Das Fotoprojekt DAS JAHR 2020

"Contrained Freedom" © Renxi Linda

Seit knapp eineinhalb Jahren beeinflusst die Corona-Pandemie unseren Alltag maßgeblich. Mittlerweile scheint sich vieles wieder zu normalisieren. Was bleibt ist die Erinnerung an leere Innenstädte und nicht enden wollenden Stillstand. Das Fotoprojekt DAS JAHR 2020 hält genau diese Augenblicke fest. THE DORF traf die Initatorin Elsa Li zum Gespräch. 

Langsam aber sicher kommt Hoffnung auf: Die Rückkehr zur Normalität scheint so nah wie lange nicht mehr. Parks und Restaurants füllen sich wieder, Kulturhäuser öffnen ihre Türen und es sind immer mehr Lockerungen in Sicht. Die Erinnerung an 2020, das Jahr der Isolation, bleibt dennoch. Trotz Restriktionen, Einsamkeit und ständiger Mahnung zum Abstand haben sich die Monate des Lockdowns für viele Menschen ähnlich angefühlt. 

Um diese außergewöhnliche Situation festzuhalten, haben die Studentinnen Elsa Li und Elsa Hütter im Rahmen einer Kooperation der Heinrich Heine-Universität mit nextmuseum.io kurzerhand eine Fotoreihe zum tristen Corona-Alltag in Düsseldorf umgesetzt. Bis vor kurzem noch brandaktuell, wirken die Bilder mittlerweile wie aus der Zeit gefallen. Im Gespräch mit THE DORF stellt die Kuratorin Elsa Li sich vor, erzählt von der Idee des Projekts und ihrem Ziel Kunst für alle zugänglich zu machen. 

Erzähl uns doch ein bisschen etwas über Dich! Ich heiße Elsa Li und bin 20 Jahre alt. Aktuell studiere ich im vierten Semester Kunstgeschichte und Soziologie im Bachelor an der Heinrich Heine-Universität. Ich habe eine starke Bindung zu Düsseldorf, da ich in meiner Freizeit, wenn es die Pandemie nicht gäbe, viel mit meinen Freunden in der Stadt unterwegs bin und auch seit meiner Kindheit gehe ich regelmäßig mit meinem Vater zu Fortuna Düsseldorf ins Stadion.

Zu meinen Hobbys zählen die Fotografie und Museumsbesuche, weshalb ich auch mein Studienfach gewählt habe. Neben meinem Studium übe ich einen Nebenjob in der Gastro aus und bin außerdem seit vielen Jahren ehrenamtlich bei den Maltesern aktiv. 

Geboren bin ich in der Hansestadt Hamburg, wo ich leider recht früh weggezogen bin und meine Eltern kommen von der schönen Halbinsel Hong Kong, wo ich jedes Jahr Zeit verbringe und viele urbane Fotos schieße.

Wie kamst Du auf die Idee dieses Fotoprojekt ins Leben zu rufen? Was ist das Ziel der Fotosammlung? Letztes Jahr habe ich ein Seminar zur Theorie und Praxis des Kritischen Kuratierens belegt, das eine Kooperation mit nextmuseum.io vom NRW-Forum und vom Museum Ulm war. Man hat uns die Möglichkeit gegeben ein eigenes Projekt auf die Beine zu stellen. Ich war sofort Feuer und Flamme und hatte eine Menge Ideen. Mir war von Anfang an klar, dass es eine Fotoreihe werden soll, da die Fotografie eine große Leidenschaft von mir ist. Über nextmuseum.io startete ich einen Open Call, bei dem jede*r, der die Pandemie in Düsseldorf und Umgebung fotografisch festgehalten hat, seine Fotos einreichen konnte – frei nach dem Motto „Jeder Mensch ist ein Künstler“ von Joseph Beuys. 

Das Ziel der Fotoreihe ist es Orte und Situationen in Düsseldorf und Umgebung unter Corona-Bedingungen zu zeigen – von Düsseldorfer*innen für Düsseldorfer*innen. Jede*r soll sich angesprochen fühlen, da die COVID-19-Pandemie jede*n betrifft. Es spielt also keine Rolle, woher jemand kommt oder welchen Background er/sie hat, denn die Pandemie belastet jeden Menschen in der Gesellschaft. Gerade in solchen Zeiten finde ich es toll, wenn man ein Projekt mit anderen Düsseldorfer*innen startet, um zu zeigen, dass man die Pandemie gemeinsam durchsteht. 

