Die Melody Bar ist mit ihrem fast 30-jährigen Bestehen eines der Lokale in der Düsseldorfer Altstadt, in dem eine entschleunigte Ausgehkultur gepflegt wird. An dem schmalen Haus auf der Kurze Straße läuft man gerne vorbei oder wirft nur einen kurzen Blick durch das unscheinbare Fenster. Dahinter verbirgt sich ein kleines Paralleluniversum, in dem der Trubel von draußen weit entfernt zurückbleibt. Genau das hat Ivonne Franken an dem Ort fasziniert, als sie im Studium ihren Nebenjob begann. Die Faszination hielt an. So sehr, dass sie mittlerweile selbst die Betreiberin der Bar geworden ist. Kurz nach ihrem 20-jährigen Jubiläum in der Bar haben wir Ivonne in der “Melody” besucht und uns mit ihr über den Wandel der Altstadt und Schnelllebigkeit unterhalten.
Wie bist Du zur Melody Bar gekommen? Ich bin im Oktober 2002 nach Düsseldorf gezogen, habe angefangen zu studieren und brauchte einen Job. Ich habe einer damaligen Freundin, die in der Melody gearbeitet hat, davon erzählt und sie hat es ihrem Chef erzählt. Er hat mir vorgeschlagen, in der Bar anzufangen. Eine Woche später habe ich Probe gearbeitet und als Aushilfe begonnen. Ich fand die Arbeit von Anfang an sehr interessant, weil es etwas Anderes war. Ich komme aus Krefeld und habe dort neben dem Abitur gekellnert. In der Bar herrschte eine ganz besondere Atmosphäre.
Ich habe Kommunikations- und Marketingmanagement per Fernstudium studiert, deswegen war ich relativ flexibel. Nach dem Studium habe ich angefangen, als Hotelmanagerin und Marketingassistentin zu arbeiten. Über die Jahre bin ich in der Bar am Ball geblieben und habe hier sowohl haupt- als auch nebenberuflich gearbeitet.
Meinen damaligen Chefs habe ich gesagt: “Wenn Ihr in Rente geht, werde ich Eure Rente sein.” Das war zuerst nur Gerede, vor sieben Jahren war es dann soweit. Heidi und Erich Wellhöfer, die die Bar 93 gegründet haben, haben sie mir als Pächterin überlassen. So war ich dann Barbesitzerin und habe meine anderen Jobs gekündigt. Das Parallelleben hat dann nicht mehr funktioniert, weil es viel Zeit beansprucht, eine Bar zu führen. Das Sprichwort “Wer nix wird, wird Wirt.“ stimmt nicht so ganz.
Wie sehen Deine Aufgaben als Barbesitzerin aus? An erster Stelle muss man Menschen mögen. Irgendwann hat jeder mal genug von Leuten, wenn so viele Charaktere auf einen einprasseln. Das Interessante am Barbetrieb ist, dass es sehr persönlich ist. Hier lernen sich ganz viele unterschiedliche Leute kennen, die sich draußen vielleicht nicht ansprechen oder zueinander finden würden.
Bei den Aufgaben fängt es mit Einkauf und Organisation an. Um eine gute Karte zu haben, braucht es Kreativität und man muss den Wandel der Gastronomie mitverfolgen. Ich kümmere mich auch um Social Media, die Melody ist aber eher ein Ort, den man empfohlen bekommt oder den man kennt. Was sehr schlaucht, sind die langen Nächte. Ich habe damals mehr in der Nacht gelebt als am Tag. Ich bin morgens zwischen 5 und 7 Uhr ins Bett gegangen und bin gegen Mittag aufgestanden. Mittlerweile ist das anders. Ich habe einen zweijährigen Sohn und mache so etwas nur noch bedingt oder am Wochenende.
