Das Gesicht von Düsseldorf ist geprägt von den zahlreichen asiatischen Menschen und Communities, die in der Landeshauptstadt leben. Am 3. März 2023 tritt erstmalig ein Deutsch-Vietnamese im Vorentscheid des Eurovision Song Contests an, um Deutschland in dem Musikwettbewerb in Liverpool zu repräsentieren. Wir lernten TRONG bei einem Treffen in Düsseldorf kennen und sprachen mit ihm über seinen Song „Dare to be Different“ und sein Leben zwischen Deutschland und Vietnam. Hier geht es zum Online-Voting…
TRONG wurde 1992 als Sohn vietnamesischer Einwanderer in Bayern geboren. Er wuchs in einem Asylcamp in Münnerstadt in Unterfranken auf und zog 1999 nach Bad Kissingen. Nur ein Jahr später – Trong ist 8 Jahre alt – soll seine Familie nach Vietnam abgeschoben werden. Dank starkem zivilen Engagement und Unterschriften tausender Bürger*innen konnte die Familie bleiben. Im Jahr 2002 gewinnt er die Europameisterschaft im Tanzen und holt den Titel als Zehnjähriger nach Deutschland. Nur kurze Zeit später trifft er bei der TV-Show „Kleine gegen Groß“ Britney Spears. Eine Begegnung, die TRONG fortan im Gedächtnis bleibt und ihn ermutigt, seine Träume zu verfolgen. Im Jahr 2015 passiert noch einmal unglaubliches: Der Deutsch-Asiate gewinnt er die TV-Show Vietnam Idol, das vietnamesische „Deutschland sucht den Superstar“.
Für TRONG repräsentiert er das beste aus zwei Welten: Seit frühester Kindheit ist TRONG also immer „anders“ – in Deutschland sieht man ihn als Asiaten – während er in Vietnam, wo er seit seinem Sieg bei Vietnam Idol 2015 ein großer Star ist, als der „German Hot Boy“ gilt. Er bringt Unisex-Mode auf die vietnamesischen TV-Bühnen, er ist der erste vietnamesische Künstler auf dem roten Teppich der Billboard Awards – und reißt dabei immer wieder gesellschaftliche Normen und Grenzen ein. Nach fünf erfolglosen Bewerbungen nimmt TRONG am 3. März 2023 mit seinem Song „Dare to be different“ am deutschen Vorentscheid zum Eurovision Song Contest teil. Für Deutschland zum Eurovision Song Contest nach Liverpool zu fahren wäre nicht nur sein persönlicher Traum – es wäre auch eine Geste der Verbundenheit und des Dankes für die Menschlichkeit, die es seiner Familie vor über 20 Jahren ermöglichten, in Deutschland zu bleiben.
Wie hast Du Dich gefühlt, als Du erfahren hast, dass du nach fünf erfolglosen Bewerbungen nun endlich beim deutschen ESC-Vorentscheid antreten darfst und was bedeutet es Dir? Es hat mir sehr viel bedeutet, ich habe Jahre lang darauf hingearbeitet und nie aufgegeben. Für mich ist der ESC nicht nur eine Wettbewerbsshow, ich möchte ein Zeichen setzen für Deutschland! Als erster Deutsch-Vietnamese möchte ich für Deutschland beim ESC antreten und die asiatische Community inspirieren und motivieren, dass wir es auch draufhaben und Deutschland divers ist.
Im Musikbereich ist die Asiatische Community in Deutschland stark unterrepräsentiert. Denkst Du, Du kannst mit Deiner Teilnahme ein Statement für die Deutsch-Asiatische Community setzen? Definitiv! Ich repräsentiere nicht nur mich, sondern die ganze Asiatische Community! Ich weiß, wie schwer es ist als asiatisch gelesener Mensch in der Musikbranche Fuß zu fassen. Ich bin froh, dass sich aktuell auch K-Pop sehr etabliert hat und die Menschen langsam sensibilisiert und offen werden für asiatische Künstler.