Mit den Fotos möchten wir ein Gemeinschaftsgefühl vermitteln, das dadurch entsteht, dass jede*r die gleichen Alltagssituationen oder Probleme durchlebt. Die Fotoreihe versteht man auch ohne Vorkenntnisse aus dem Kunstbereich. So wollte ich die Hemmschwelle derjenigen brechen, die sich sonst nicht mit Kunst beschäftigen und niemand wird in diesen Zeiten zurückgelassen. Die Idee und die Koordination des Projekts ist durch mich erfolgt, aber die verschiedenen Fotografen, mit denen ich zusammengearbeitet habe, bilden das Herzstück, denn ohne sie würde das Projekt nicht existieren. 

Wie ist die Auswahl an Bildern erfolgt? Ich wollte eine Fotoreihe konzipieren, die möglichst viele unterschiedliche Atmosphären und Situationen der Pandemie widerspiegelt. Ich suchte vor allem Orte oder Situationen, zu denen viele Menschen einen emotionalen Bezug aufbauen können, wie beispielsweise der leere Weihnachtsmarkt am Rathausplatz. Jede*r Düsseldorfer*in kennt ihn und die meisten dürften den Markt schonmal besucht haben. Zu normalen Zeiten wäre der Marktplatz brechend voll gewesen, aber aufgrund der Pandemie ist er nicht mehr wiederzuerkennen. 

Auch „Pandemie-Klassiker“ wie die beschlagene Brille, womit jede*r Brillenträger*in bestens vertraut ist, durften in der Ausstellung natürlich nicht fehlen. Das Postkarten-Projekt von Robin Paeßen habe ich mit aufgenommen, weil seine Intention sehr gut zu meinem Projekt passt. Durch den Open Call haben wir uns auch persönlich über die Projekte austauschen können. Man merkte schnell, dass beide eine Dokumentation der Pandemie für die Menschen erstellen wollten.

Welche Erkenntnisse hast Du aus der außergewöhnlichen Situation letztes Jahr mitgenommen? Im letzten Jahr konnte ich vieles erneut wertschätzen, wie die Gesundheit von Freund*innen, der Familie und mir selbst. Auch meine Arbeit bei den Maltesern hat mir die Bedeutung von kleinen Gesten noch einmal verdeutlicht, da wir in Altersheimen Abstriche vorgenommen haben und auf diese Weise Angehörige sicher und glücklich ihre Familie besuchen konnten. Durch die Arbeit bei den Maltesern habe ich mich nicht so unproduktiv gefühlt und ich hatte das Gefühl einen positiven Beitrag für die Gesellschaft zu leisten. Man darf in so einer Zeit niemanden zurücklassen und sollte alles dafür tun die Lage erträglicher zu machen.

Aber auch mich, wie vermutlich jede*n, hat die Pandemie zeitweise sehr belastet und es gab einige motivationslose Tage. Dennoch ist mein Aufmunterungstipp: Süße Tiervideos zu schauen oder mit dem eigenen Haustier zu kuscheln. Außerdem konnte ich durch die neu gewonnene Zeit einige Projekte planen, welche ich in Zukunft verwirklichen möchte.

Wie nimmst Du Düsseldorf während der Pandemie wahr? Düsseldorf hat für mich in der Pandemie-Zeit etwas an Freude verloren, da man wenige Menschen getroffen hat und es keinen Austausch untereinander gab. Es ist, als hätte man das Jahr einfach übersprungen, da absolut kein spannendes Ereignis stattfand. Ich habe außerdem tiefsten Respekt vor den Menschen, die versuchen ihre Läden, welche ich trotz Einschränkungen noch gerne besuche, am Leben zu halten und wünsche jedem Einzelnen nur das Beste. 

Wird es die Bilder eventuell irgendwann in einer Ausstellung zu sehen geben? Ist eine 2021-Fortsetzung geplant? Das ist eine gute Frage. Aktuell suche ich noch nach Örtlichkeiten, in denen ich die Werke final ausstellen kann, da mir die finanziellen Mittel, um eine geeignete Location zu buchen, fehlen. Daher ist die Fotoreihe noch im digitalen Format. Ob eine Fortsetzung geben wird, steht noch nicht fest, aber eine Idee dafür gibt es schon mal. Ich kann soviel sagen, dass diese Fotoreihe zeitlich nicht mehr in der Pandemie stattfinden wird und, dass die gleichen Grundzüge, wie in der jetzigen Fotoreihe, bestehen bleiben um ein möglichst großes Publikum zu erreichen, da nur so ein starkes Gemeinschaftsgefühl entstehen kann. Ich möchte Kunst für jede*n in der Gesellschaft einen Zugang geben.

Danke Dir!

Text/Interview: Maren Schüller
Fotos: siehe Bildbeschreibung
© THE DORF 2021

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