energiegeladenen Leinwänden nähert, wird Zeuge, wie sie durch eine intuitive Vorgehensweise spielerisch Farbe, Form und Textur miteinander in Einklang bringt.

Die Akademie lieferte dem Publikum wie (fast) jedes Jahr eine bunte Mischung aus Qualität, Experiment, Kunst im Werden sowie Selbstdarstellung und Selbstvermarktung. Wir sind gespannt auf den nächsten Rundgang im Frühjahr 2020.

Text & Fotos: Merit Zimmermann
© THE DORF 2019

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