Die Personalplanung ist eine wichtige Sache. In so einer kleinen Bar darf man keine Kontaktschwierigkeiten haben. Wir sind auf kleinem Raum und müssen Hand in Hand miteinander funktionieren. Es haben Menschen probegearbeitet, die sich die Arbeit gut vorstellen konnten, weil die Atmosphäre nett ist, in der Nacht oder am Abend aber gemerkt haben, dass es gar nicht so leicht ist. Es ist viel Multitasking gefordert. Man unterhält sich, man macht einen Drink, man muss aufpassen, dass alles läuft. Das ist eine Verantwortung und Herausforderung.
Eine Besonderheit meiner Aufgaben ist, dass ich meinen eigenen Eierlikör herstelle und in abgefüllten Flaschen verkaufe. Dafür ist im Moment auch ein Webshop im Aufbau. Die Idee kam während der langen Schließung durch Corona. Als anfängliche jährliche Oster- und Weihnachtsaktion ist die Eierlikörproduktion mittlerweile zu einem kontinuierlichen Bestandteil der Melody geworden.
Die Düsseldorfer Innenstadt hat in den letzten Jahren einige große Wandlungen gemacht und die Altstadt verändert sich stetig. Wie hast Du in 20 Jahren in der Kurze Straße den Wandel miterlebt? Früher war das Ausgehverhalten noch ein anderes. Wenn die Leute ausgehen wollten, sind sie in die Altstadt gegangen. Heute geht das auch in den Stadtteilen, ob Flingern, Pempelfort, Derendorf oder Bilk. Man kann dort gut essen, gut trinken und den Abend verbringen. Das gab es vor 15, 20 Jahren nicht. Da ist man vielleicht in den Stadtteilen in die Eckkneipe gegangen, der Fokus aber lag auf der Altstadt. Die Melody hat damals mit einer Sechstagewoche aufgemacht und war samstags ihren Ruhetag, was heute kaum vorstellbar ist. Ich öffne die Bar zur Zeit von Donnerstag bis Samstag und habe vor, den Mittwoch wieder aufzunehmen, wie in der Zeit vor Corona.
Die Melody ist ein Kleinod und das Treiben auf der Straße bemerkt man oft nicht, gerade wenn die Tür zu ist. Man ist oft überrascht, wenn man wieder raus geht. Auf der Straße ist es anders geworden. Ich weiß nicht, woran das genau liegt. Zum einen an Corona. Die Schließungen, der Wegfall der Messen und die fehlenden Messebesucher haben das Bild der Stadt mit verändert. Ich habe den Eindruck, dass es jünger geworden ist. Die Stammgäste wurden älter, haben Kinder gekriegt und wollten nicht mehr jede Nacht etwas trinken gehen. Ich weiß nicht, welche Zeit besser war. Früher war es irgendwie voller und intensiver. Hier finden Begegnungen zwischen Leuten statt, die sehr lustig und manchmal sehr beeindruckend sind.
Hast Du eine Lieblingsgeschichte oder Erinnerung, die Du mit der Melody Bar verbindest und am liebsten allen neuen Gästen erzählen würdest? In zwanzig Jahren habe ich oft vier Nächte in der Woche hinter dem Tresen gestanden und einiges erlebt, was ich nicht mehr genau einsortieren kann. Hier mischt sich altes Stammpublikum mit neuem und ich weiß zum Teil gar nicht mehr, wie neu das neue ist. Ich habe seit einem halben Jahr einen neuen Stammgast und es kommt mir vor, als käme er viel länger her. Meine Zeitfenster sind sehr verschoben und mit den zwei Jahren Corona ist es schwieriger geworden. Leider habe ich versäumt, ein Tagebuch darüber zu führen. Ein paar Sachen habe ich mir mal aufgeschrieben und früher hatte ich einen Kalender, in dem ich Stichpunkte notiert habe. Mittlerweile gibt es ein Gästebuch.
