„Wir hatten in den letzten zweieinhalb Jahren nur ein oder zwei Leute, die negativ aufgefallen sind, weil sie zu viel getrunken haben. Eigentlich sind unsere Gäste wirklich sehr angenehm.“ Wären die Dinge vor zweieinhalb Jahren nur ein wenig anders gelaufen, gäbe es die Weinbar überhaupt nicht. Denn Julia Meister und ihr Mitinhaber Tim Hillemacher hatten ein ganz anderes Konzept für ein ganz anderes Ladenlokal. Daraus wurde nichts. Der Makler aber erzählte ihnen von der leerstehenden Galerie am Carlsplatz. Das war an einem Mittwoch. Die beiden dachten nach: Was könnten man daraus machen? Sie entschieden sich für eine Weinbar. Drei Tage später unterzeichneten sie den Mietvertrag. Tim: „Uns gefiel direkt, dass die Galerie schön versteckt um die Ecke liegt, so dass wir mit der Altstadt nicht so viel zu tun haben. Man findet uns nur, wenn man möchte.“
Ihr Konzept? „Wir möchten eine Plattform sein, die Wein und Speisen anbietet und den Leuten eine gute Zeit beschert. Wir wollten nie vorgeben, dass wir große Sommeliers sind. Wir haben uns von Freunden beraten lassen, die in der Branche tätig sind. Leute, die Ahnung von Wein haben“, sagt Tim. Wie gut, dass diese Freunde einen guten Job machen. Noch besser, dass Tim gelernter Koch ist. Nach Meinung unserer Autorin Britt kredenzt Tim den besten Burger der Stadt. Ketchup, Mayo, Cornichons-Schalotten-Confit und RINDERFILET. Süss, sauer, scharf und vor allem: Fleisch. Und wo bekommt man bitte so eine delikate Wein- und Gin and Tonic Auswahl zum Burger?
Oft müssen sich die beiden anhören, dass sie sich nicht wie klassische Gastronomen verhalten. Keine Werbung, keine PR und keine übertriebene Freundlichkeit. Authentizität ist das Stichwort. Das klappt auch in anderen Lokalen in Düsseldorf sehr gut. Das Konzept geht auf: Gute Weine, tolles Essen und die Natürlichkeit der Gastgeber.
Dadurch sind in den letzten Jahren echte Freundschaften zwischen Julia, Tim und einigen Stammgästen entstanden. Zum Beispiel mit dem Theaterregisseur Dušan David Pařízek. Die beiden besuchten den (mittlerweile am Wiener Burgtheater arbeitenden) Freund sogar in Österreich. Tim hielt seine Arbeit dort fotografisch fest.
Auch schön ist die Geschichte zum schwarzen Mann, der im gläsernen Weinhumidor der beiden steht. Julia und Tim wurden seinerzeit von einem Gast, zufälligerweise Galerist, zur Ausstellung des Künstlers Mark Jenkins nach Köln geladen. Aus zeitlichen Gründen konnten sich die beiden die Figur „The Celebration“ leider nicht ansehen. „The Celebration“ zeigt eine Person, die ihren erfolgreichen Raubeszug mit einem erhobenen Weinglas zelebriert. Der Galerist war der Überzeugung, der Jenkins passt hervorragend zu den beiden. Also brachte er die Figur in der Weinbar vorbei und bot an, ihn für einige Wochen stehen zu lassen. Der Galerist hatte Recht – das Kunstwerk passt hervorragend und Julia und Tim kauften es. Seitdem wacht „The Celebration“ über die edlen Traubensäfte, quasi als Weinbar-Familienmitglied.
Zu dieser Gemeinschaft gehört auch Daniel Heil. Der Düsseldorfer unterstützt Julia und Tim in der Weinbar. Daniel hat an der Kunstakademie studiert, seine Zeichnung schmücken zusammen mit Tims Fotografien die Wände der Weinbar. „Wenn man reinkommt, geht es um ein Gefühl: Alles ist stimmig, man fühlt sich wohl. Jede Kleinigkeit ist durchdacht. Wenig dekoriert. Aufs Wesentliche reduziert. Und immer frische Blumen auf der Damen-Toilette“, sagt Daniel.
Nicht ganz unschuldig an diesem Gefühl ist Achim Jasper. Der Düsseldorfer konstruiert und baut Küchen, die so schön sind, dass man seine Räume nicht mehr verlassen möchte. Das wussten Tim und Julia und baten ihn, die Weinbar auszustatten. Und Tim sah sich fast am Ziel seiner Träume: „Ich wollte immer Galerist werden, Wein trinken, nix machen und eine Striptease Stange haben.“ Aus dem nix machen ist leider nix geworden. Aber er hat eine Pole-Dance-Stange, die Achim Jasper zu verantworten hat. Noch nie gesehen? Wenn ihr das nächste Mal die Weinbar besucht und vor der Bar steht, schaut nach links. Nein, das ist kein Rohr, dass ist die ausfahrbare Pooldance Stange designed by Achim Jasper.
THE DORF kam in den exklusiven Genuss einer kleinen Vorführung durch die beiden Chefs höchstpersönlich. Wer nach diversen Drinks bereit für ein paar Turneinlagen ist, sollte einfach mal fragen, ob Tim und Julia die Stange noch einmal ausfahren. Für die etwas weniger Mutigen existieren vor der Tür die Bretter. So nennen die Stammgäste die schmale Holztheke vor dem Laden, auf dem man seinen Traubensaft parken kann. Je nach Witterung und Uhrzeit hat man manchmal das Gefühl, dass es etwas umsonst gibt, so gut frequentiert sind dann „die Bretter.“ Dabei sind es einfach die guten Weine, das delikate Essen und die Authentizität der Gastgeber. Wir kommen gerne wieder. Chin chin, Salute und Prost.
Besonderheiten: Was gibt es nur bei Euch? Was zeichnet Euch aus? Tim: Steak Tartar und das, was Julia sagt. Julia: Weinschrank mit Mark Jenkins Skulptur, Möbel von Achim Jasper, viele Künstler, Galeristen & gute Gespräche zum Wein.
Was schätzen Eure Freunde an Euch? Tim: Charakter
Julia: uns
Was sagen Eure Feinde über Euch? Tim: Verdrehte Halb-Teilwahrheiten, findet meiner Meinung nach nur Gehör bei Gleichgesinnten
Was bringt die Zukunft? Tim: Alles
Julia: Spaß mit guten Leuten & Mittagstisch
Eure liebsten Nachbarn? Tim: Fisch Pahlke, Gemüse Schier, Beck & Eggeling, Sies + Höke und Michael Driesch
Julia: Yomaro
Vielen Dank!
Text & Interview: Britt Lörcks
Fotos: Sabrina Weniger
© THE DORF 2015