Du giltst als Superstar in Vietnam. Erzähl uns, wie es dazu kam! Wie hat sich Dein Leben seit Deinem Sieg bei Vietnam Idol 2015 verändert? Alles geschah unerwartet. Nach Abschluss meines Musikstudiums verbrachte ich meinen Urlaub in Vietnam. Dort langweilte ich mich sehr, weil ich das Musikmachen vermisste. Ich fragte meine Tante, ob es eine Möglichkeit gäbe, in Vietnam aufzutreten. Sie schlug vor, dass ich an der Casting-Show Vietnam Idol teilnehmen solle. Ich entschloss mich am letzten Castingtag spontan, mich zu bewerben, und es ging immer weiter, bis ich am Ende gewann! Ich war einfach super offen und hatte nichts zu verlieren. Ich hätte nie gedacht, dass ich im Land meiner Eltern leben und meine Leidenschaft zum Beruf machen würde. Dies war ein unglaublich emotionaler Moment für mich. Vietnam Idol hat mein Leben um 180 Grad gedreht. Ich werde auf der Straße in Vietnam erkannt und stehe auf den größten Bühnen Asiens. Seit 7 Jahren kann ich nun von meinem „Hobby“ leben, und dafür bin ich unglaublich dankbar! Nicht zu vergessen, meine vietnamesische Sprache hat sich auch erheblich verbessert, und ich kann viel tiefere Gespräche mit meiner Familie führen als je zuvor.
Fühlst Du Dich eher mit Deutschland oder mit Vietnam verbunden? Es ist schwierig, eine pauschale Aussage darüber zu treffen, zu welchem Land ich mich mehr verbunden fühle. Ich bin in Deutschland geboren und aufgewachsen, deshalb denke ich auf Deutsch, träume auf Deutsch und bevorzuge es, mich auf meiner Muttersprache zu verständigen. Allerdings haben meine Eltern uns Kindern zu Hause immer die vietnamesische Kultur nahegebracht und uns beigebracht, Vietnamesisch zu sprechen. Ich liebe die Herzlichkeit der vietnamesischen Kultur und der Menschen dort. Ich fühle mich privilegiert, beide Länder zu kennen und schätze das Beste, was beide Länder zu bieten haben.
Du warst schon immer „anders“. Gab es auch Zeiten, in denen Du an Dir gezweifelt hast du und mit dem Gedanken gespielt hast, Dich anzupassen? Als ich jünger war und noch nicht so selbstbewusst, habe ich oft daran gedacht, nicht aufzufallen. Ich wollte genauso sein wie die anderen Kinder und nicht als das Kind wahrgenommen werden, das aus einem Asylheim kommt. Ich hatte nie das Gefühl, anders zu sein, ich fühlte mich wie alle anderen bayerischen Kinder in meiner Schule. Erst als sie mich mobbten und mir sagten, dass ich kleine Augen und schwarze Haare habe, wurde mir bewusst, dass ich anders war. Das Tanzen hat mir viel Selbstbewusstsein gegeben, um zu mir selbst zu stehen. Je älter ich wurde, desto mehr Selbstbewusstsein hatte ich, um meine Herkunft und meine Persönlichkeit auszuleben. Ich habe mich allerdings bis zu meinem 30. Lebensjahr immer versucht anzupassen, in Vietnam und Deutschland, damit ich den Leuten gefalle. Heute – nach all den Erfahrungen, die ich gemacht habe – habe ich erkannt, dass ich einfach dankbar dafür bin, in beiden Welten leben zu dürfen und auch sehr stolz darauf, das Beste aus beiden Welten zu sein!
Wie gehst Du mit Niederlagen um? Früher, als ich noch jünger war, war ich sehr traurig. Heute erkenne ich die Bedeutung von Niederlagen und finde, dass sie mich stärken. Obwohl es kitschig klingen mag, kann man durch Niederlagen wachsen. Ich nehme Niederlagen sportlich und stehe immer wieder auf, um an mir zu arbeiten. Um Erfolg zu haben, muss man Niederlagen erleben. Aus diesem Grund habe ich auch trotz mehrerer Ablehnungen nie aufgehört, mich beim ESC zu bewerben. Schließlich hat es bei meiner sechsten Bewerbung endlich funktioniert. Deshalb rate ich jedem, niemals aufzugeben und an seinen Träumen festzuhalten!
