„Abwesen“ Ausstellung von Kyungja Jeong, Ail Hwang, Hannah Schneider & Anne Schülke

Anne Schülke Copyright: Detlef Klepsch

In dem Ausstellungsprojekt “Abwesen” setzen sich ab dem 6. Mai die vier Künstlerinnen Kyungja Jeong (Seoul, KOR), Ail Hwang (Seoul, KOR), Hannah Schneider (Köln, GER) and Anne Schülke (Düsseldorf, GER) und die Kuratorin HeeJung Kim (Seoul, KOR) im Weltkunstzimmer mit dem Begriff “Abwesen” auseinander und stellen ihre Beobachtungen in Form von zwei Ausstellungen dem Publikum an zwei Orten zur Diskussion. Den Begriff “Abwesen” verwendet der Philosoph Byung Chul Han, um über verschiedene Haltungen gegenüber Raum, Zeit, Material und Mensch nachzudenken. Er stellt dabei die Begriffe “Abwesen” und “Wesen” einander gegenüber und bringt westliche und östliche Denkweisen in Bewegung.

Die Arbeiten von Kyungja Jeong, Ail Hwang, Hannah Schneider und Anne Schülke reflektieren das Thema in verschiedenen Medien: Zu sehen sind unter anderem Fotografien von Kyungja Jeong, die Bezüge zwischen Architektur und inneren Erzählungen herstellen, Installationen aus Latexfarbe Ail Hwang, die von ihr während der Ausstellungszeit immer wieder verändert werden, ein Ein-Kanal-Video mit Ton von Hannah Schneider, in dem eine Seiltänzerin trainiert und das Raumvolumen einer ehemaligen Industriehalle erprobt, sowie eine Drei-Kanal-Videoinstallation mit Ton von Anne Schülke, die einen Körper in einem unbestimmten Raum zeigt und über Raum- und Körperwahrnehmung nachdenkt. Wir sprachen mit der Künstlerin Anne Schülke zur Ausstellung.

Die Ausstellung „Abwesen“ eröffnet am kommenden Freitag. Was erwartet die Besucher*innen? Besucher*innen erwartet Raum zum Nachdenken und Austauschen. Konkret zu sehen sind unter anderem Fotografien von Kyungja Jeong, die Bezüge zwischen Architektur und inneren Erzählungen herstellen, Installationen aus Latexfarbe von Ail Hwang, die von ihr während der Ausstellungszeit immer wieder verändert werden, ein Ein-Kanal-Video mit Ton von Hannah Schneider, in dem eine Seiltänzerin trainiert und das Raumvolumen einer ehemaligen Industriehalle erprobt, sowie eine Drei-Kanal-Videoinstallation mit Ton von mir, die einen Körper in einem unbestimmten Raum zeigt und über Raum- und Körperwahrnehmung nachdenkt.

Die Ausstellung im WELTKUNSTZIMMER zeigt Arbeiten von vier Künstlerinnen zweier unterschiedlicher Nationalitäten und kultureller Hintergründe. Inwiefern verbindet das Thema „Abwesen“? Was unsere Arbeiten verbindet, darüber hat die Kuratorin der Ausstellung, HeeJung Kim, nachgedacht und dieses Statement formuliert: Die Werke der Künstlerinnen stimmen in der Tiefe ihrer inneren Konflikte überein. Eines der Hauptthemen, Existenz und Nichtexistenz oder Wesen und Abwesen, wird in ihren Werken narrativ und visuell ausgedrückt und dargestellt. Es geht um den physischen Raum und den umgebenden Raum, Unbeständigkeit und Verletzlichkeit, Menschen und Objekte, Raum und Zeit. All diese aufmerksamen Beobachtungen werden mit verschiedenen Medien wie Video, Ton, Skulptur, Installation und Fotografie als eigene Art der Erkundung ausgearbeitet. Die Schönheit der Werke verändert sich kontinuierlich und ist bestimmt von topografischen Details bis hin zu konzeptionellen Einflüssen. Die Stimulierung der fünf Sinne berücksichtigt Masse und Raum und schafft nicht nur eine Stimmung, die emotionale Reaktionen hervorruft, sondern auch eine bildliche Erzählung.