Letztens waren zwei Gäste da, die sich in der Bar kennengelernt haben und ich konnte mich genau daran erinnern, wie oft sie hier waren. Jetzt sind sie verheiratet, haben Kinder und waren 5 oder 10 Jahre nicht mehr da. Die beste Geschichte ist deshalb wahrscheinlich die eigene. Ich habe zum Beispiel einen Gast, der mich sehr lange, fast die ganzen 20 Jahre, begleitet hat. Wir haben zwei ganz unterschiedliche Charaktere. Gerade deshalb gab es einen tollen Austausch zwischen uns. Mittlerweile hat er sich zurückgezogen und wir haben nur sporadisch Kontakt. Das ist Teil des Wandels. Dann kommen wieder andere, die mich für eine Zeit begleiten. Es gibt hier auf jeden Fall wenige Fremde.
Wie sieht der typische Düsseldorfer Signature-Drink der Melody aus? Gibt es da eine Konkurrenz zum Altbier – gerade mit der Brauerei Kürzer als direkten Nachbarn? Einen typischen Signature-Drink habe ich nicht. Das ändert sich ständig. Ich richte mich lieber nach den Wünschen und Vorlieben der Gäste und kann dann á la minute kreativ sein. Die Melody wurde damals bekannt durch einen fruchtigen Drink mit frischen Erdbeeren, dem „Helgoländer“. Er ähnelt einem Slushy. Davon gibt es noch weitere Varianten mit anderem Obst, die alle heute noch angeboten werden.
Konkurrenz zu den anderen Bars gibt es nicht. Eher hilft es dem Geschäft, weil die Leute zwischen den Läden springen. Zum Beispiel kommt man dann nach dem Bier im Kürzer hierher, um einen Absacker zu trinken, oder umgekehrt. Wir haben uns schon immer auf Cocktails und hochwertige Spirituosen konzentriert. Bier wird hier auch getrunken, aber darauf liegt nicht der Fokus. Deswegen genügt ein Flaschenbier. Außerdem gibt es keine Zapfanlage. Da sind die Kioske eher eine Konkurrenz, weil sich so viel draußen abspielt und das Publikum jünger geworden ist. Die können sich ihre Getränke draußen holen und gehen nirgendwo rein.
Wen würdest Du gern einmal als Gast begrüßen? Ich bin nicht sehr versessen darauf, habe aber auch nichts dagegen, dass irgendwelche Stars herkommen. Meistens merke ich es gar nicht, wenn jemand Besonderes reinkommt. Ich höre erst von den anderen Gästen, wer das ist. Vor allem, wenn viel los ist, sehe ich so viele Gesichter vor mir, dass es mir nicht auffällt. Einmal war Kiefer Sutherland unter der Woche mit seiner Entourage da und die waren sehr begeistert von der Bar. Am nächsten Abend sind sie wieder gekommen und ich war später dann sogar mal zu einem Konzert in Köln eingeladen.
Die Melody Bar befindet sich im schmalsten Haus der Altstadt und erhält unter anderem dadurch ihre besondere und intime Atmosphäre. Was ist Dir außerdem für die Bar wichtig, um sich dort wohl zu fühlen? Die Melody ist mehr oder weniger eine Nachtbar. Früher hatten wir öfter geöffnet als jetzt, wir konzentrieren uns jetzt auf die Abendstunden. Außerdem haben wir keine Außengastronomie. Mit 2,90 m Breite passen nicht besonders viele Stühle und Tische draußen hin und drinnen gibt es nur ein kleines Fenster vorne. Deswegen ist es eher ein Ort für die Nacht.
Obwohl grundsätzlich jeder willkommen ist, achte ich darauf, wer reinkommt. Junggesellenabschiede mit Verkleidung oder mit Bollerwagen vor der Tür kommen zum Beispiel nicht rein. Jemand, der laut ist und rumgrölt, passt nicht zur Bar. Dadurch, dass die Bar so klein ist, können ich und meine Mitarbeiter die Leute direkt sehen und merken schnell, wenn es nicht passt. Ab einer gewissen Uhrzeit wird die Tür zugemacht und man muss klingeln. Durch das Guckfenster kann ich die Gäste vorher besser ansehen und wenn ich merke, dass die Stimmung drinnen gerade gut ist, müssen sie sich manchmal vorstellen. Ähnlich wie bei einem Speakeasy. Die Bar soll eben ein Kleinod bleiben.
