Theo Lawrence and The Hearts

Meistens ist es ja genau so, dass die Bands, die man neu für sich entdeckt, überall hinkommen, um ihre Tour zu spielen, aber nicht in die Stadt, in der man wohnt. Das ist quasi Murphy’s Law der Popmusik. Bei „Theo Lawrence and the Hearts“ war das dagegen anders. Obwohl ihr aktuelles Album „Homemade Lemonade“ bei unserer Autorin zu Hause rauf und runterlief, ist die Band aus Frankreich nach Düsseldorf gekommen, um ein Konzert im Tube zu spielen. Vorher haben wir es uns natürlich nicht nehmen lassen Theo, den Sänger der Band, gegenüber ins Kürzer auf ein Alt zu entführen, ihm ein paar Fragen zu stellen – und zum Schluss noch  eine Bestandsaufnahme der Düsseldorfer Musikszene zu machen. Kleiner Spoiler: einfach von neuer Musik zu überzeugen ist Theo nicht.

THE DORF: Vor diesem Interview habe ich versucht, ein bisschen was über dich rauszufinden – viel hat das Internet nicht hergegeben. Darum musst du mir jetzt helfen. Stell dich doch einmal kurz vor… wer bist du, wer ist Theo Lawrence und wer sind The Hearts?  Ich komme aus einem Vorort im Süden von Paris eigentlich quasi direkt unter Paris. Ich habe da auch mein Abitur gemacht. In der Schule war ich aber nie so richtig berauschend, das hab ich schnell aufgegeben. Musik mache ich darum jetzt schon sehr lange. Mit den Jungs, die heute Abend zusammen mit mir hier sind, spiele ich schon seit drei oder vier Jahren. Wir hatten erst verschiedene andere Bands und die haben sich langsam in diese Band, also in „Theo Lawrence and the The Hearts“ verwandelt. Das war ungefähr vor drei Jahren. Und auch die Musik hat sich in dieser Zeit verändert: wir haben nicht immer diese Musik gemacht, die wir jetzt spielen.

Eure Musik hat aktuell Einflüsse aus dem Blues und Soul – hat aber in weiten Teilen auch sehr viel Rock’n’Roll. Ich finde es schwierig, dem Ganzen ein Label zu geben. Trotzdem habe ich im Zusammenhang mit deiner Musik immer wieder das Wort „Retro“ gelesen. Trifft es das?  Nein. Ich würde sagen, das passt nicht zu dem, was ich mache. Es ist definitiv komplizierter. Ich kenne einige Retro-Bands, die sich auch selber so bezeichnen und in den meisten Fällen finde ich das ziemlich langweilig – das macht mich nicht an. Natürlich habe ich einige alte Einflüsse in meiner Musik, ich höre aber auch viele neue Sachen. Mir widerstrebt es, mich einer bestimmten Ära oder einem bestimmten Musikstil zu verschreiben. Das fände ich ziemlich langweilig. Darum bin ich mit der Bezeichnung „Retro“ nicht wirklich glücklich. Ich möchte keine „Museumsmusik“ machen, die einfach nur etwas reproduziert. Ich will, dass die Songs jung und wild sind – auch wenn sie an sich eher soft sind. Selbst eine Ballade muss eine Rock-Attitüde haben. Und das ist auch das, was ich an der Musik schätze, aus der ich selbst meine Inspiration ziehe.