Die Ausstellung wird in einem zweiten Teil im Sommer 2023 in Seoul fortgesetzt. Wie kam die Kooperation zustande? Ail Hwang, Hannah Schneider und ich sind uns 2018 bei einem Stipendium im Düsseldorfer onomato Künstlerverein begegnet. Ail Hwang hat sich bereits während ihres Studiums intensiv mit Texten des Philosophen Byung Chul Han, der in Deutschland sehr populär ist, beschäftigt und uns davon erzählt. Das war der Ausgangspunkt dieses Projekts: Der Begriff „Abwesen“, den Byung Chul Han erfunden hat, um über verschiedene Haltungen gegenüber Raum, Zeit und Mensch nachzudenken. Er stellt dabei die Begriffe „Abwesen“ und „Wesen“ einander gegenüber und bringt westliche und östliche Denkweisen in Bewegung. In unseren Arbeiten reflektieren wir dieses Thema in verschiedenen Medien. Die Düsseldorfer Künstlerin Katharina Mayer hat uns einen Kontakt zu der Kuratorin HeeJung Kim hergestellt. Und HeeJung Kim hat Kyungja Jeong eingeladen, sich an dem Projekt zu beteiligen. Kyungja Jeongs Fotografien sind sehr ästhetisch und poetisch. Ich finde, sie zeigen häufig etwas Fragiles und Verletzliches. Aporopos: Wir haben das Projekt 2019 begonnen und durch die Pandemie hindurchgetragen und erleben es jetzt vor dem Hintergrund eines neuen Kriegs in Europa. Wir wissen also noch nicht, ob wir tatsächlich eine zweite Ausstellung in Seoul erleben werden. Geplant ist, dass wir in der Ausstellung in Seoul unsere Erfahrungen aus Düsseldorf verarbeiten.

Du bist Medienkünstlerin, wie beschreibst Du Deine Arbeit? Als Medienkünstlerin arbeite ich mit digitalen Werkzeugen, kommuniziere in Netzwerken und reflektiere soziale und politische Bedingungen künstlerischer Arbeit. Meine Arbeitsweise basiert auf Alltagsbeobachtungen oder theoretischen Fragestellungen und hat eine autobiografische Perspektive. Es geht mir weniger darum, diese Perspektiven und Beziehungen darzustellen oder zu visualisieren. Vielmehr sehe ich als Künstlerin das Ausprobieren neuer Formen der Zusammenarbeit als eine Möglichkeit, diese Perspektiven in meine visuelle Arbeit zu integrieren. So entwickle ich Videos, Texte, Künstlerbücher und Videoinstallationen. Manchmal alles in einem einzigen Prozess. Meine transmediale Arbeit wird im Rahmen von Ausstellungen und im öffentlichen Raum gezeigt. Ich initiiere oft eigenständige Projekte und gehe Kollaborationen ein.

Du zeigst eine Videoinstallation mit Ton, die einen Körper in einem unbestimmten Raum zeigt. Was hat Dich zu dieser Arbeit inspiriert? Ich kann ehrlich gesagt eine ganze Reihe von Geschichten zu dieser Arbeit erzählen. Eine beginnt so: Anfang 2018 schrieb ich an einem Essay über die Arbeit der Medienkünstlerin VALIE EXPORT. In dem Essay geht um VALIE EXPORTs Umgang mit Text. Mich hat während der Recherchen aber besonders ihr Nachdenken über den weiblichen Körper interessiert. Ganz besonders das Motiv des Schnitts. Des Schnitts im Körper und des Filmschnitts. Die Filmkritikerin Kaja Silverman reflektierte den Filmschnitt mit dem Begriff „suture“, das heißt Naht. Ich deute ihn so: Bildausschnitte animieren uns dazu, Bilder weiter zu denken. Wir erweitern, das was fehlt in unserer Vorstellung. Etwas, das ganz sichtbar ist, ist den Blicken ausgeliefert. So unterscheiden manche auch erotische und pornografische Bilder voneinander.

Im Sommer 2019 machte ich dann eine Performance mit einem Ganzkörperanzug in einem leeren Ausstellungsraum. Ich bewegte mich ohne vorher festgelegten Plan durch den Raum. Eine Videokamera stand auf einem Stativ und zeichnete diese Bewegungsabläufe und die im Raum entstehenden Geräusche auf. Zeitlich wurde die Performance dadurch begrenzt, dass ich durch den Stoff des Ganzkörperanzugs, der auch mein Gesicht bedeckte, also das Gesicht und die ganze Haut, sehr schlecht atmen konnte. Ich trug einmal einen weißen Anzug, einmal einen grünen Anzug. Die Aufnahmen im weißen Anzug zeigen sich auflösende Körper- und Raumgrenzen. Detlef Klepsch hat die Kamera bedient und die Blende der Kamera sehr weit geöffnet, was diesen Effekt verstärkt. Mit den Aufnahmen des grünen Anzugs konnte ich im Videoschnitt einen Keyingeffekt verwenden und den Körper einfärben. Ich nutzte den Effekt nicht ganz sauber, also unperfekt. Ich finde, der Körper sieht aus, als sei er aus Stein. Das lud mich dazu ein, mit Stills zu arbeiten und einen Fotofilm zu entwickeln. Einzelne Posen des Körpers kann ich jetzt genau betrachten.

