SONG DONG @ KUNSTHALLE DÜSSELDORF

Den Start ins neue Jahr nutzen viele Menschen zum Rückblick, dazu das eigene Leben und Arbeiten zu betrachten, Wünsche und Hoffnungen aufkommen zu lassen, um dann den Blick in die Zukunft zu richten. Der chinesische Künstler Song Dong teilt zurzeit in der Kunsthalle Düsseldorf mit dem Betrachter eine großzügig angelegte und sehr persönliche Retrospektive auf sein Leben und Werk. Seine Arbeit handelt vom Suchen und Finden der richtigen Technik und des geeigneten Mediums, um das Leben, wie es sich ihm zeigt, zu kommunizieren. Seien es Nahrungsmittel, Steine oder Projektionen. Seit er in den 90er Jahren nach einschneidenden politischen Ereignissen aufhörte zu malen um sich der Konzeptkunst zu verschreiben, entwickelte er sich zu einem der wichtigsten Vertreter chinesischer Kunst.

Seine persönlichen, biografischen Erlebnisse und Eckdaten erzählen meist von kulturellem und
geschichtlichem Weltgeschehen und lassen dem Betrachter Raum zur Identifikation. Die Installation „Waste Not“, die schon durch ihre Größe beeindruckt und bereits das MoMa in New York beehrte, macht ganz still. Ist es ein Appell? Eine Feststellung? Diese wohl persönlichste Arbeit ist in Zusammenarbeit mit seiner Mutter entstanden: Mittig hat Song ein Holzhaus platziert,
das um sich herum über 10.000 Haushaltsobjekten seiner Familie schart. Als aktive Trauerarbeit hatte die Mutter nach dem Tod ihres Mannes und Songs Vater jedes Teil aufbewahrt und eine Sammelleidenschaft gegen die Verlustangst entwickelt, die durch die kritische wirtschaftspolitische Situation Chinas verstärkt wurde und obsessive Züge annahm.

Die Wandtexte lesen sich wie eine Mischung aus Tagebuch und biografischem Roman und machen die Tür in die familiäre Gefühlswelt weit auf. Als künstlerischer Befreiungsschlag ist die Installation ein Zeugnis der Trauerarbeit und der Depression seiner Familie, sowie eines Stücks chinesischer Kulturgeschichte. Kunst und Leben verschmelzen zu einem Werk. Erinnerung und Verlust, Loslassen und Bewahren, Mangel und Fülle sind Themen seiner Arbeiten, die sich in dieser sehr sinnlich anmutenden Ausstellung nachfühlen lassen.

Song Dongs Arbeit ist poetisch und gleichzeitig für jeden auf eine bestimmte Art zu begreifen, verständlich, buchstäblich zugänglich und doch nicht nicht weniger komplex: Beispielhaft die Welt, aus Süßigkeiten, aufzuessen, um sie sich so spielerisch habhaft zu machen, selbst wieder Kind und dann wieder Künstler zu sein und mit Wasser auf Steine zu zeichnen. Sich spüren, staunen, sich fragen, was all das bedeuten mag, dazu lädt Song Dong uns ein. Er ist einer der sich traut, das Persönliche auszustellen und uns (mit-)erleben zu lassen.
Eine Ausstellung, die es uns möglich macht, seine Geschichte zu atmen, darin die Weltgeschichte wiederzufinden und sie Stück für Stück begreifen zu dürfen.

SONG DONG
6. DE­ZEMBER 2015 – 13. MÄRZ 2016

Text: Teresa Schmidt-Meinecke
Fotos: Katja Illner (Kunsthalle Düsseldorf)
Fotos: „Stamping the water“ © SONG Dong, Courtesy of Pace Beijing
© THE DORF 2016

Kunsthalle Düsseldorf

Grabbeplatz 4
40213 Düsseldorf

Öffnungszeiten

Di.-So., Feiertage: 11:00–18:00 Uhr
Jeden 2. Sonntag im Monat: Familientag bei freiem Eintritt.
Jeden letzten Donnerstag im Monat laden die Stadtwerke Düsseldorf von 18 – 20 Uhr bei freiem Eintritt in die Kunsthalle und den Kunstverein ein.

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