Was für Musik ist das?
Eine „alte“ Band, die ich wirklich mag, ist das Sir Douglas Quintett. Doug Sahm, der Leadsänger dieser Band war ein fantastischer Musiker aus den späten 60ern in Texas. Er konnte fast jedes Instrument spielen, hat gesungen und Lieder geschrieben. Candi Staton finde ich auch toll, sie ist eine Sängerin aus den 60ern. Was „neue“ Bands angeht, stehe ich total auf Shannon and the Clams oder die Alabama Shakes. Die meiste Musik, die ich höre, ist jedenfalls selbst sehr jung. Beziehungsweise die Bands, die ich mag waren es, als sie ihre ersten Platten gemacht haben. Die meisten waren gerade mal um die 16 oder 17 Jahre alt. Ich denke nicht, dass ich „alte Menschen“-Musik spiele. Ich höre mir zwar manchmal alte Blues-Männer an, aber die meiste Musik, die ich höre kommt von Youngsters. Auch wenn ich diese Art von Musik jetzt, 2018, mache – möchte ich, dass sie dabei jung und frisch ist. Lebendig und atmend.

Schauen wir nochmal auf dich, die Person Theo Lawrence. Was macht dich auch? Was dir im Leben wichtig?
Es ist wirklich hauptsächlich Musik. Vor allem Songwriting. Ich widme die meiste meiner Zeit dem Songwriting. Ich versuche jeden Tag ein paar Zeilen oder Melodien aufzuschreiben, auch wenn es nur für 10 Minuten ist. Das hilft mir sehr. Ich habe tausende Ideen für Songs und ich versuche eigentlich auch, die immer zu Ende zu bringen. Manchmal verwandeln sie sich dann in einen „echten“ Song und landen auf einer Platte, manchmal bleiben sie aber auch einfach nur in meinem Notizbuch. Songwriting und Recording – der komplette Produktionsprozess. Das mag ich. Und: ich mag Essen sehr gerne. Vietnamesisch, Thai oder Mexikanisch. Und Pizza!

Du hast eben schon angedeutet, dass es nicht eure erste Show ist, die ihr hier in Düsseldorf spielt. Wann war das erste Mal? Die erste Show, die wir in Düsseldorf gespielt haben, war vor knapp einem Jahr beim New Fall Festival. Und ganz ehrlich: ich habe sehr gute Erinnerungen an dieses Konzert. In der Band sprechen wir da immer wieder drüber – das war wirklich bisher das beste Publikum, vor dem wir bisher gespielt haben. Ich weiß nicht mehr genau, wie der Ort hieß. Aber es waren circa 400 bis 500 Plätze dort. Wir haben den Opener für eine andere Band gespielt, deren Namen ich jetzt auch vergessen habe. Aber die Show war verrückt. Das Publikum war wirklich unglaublich. Komplett anders, als bei den Konzerten, die wir aus Paris gewohnt waren. Wir haben uns wirklich danach gesehnt, hierhin zurück zu kommen, seitdem es auf dem Tourplan steht.

Das setzt die Messlatte für heute Abend dann aber ziemlich hoch…
Ja, absolut. Ich weiß, dass es niemals so gut wie damals werden kann – oder zumindest sich nicht genauso anfühlen wird. Das war ein krasser Höhepunkt für uns, von dort kann es eigentlich nur bergab gehen.

Hattet ihr damals Zeit euch Düsseldorf etwas genauer anzusehen?
Nein, nicht wirklich. Das einzige, woran ich mich erinnere, ist dass wir nach dem Konzert in ein altes Museum gefahren sind, das sich in einen Nachtclub verwandelt hat. Mit einem DJ, der aufgelegt hat und einer Bar in der Mitte, das war eine coole Location.

Während des Interviews konnten wir auch gemeinsam nicht herausfinden, von welchem Konzert Theo spricht. Dachten sogar er hätte Düsseldorf mit Köln verwechselt. Bei der nachträglichen Recherche hat sich aber herausgestellt, dass die Band beim New Fall Festival gespielt hat, als Support für Fil Bo Riva im tanzhaus nrw – und danach auf der Aftershow-Party im NRW-Forum feiern war.

