Die Düsseldorfer Drehbuchautorin und Regisseurin Sylvia Borges und der Düsseldorfer Kameramann Max Hüttermann veröffentlichen ihren neusten Kurzfilm EXILE. Der experimentelle Tanzfilm wurde in den neuen U-Bahnstationen Benrather Straße und Heinrich-Heine-Allee in Düsseldorf gedreht und soll das Gefühl der Entwurzelung eines, im Exil lebenden, jungen Mannes zu zeigen. Gemeinsam mit dem Tänzer Freddy Houndekindo und fünf Bollerwagen gefüllt mit Technik, Verpflegung, Campingstühlen, Makeup und Kostümen entstand dieser mitreißende Ausflug in den Untergrund.
Wie kam Sylvia auf die Idee zum Film? Sylvia sagt: „Ich habe viele der sogenannten „Wirtschaftsflüchtlinge“ persönlich kennengelernt und gemerkt wie zerrissen sie innerlich sind. Sie haben für eine ungewisse Zukunft alles zurückgelassen, teilweise Frau und Kinder, und ihr Leben aufs Spiel gesetzt… und alles was sie am Ende davon haben ist eine Grundversorgung, Perspektivlosigkeit und Isolation. Sie klammern sich an ihre Mobiltelefone, um ein wenig Heimat zu spüren… während ein Tag so wird wie alle und alle wie einer. Ich kann und möchte diese Situation nicht erklären, analysieren oder jemandem die Schuld dafür geben. Ich möchte die Situation von der emotionalen Seite betrachten. Flüchtlinge sind oft nur Zahlen, Statistiken und Projektionsflächen für alles mögliche. Wir sind alle gut informiert aber die Tatsache, dass immer noch viele denken Flucht sei ein frei gewähltes Schicksal zeigt, dass der emotionale Zugang allzu oft fehlt. Niemand möchte seine Heimat verlieren. Niemand. Dieser Film soll einfach eine neue Perspektive zeigen – eine menschliche Perspektive.“
EXILE from Sylvia Borges on Vimeo.
Die Location war schnell gefunden. Sylvia und ihrem Kameramann Max Hüttermann gefällt der schlichte, graphische und monochrome Look der neuen Düsseldorfer U-Bahnstationen sehr. Insbesondere die Metallwände in der Station „Benrather Straße“ haben sich als Leinwand für die Filmemacher angeboten. Die starre, kühl wirkende Umgebung bietet einen spannenden Kontrast zu der Bewegung des Tänzers und zu der Wärme und Weiblichkeit der Models. Sylvia sagt: „Das hat für uns sowohl ästhetisch, als auch inhaltlich einfach sehr gut gepasst.“
Mit Kameramann Max verbindet Sylvia bereits eine lange private Bekanntschaft. Die beide waren Nachbarn und haben schon vorher zusammen gearbeitet. Das Projekt hat den beiden durch die Freiheit, die sie hatten, allerdings besonders viel Spass gemacht. Sie haben sich vorher, zusammen mit dem Tänzer, viele Gedanken zum Konzept gemacht. Das Meiste ist dann aber am Set im Flow entstanden. Sylvia sagt: „Das sind immer wunderschöne Erfahrungen, wenn sich das Projekt verselbstständigt und man gemeinsam dem instinktiven Gefühl folgen kann. Dann wird der ganze Dreh zu einer Art Tanz.“
Den Tänzer Freddy Houndekindo hat Sylvia bei einem Tanz-Battle in Köln kennengelernt. Dort sind Stage Dancer gegen Urban Dancer angetreten. Alles war improvisiert. Am Ende hat das Publikum geschrien vor Begeisterung. Das muss man bei einem deutschen Publikum erst mal schaffen. Sylvia meint: „Tanz hat einfach eine universelle Kraft, der sich niemand entziehen kann. Jeder Tänzer dort war toll, aber Freddy ist besonders herausgestochen, da er sich nicht nur atemberaubend bewegen kann, sondern ein Geschichtenerzähler ist. Er schafft es innerhalb von Sekunden den Zuschauer in seine Welt zu ziehen. Das ist eine Gabe, die nicht viele haben.“
Es gab kein Budget für den Film. Was bezahlt werden musste, haben Sylvia und Max aus eigener Tasche bezahlt. Aus diesem Grund mussten sie auch den Aufwand überschaubar halten. Sylvia sagt: „Wir haben den Film komplett ohne kommerziellen Anreiz gedreht. Der Anreiz war eher mal wieder wild zu sein, sich auszuprobieren und ein Gegengewicht zu den Jobs zu schaffen, in denen der Kundenwunsch natürlich häufig an erster Stelle steht. Das war einfach eine schöne Abwechslung für uns alle.“
Also schnappten sie sich fünf Bollerwagen und packten sie mit Technik, Verpflegung, Campingstühlen, Makeup und Kostümen voll und sind in die Düsseldorfer U-Bahn gezogen. Sylvia lacht: „So mancher wird sich gefragt haben, was das für eine seltsame Truppe ist… irgendwas zwischen Zirkus und Junggesellenabschied.“ Am Ende hat den beiden der Minimalismus eine gewisse Flexibilität geschenkt, die ihnen sehr geholfen hat. Denn bei großen Sets ist es oft ein höchst auswendiges Unterfangen von einer Location zur Nächsten zu wechseln. Das Resultat davon, wenn man sich einfach einen Bollerwagen schnappt und losdreht, seht Ihr oben bei uns oder auf Vimeo…
Sylvia Borges arbeitet als freie Drehbuchautorin und Regisseurin für Werbung, TV und Film. Im Studium drehte sie Filme, von denen einige lange durch den Festivalzirkus tourten und Awards gewonnen haben. Manch einer kennt vielleicht ihren Kurzfilm „Zu dir?“, der mehrfach im TV lief.
Text: Sylvia Borges / Tina Husemann
Fotos: Screenshots Kurzfilm „EXILE“ by Sylvia Borges & Max Hüttermann