Die alten Besitzer haben früher mehr selektiert. Erich ist Künstler und es kamen viele von der Akademie. Damals durfte drinnen geraucht werden. Man hat lange verweilt. Jetzt ist alles viel schnelllebiger. Die Leute sind auf der Durchreise, gehen in den Club und kommen danach vielleicht noch mal wieder. Der eine oder andere bleibt die ganze Nacht. Das ist aber seltener geworden.
Wo bist Du sonst gern in Düsseldorf? Gibt es einen Lieblingsort, an dem Du tagsüber Energie auftanken kannst, wenn am Abend voller Betrieb in der Bar herrscht? Wenn ich einen kurzen Abstecher machen oder einen Absacker nehmen möchte, bleibe ich in der Nähe und besuche Kollegen, Nachbarn und Freunde hier in der Altstadt. Da ich jetzt in Mönchengladbach lebe, gehe ich nicht mehr so viel aus. Und wenn ich in Düsseldorf bin, komme ich neben der Melody nicht so viel raus.
Die Melody Bar begleitet Dich seit 20 Jahren als Haupt- bzw. Nebenbeschäftigung. Welche Bereicherungen oder Herausforderungen gibt es für Dich, die Bar zu betreiben und was schätzt Du an der Arbeit in und für die Bar? Die Bereicherung ist auf jeden Fall die Abwechslung, die man bei der Arbeit bekommt, vor allem durch die Menschen.
Wenn man als Frau eine Nachtbar in der Altstadt betreibt, muss man sich behaupten können und stark auftreten. Die alten Besitzer sind meine Düsseldorfer Eltern, von denen habe ich viel gelernt. Ich habe in der Bar, während der Schicht meine Rolle. Dieses Rolle ist auch Teil meines Charakters, aber im „normalen“ Leben bin ich nicht immer so wie hier. Als ich noch andere Jobs gemacht habe, war es oft schwierig, die Zeiten zu vereinbaren. Da es mein Wunsch war, die Bar zu übernehmen, musste ich am Ball bleiben. Die Herausforderung jetzt ist, mich ein bisschen zurückzunehmen. Ich lasse den Mitarbeitern mehr Raum, die ihren Einfluss auf die Bar geben. Oft fragen dann Leute nach mir oder den alten Besitzern, die selbst einen anderen Einfluss genommen haben.
Wie war ihr Einfluss? Es lief viel Jazz und alternative Musik, auf keinen Fall irgendetwas aus dem Mainstream. Es waren viele Leute aus der Kunstszene da. Das Ehepaar Wellhöfer, meine Vorgänger, sind vor Corona noch regelmäßig nach Düsseldorf und in die Melody gekommen. Ich denke, mittlerweile sagen ihnen der Trubel und die Schnelllebigkeit nicht mehr zu.
Was wünschst Du Dir für die Zukunft der Melody Bar oder gibt es vielleicht konkrete Pläne, die in der nächsten Zeit umgesetzt werden sollen? Ich wünsche mir, dass Düsseldorfer wieder mehr in die Altstadt kommen und nicht nur in den Stadtteilen bleiben. Die Melody soll weiterhin durch „Mund zu Mund Propaganda“ als Düsseldorfer Tipp bekannt sein. So, wie die Bar ist, hoffe ich, dass sie viele Jahre bestehen bleibt und dass auch andere Bars, in die man zum Verweilen kommt, bleiben. Außerdem wünsche ich mir, dass wir trotz steigender Preise eine gute Qualität bieten können, die bezahlbar bleibt und die man sich gerne gönnt. Wir bieten eine gute Zeit mit hochwertigen Getränken und man soll kommen, weil man Qualität und den Ort zu schätzen weiß.
Vielen Dank!
Donnerstag bis Samstag ab 20 Uhr
Barzahlung, Kartenzahlung
Text: Lisa-Marie Dreuw
Fotos: Michelle Duong
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