Um nochmal über hohe Erwartungen zu sprechen: ihr werdet morgen (20. September 2018) auf dem Reeperbahn-Festival spielen. In Deutschland heißt es, wer dort gut ankommt, der hat gute Chancen auch im nächsten Jahr ein großes Ding zu werden. Wie fühlst du dich, mit diesem Wissen im Rücken? Oh. Das wusste ich bisher noch nicht. Jetzt fühlt es sich schon nach einem leichten Druck an. (lacht) Also: ich wusste schon, dass es kein „richtiges“ Festival ist, wie die Festivals, die wir im Sommer gespielt haben. Das Publikum da ist wohl eine Mischung aus normalen Zuschauern und Leuten, die in der Musikindustrie arbeiten. Das ist immer etwas komisch. Wir haben schon ein paar solcher Festivals in Frankreich gespielt, die waren immer schlimm. Dagegen waren die „Musikindustrie-Festivals“ im Ausland eigentlich immer gut. Darum habe ich auch ein gutes Gefühl, wenn es um das Reeperbahn-Festival geht. Ich habe keine Angst vor deutschen Musikindustrie-Professionals. Ich glaube, die sind um einiges entspannter als manche Menschen in Frankreich.

Was macht die Menschen in Deutschland, so wie du sie bisher erlebt hast, für dich sonst noch aus?
Ich finde, dass die Menschen in Deutschland mehr für Musik übrig haben, als viele Leute in Frankreich. Die Leute hier scheinen sich einfach mehr für Musik zu interessieren – ein empfänglicheres Ohr für die Musik zu haben, die wir machen. Deswegen ist es immer cool in Deutschland zu sein – oder auch in Holland, da ist das ähnlich. Da wo wir herkommen, gibt es keine anderen Bands, die ähnliche Musik machen, wie wir. Da gibt es keine Szene. Wenn wir aber hierhin oder nach Berlin und Amsterdam reisen, dann spüren wir, dass die Menschen etwas mehr dafür übrig haben.

Und damit hat Theo uns, ohne es zu ahnen, unser Stichwort gegeben. Wir haben ihm sieben Songs mitgebracht, die exemplarisch für die Düsseldorfer Musikszene stehen. Während Theo sie sich anhört ist er sehr konzentriert, bei manchen Songs klickt er sehr schnell auf „Pause“ um einen ersten Kommentar zu geben. Andere hört er sich länger an. Leicht haben sie es bei ihm aber alle nicht. Dafür entschuldigt er sich selbst schon vorsorglich am Anfang: “Meine Freunde sagen übrigens, dass ich nicht besonders offen sei für neue Musik. Es ist also schwierig mich zu überzeugen…“ Kein Problem Theo, wir versuchen es trotzdem:

Song 1: Kraftwerk – „Das Model“
Von Kraftwerk kenne ich nur den Namen und ein bisschen von ihrer Geschichte. Ich weiß, dass sie sehr bedeutend für die elektronische Musikszene sind. Das ist aber nicht die Art von Musik, die ich normalerweise höre. Aber: ich mag die Rhythmusmaschine – es erinnert mich ganz entfernt an Joy Division. Es hört sich so kalt an, es hat einen kalten Vibe. Also, ich wäre definitiv nicht immer in der Stimmung mir das anzuhören, aber es ist interessant. Ich würde es wahrscheinlich nicht aufdrehen, wenn ich einen gemütlichen Abend haben will – aber ich respektiere die „Kunst“ dahinter.

Song 2: Love Machine – „Sun Paradox“
Das ist deutlich einfacher für mich als Kraftwerk. Viel einfacher zum Zuhören. Das Intro erinnert mich ein bisschen an Westcoast-Psychedelic-Bands wie The Grateful Dead oder Jefferson Airplane. Aber die Stimme ist echt ungewöhnlich. Das hat dann gar nichts mehr von Jefferson Airplane. Ich mag die Instrumentierung und die Musik, aber die Stimme gefällt mir nicht so gut. Trotzdem ist es deutlich mehr mein Ding, als der Song davor.

