***UPDATE: Oops, das ging leider schneller, als gedacht – das Baustoff Café gibt es nicht mehr. Schade.***
An der Rather Straße geht was. Eine ganze Menge sogar. Glaubt man erst mal nicht. Denn schön ist etwas anderes. Ist aber so. Die Durchgangsstraße zum Mörsenbroicher Ei wirkt stellenweise etwas abgewrackt. Hier ist alles im Umbruch. Der alte Schlachthof ist weg, die neue Hochschule Düsseldorf im Bau. Coole klare, Architektur. Alles noch ziemlich im Werden. Clemens Henle und Dimitrios Tsantidis sind der Zeit ein ganzes Stück voraus. Die Beiden haben in einem ehemaligen Ladenlokal für Baustoffe an der Rather Straße 50 im Juli ihr Café eröffnet.
Pur kommt einem in den Sinn und klar. Das gilt für den weiten, grau-weiß-schwarz-gehaltenen Raum, ohne Schnörkel ebenso, wie für die unaufdringlichen Design-Details in Industrie-Ästhetik. Das meiste davon Marke Eigenbau. Zum Beispiel die kleinen Tische mit den grauen Fournier-Platten. Die blauen Stapel-Stühle sind von Castelli, die rotbraunen von Mauser. Über den Köpfen gibt es ein Wiedersehen mit den Fassaden-Elementen der in diesem Jahr geschlossenen Galeria-Kaufhof-Filiale an der Graf-Adolf-Straße. Aus den von Egon Eiermann designten Horten-Kacheln haben Clemens und Dimitrios stilvolle Lampen gezaubert und ihre Theke aufgehübscht. Allein dafür kann man ihnen dankbar sein.
Die Kunst an der Wand stammt von Clemens Henles Freundin Natalya Matyashek und von Holger Kurt Jäger. Menschen mit einem Faible für japanische Keramik können im Baustoff-Café außerdem Michiko Shidas schlichtschöne Schalen bewundern und erstehen.
Für die süßen Sünden in den Glasvitrinen haben Henle und Tsantidis sich Lilian Zahedi an Bord geholt. Eine Patisseurin, die bei „Pure Freude“ in die Lehre gegangen ist und in der „Mädchenschule“ in Berlin gearbeitet hat. Sie backt Schokoladenkuchen „mit sehr viel leckerer Schokolade“ und Fruchtkuchen der Saison, aber auch hohe Gemüse-Quiches für den herzhaften Hunger. Außerdem gibt es im Baustoff-Café Pastrami-Sandwichs und lauter Leckereien nach griechischen Rezepten hausgemacht mit getoastetem Herkules-Brot – darunter Hummus, Tzatziki, Schafskäse-Paprika-Crème, Oliventapenade oder Auberginen-Salat aus gerösteten Auberginen.
Der Baustoff-Kaffee hat Bio-Qualität und kommt ohne Zwischenhändler direkt von verschiedenen Kooperativen in Mittel- und Süd-Amerika nach Düsseldorf. Dimitrios Tsantidis ist vom Fach. Er ist Gründer und war lange Zeit Gesellschafter des Bazzar-Caffè am Wilhelm-Marx-Haus, hat selbst Modelle für Kaffeemaschinen entwickelt und in Italien herstellen lassen. Als Barista atmet er sozusagen Kaffee. Wen wundert’s, dass hier einer der besten der Stadt in die Tasse kommt.
Klar, dass Dimi, wie ihn seine Freunde nennen schon ein Buch über die „Faszination Espressomaschine“ herausgebracht hat, das sogar ins Flämische übersetzt wurde und an den Wochenenden Seminare rund um die zischenden Geräte anbietet. Damit jeder Teilnehmer die zu ihm passende finden möge und lernt, wie das geht, einen richtig guten Kaffee brauen. „Das A und O ist, dass er frisch gemahlen ist“, sagt Dimitrios. Daher darf bei echten Aficionados auch die Mühle in der Küche auf keinen Fall fehlen.
Die Milch für Latte, Cappuccino und Milchkaffee kommt passenderweise vom Bauernhof am Niederrhein. Das gleiche gilt für den Quark. Ganz nebenbei dreht Dimi auch noch Tanzvideos. Und Clemens, ursprünglich Journalist aus München, steht und tanzt im Stück „The show must go on“ von Jerôme Bel im Tanzhaus NRW auf der Bühne. Ein Duo, wie man es nicht erfinden kann, aber unbedingt besuchen sollte, an einem wunderbaren neuen Ort für ausgedehnte Snacks, Kaffeepausen und Lesestunden. Für Lektüre ist ebenfalls gesorgt – mit bekannten und weniger verbreiteten Magazinen.
Besonderheiten: Was gibt es nur bei Euch? Was zeichnet Euch aus? Der beste Cappuccino der Stadt mit frischer Milch vom Bauern, der Pastrami-Sandwich, die Horten-Kacheln, eine Tischtennisplatte.
Was schätzen Eure Freunde an Euch? Humor, großzügig, offenherzig, vergebend, ausgleichend, engagiert, bescheiden.
Was sagen Eure Feinde über Euch? Baustoff-Kack-Spastis, vielleicht?
Was bringt die Zukunft? Weltfrieden, gute Geschäfte, nette Gäste.
Eure liebsten Nachbarn? Le Local, Gatto Giallo, Piemont-Express.
Vielen Dank!
Text: Katja Hütte
Fotos & Video: Franz Schuier
© THE DORF 2015