Welche Botschaft möchtest Du mit Deinen Songs vermitteln? Mein Ziel ist es, Menschen zu ermutigen. Ich möchte dazu beitragen, toxische Männlichkeit, klare Rollenbilder und Vorurteile aufgrund von Sexualität und Herkunft zu überwinden und als Inspiration für all jene zu dienen, die sich gegen diese veralteten Strukturen engagieren. Ich möchte auch ein positives Signal für die Asiatische Community setzen, um zu zeigen, dass wir ebenfalls in der Lage sind, großartige Leistungen in der Musikbranche zu erbringen! Daher ermutige ich euch alle, anders zu sein, für euch selbst einzustehen und niemals aufzugeben!
Hast Du einen Auftritt, der Dir bisher besonders im Gedächtnis geblieben ist? Die Eröffnung der „Videodays 2017“ in der Lanxess Arena vor 14.000 Menschen! Mein allererstes Konzert war The DOME, und da habe ich Justin Bieber gesehen. Die Leute haben getobt und ich dachte mir, das was er kann, das kann ich auch! 10 Jahre später stand ich selbst in der Lanxess Arena auf der Bühne mit meinem selbstgeschriebenen Song „Peter Pan“ und meinem vietnamesischen Song „Say AH“! Es war unglaublich. Ja – und mein Auftritt letztes Jahr in Hanoi ist mir im Gedächtnis geblieben, es waren einfach 40.000 Menschen da, ich habe nur ein Meer von Menschen gesehen und die Lichter! Es war wahnsinnig krass!
Hast Du musikalische Vorbilder? Seit meiner Kindheit habe ich Michael Jackson bewundert. Wenn man genauer hinsieht, kann man in meinen Choreografien und Songs auch einige Inspirationen von MJ finden. Ich bin auch ein großer Fan von Bruno Mars und nicht zu vergessen Britney Spears. Ich habe vor ihr tanzen dürfen bei der Show „Kleine ganz groß“ und sie hat mich ermutigt weiterzumachen und an meinen Träumen festzuhalten.
Wie würde Dein Leben aussehen, wenn Du Dich gegen das Singen/Tanzen entschieden hättest? Ich denke, ich wäre in Bayern geblieben und wäre Pädagoge geworden. Ich hatte nach dem Abi überlegt, Latein zu studieren und Lehrer zu werden. Ansonsten kann ich auch eine Booking Agency aufmachen und alle guten Flüge und Hotels heraussuchen, das kann ich sehr gut! 😀
Was wünschst Du Dir für die Musikbranche? Mein Wunsch ist es, dass wir Offenheit zeigen – insbesondere gegenüber asiatischen Künstlern! Auch für Künstler, die vielleicht nicht in das Schema passen und ihnen die Chance geben, sich der Welt und ihre Kunst zu zeigen.
Welche Ziele hast Du für die Zukunft? Mein erstes Ziel ist es, nach Liverpool zu fahren und Deutschland beim ESC zu vertreten. Langfristig möchte ich auch mehr Musik in Deutschland machen und auf großen Bühnen auftreten.
Zu guter Letzt: Warum MUSS Deutschland Dich zum ESC schicken? Gibt uns drei wichtige Argumente! 1. Meine Bühnenperformance ist einzigartig und Deutschland hat bisher noch nie etwas Vergleichbares gesehen. Wir haben sogar die Choreografie geändert und sie neu gestalten lassen von einem berühmten Choreografen (Kiel Tutin- der Choreograf von BLACKPINK)
2. Ich wäre der erste Deutsch-Vietnamese beim ESC für Deutschland!
3. Deutschland MUSS mich wählen, ich stehe für Offenheit – keiner würde von Deutschland einen Act wie mich erwarten
Vielen Dank!
Text: Tina Husemann
Fotos: Trang Nguyễn
(c) THE DORF, 2023