Song 3: Stabil Elite – „Spumante“
Ich bin nicht mit elektronischen Sounds aufgewachsen. Organische Musik mag ich da immer lieber. Ich mag es, wenn ich eine richtige Band spielen höre. Das muss keine Rock ’n‘ Roll-Band sein, aber es müssen Instrumente spürbar sein. Ich mag es nicht, wenn man den Computer zu sehr fühlt. In diesem Fall finde ich Kraftwerk aber immer noch besser, als diesen Song hier. Bei Kraftwerk habe ich noch das Gefühl, dass da Menschen mit ihren Händen Maschinen benutzen. Dieser Song hier klingt dagegen zu sehr nach einem Computer, nach einem seelenlosen Programm. Ich höre zwar den Kraftwerk-Einfluss, aber das hier ist schon ziemlich anders. Kraftwerk hat eine stärkere Atmosphäre, es ist richtig „moody“. Das hier ist eher leichter.

Song 4: Die Toten Hosen – „Hier kommt Alex“
Das klingt ganz schön stark nach den 80ern! Hört sich ziemlich nach 86/87 an. (The Dorf: Nah dran, Theo – 1988 wäre es gewesen.) So richtiger Stadien-Rock. Wenn ich das höre, bekomme ich Lust mit einem Van durch die deutsche Natur zu fahren.

Song 5: DAF – „Der Mussolini“
Und da bekomme ich Lust zu Laufen. Sich aufzumachen, loszulaufen und nicht mehr aufzuhören. Seltsamerweise glaube ich, dass das meine liebste Instrumentierung bis jetzt ist. Auch hier gefällt mir die Stimme leider nicht besonders gut. Aber es hat eine starke Atmosphäre – ähnlich wie Kraftwerk. Ich denke, das ist mein Lieblingssong von der Liste bis hierhin.

Song 6: Hauschka – „Nature Fights Back“
Hier kann man Theos Verwirrung förmlich spüren, man sieht seinem Stirnrunzeln an, dass er damit gar nichts anfangen kann – nach wenigen Sekunden direkt er schon die Pause Taste..
Ich weiß ehrlich gesagt nicht, was ich dazu sagen soll. Klingt wie ein Filmsoundtrack…. Nächster!

Song 7: Antilopen Gang – „Pizza“
Auf den Song bin ich allein schon wegen des Titels gespannt. Ich bin nämlich ein großer Pizza-Fan. Ich esse überall erstmal eine Margherita, um zu testen, ob ein Laden gute Pizza macht. Wenn es mich überzeugt, dann bestell ich dort beim nächsten Mal eine Sorte mit Belag. (Song startet) Oh, deutscher Hip-Hop. Ich brauche eine Übersetzung des Textes, um mir eine Meinung zu bilden… The Dorf: Im Endeffekt singt er darüber, dass er denkt, dass Pizza die Welt retten kann. Okay, ja! Damit bin ich einverstanden – das ist auch mein Motto. Mit der Band bin ich auf einer Wellenlänge.

Vielen Dank!

Immerhin ein versöhnliches Ende. Nach seinem Konzert hat Theo übrigens eine Pizza bei „Colosseo“ gegessen. Wie wir finden: eine gute Entscheidung. Wie sie ihm geschmeckt hat, das ist leider nicht überliefert – aber wird sich spätestens bei seinem nächsten Besuch in Düsseldorf zeigen. Und zwar dann, wenn er – anstatt einer Margherita – eine andere Sorte um die Ecke trägt. Fest steht: egal für welche Pizza Theo sich entscheidet, wir würden uns freuen, ihn und The Hearts nochmal auf einer Düsseldorfer Bühne zu sehen. Wer bis dahin nicht warten möchte, kann zuhause tanzen, in Gedanken schwelgen oder verflossenen Lieben nachhängen. Den Soundtrack gibt es hier:

Text: Meike Glass
Fotos: Kristina Fendesack
© THE DORF 2018

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