Im Sommer 2020 saß ich dann am Schnitt. Dieser Körper im Raum schien allein zu sein. Ganz klein. Zerbrechlich. Ein bisschen verloren. Der Sound verstärkte diesen Eindruck. Ich spürte keine anderen Körper. Nur meinen Blick auf diesen Körper. Um ihn etwas davon zu befreien, entschied ich mich für eine Mehr-Kanal-Arbeit. Ich kann den einzelnen Körper, der auf einem Kanal gezeigt wird, jetzt nicht mehr mit meinem Blick festhalten. Im Gegenteil, am Ende der etwas 8-minütigen Sequenz treten gleich drei Körper auf mich zu.

Die Ausstellung in Düsseldorf wird von einem Rahmenprogramm begleitet, gibt es ein ganz besonderes Highlight? Der Philosoph Franz Xaver Baier kommt am Sonntag, 29. Mai nach Düsseldorf und spricht über den unsichtbaren Untergrund. Wir wissen noch nicht ganz genau, worum es gehen wird, aber da er in seinem Buch „Der Raum“ mit einem sehr weiten Raumbegriff arbeitet, denken wir, dass es um Underground und Gegenkultur genauso gehen kann wie um den Grund unter einem Gebäude oder auch das Unbewusste. Meine Assoziation zu seinem Vortragstitel ist: Die geopolitische Situation ist so fragil, dass wir uns nicht auf festem Grund bewegen, sondern eher gemeinsam auf einem Seil über Abgründen balancieren. Hannah Schneiders Arbeit zeigt eine Seiltänzerin beim Training. Vielleicht eine Art Vorbild?

Besonders wichtig ist uns das Spenden-Dinner, das wir am 7. Mai organisieren: Im April 2022 traf sich eine gemischte Gruppe von Künstler*innen und Freund*innen und stellte Keramiken her: Teller und Becher. Dieses Geschirr verwenden wir am 7. Mai für ein gemeinsames Abendessen im Weltkunstzimmer. Nach dem Essen sind alle Gäste eingeladen, ihr Geschirr zu kaufen. Das Geschirr kostet zwischen 10 und 100 EUR. Das Geld spenden wir an den Verein „leave no one behind / civilfleet e.V.“. Der Verein unterstützt Organisationen und zivilgesellschaftliche Akteur*innen, die sich an der EU-Außengrenzen für die Rechte und Würde von Menschen auf der Flucht und in Seenotrettung einsetzen. Auch die derzeit aus der Ukraine flüchtenden Menschen werden unterstützt. Alle Leser*innen sind herzlich eingeladen online direkt an „leave no one behind“ zu spenden.

Die Ausstellung in Düsseldorf wird von einem Programm begleitet und in einem zweiten Teil im Sommer 2023 in Seoul fortgesetzt.

Begleitprogramm

Freitag, 6. Mai 2022 19 Uhr bis 21 Uhr
Eröffnung mit Einführung Kuratorin HeeJung Kim (Englisch)

Samstag, 7. Mai 2022 19 Uhr bis 21 Uhr

Abendessen zusammen mit den Künstlerinnen, verbunden mit einer Spendenaktion für „Leave no one behind / Krieg in der Ukraine“ (Englisch, Koreanisch, Deutsch und andere Sprachen)

Anmeldung erforderlich: abwesen@web.de

Sonntag, 8. Mai 2022 15 Uhr bis 16 Uhr

Führung mit den Künstlerinnen Kyungja Jeong, Ail Hwang, Hannah Schneider und Anne Schülke (Englisch, Koreanisch, Deutsch)

Sonntag, 15. Mai 2022 11 Uhr bis 13 Uhr

Lesegruppe mit Resident*innen des Weltkunstzimmers, Kyungja Jeong, Ail Hwang, Hannah Schneider, Anne Schülke, HeeJung KIM und allen Interessierten (Englisch, Koreanisch, Deutsch)

Sonntag, 29. Mai 2022 15 Uhr bis 16 Uhr
Vortrag und Gespräch mit Franz Xaver Baier, Autor des Buches „Der Raum“ (Deutsch)

Ausstellung von Kyungja Jeong, Ail Hwang, Hannah Schneider und Anne Schülke
Kuratiert von HeeJung Kim.


Ausstellungsprojekt “Abwesen”

7. bis 29. Mai 2022
Öffnungszeiten: Do. bis Sa. 14 – 18 Uhr, So. 12 – 18 Uhr
Eintritt frei

WELTKUNSTZIMMER
Ronsdorfer Str. 77a
40233 Düsseldorf

Text: Melanie Schrader
Fotos: siehe Bildbeschreibung
(c) THE DORF 2022

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