Seit sechs Wochen leben wir „social distancing“ – sechs Wochen, die das Leben in Düsseldorf komplett auf den Kopf gestellt haben. Wir fragen in unserer neuen Serie „SMALL-TALK, CORONA UND SONST SO?“ Düsseldorfer, wie hart sie von der Krise betroffen sind, was sie daraus gelernt haben und worauf sie sich „danach“ am meisten freuen.
Nils Hartmann ist vor knapp 8 Jahren aus Berlin eher zufällig in Düsseldorf bei der Agentur Parasol Island in Unterbilk gelandet – und freiwillig im Dorf geblieben. Wie der „Head of Interactive“ die letzten Wochen privat und beruflich erlebt hat, erzählt er uns im Kurzinterview.
1-2 Sätze zu Deiner Person:
Vor acht Jahren zufällig von der Insel und dem Dorf verzaubert worden und seitdem freiwillig hier geblieben. „Head of Interactive“ & Partner bei Parasol Island im wunderschönen Unterbilk. Nils auf Instagram…
Wie waren die letzten Wochen für Dich?
Wie ein Projekt, bei dem man sich nicht sicher ist, ob man es bewältigen kann. Man ist erst eingeschüchtert, dann setzt die Motivation ein. 3-4 Wochen später muss man sich schon sehr motivieren, eine Hose anzuziehen am Morgen. Sechs Wochen Homeoffice, sechs Wochen ohne Kundenbesuch, sechs Wochen ohne mit Freunden und Kollegen in die Abendsonne zu blinzeln. Dafür optimierte Strava-Statistiken und jeden Tag die Sendung mit der Maus mit dem Nachwuchs.
Wie betroffen bist du wirtschaftlich und persönlich?
Mit Kind und ohne Kind macht einen großen Unterschied. Ohne die Hilfe von Freunden und der Familie wär es sehr schwer geworden, meinem Sohn die Liebe und Aufmerksamkeit zu geben, die er verdient. Konferenz-Calls mit Kind auf dem Schoß sind leider kaum vermeidbar und das ist etwas, mit dem ich wahrscheinlich noch lange kämpfen werde: Das Spannungsfeld „Familie — Beruf — persönliche Bedürfnisse“. Während die einer Hälfte der Gesellschaft sich mich mit Netflix und den neusten Games beschäftigt, versucht die andere gerade irgendwie, sich zu organisieren, dass keiner zu kurz kommt. Ich habe großen Respekt vor allen den Eltern oder Personen die andere pflegen oder unterstützen. Danke an alle, die ihrem Umfeld dabei helfen!
Die größte COVID-Herausforderung ist vor allem die Unsicherheit. Wann geht es weiter und wie? Unsere Insel ist zum Glück breit genug genug aufgestellt, dass wir unseren Partnern die nötige Sicherheit geben können. Wir haben hier aber auch einen Auftrag, uns um alle die anderen zu kümmern, die gerade auf der Strecke bleiben, wenn wir das Tempo rausnehmen: Fotografen und Kameramänner, der Gemüse- und Getränkelieferant, der Weinhändler, die fleißigen Elfen, die sich darum kümmern, dass es bei uns jeden Morgen wieder strahlt. Und wenn wir wollen, dass wir all die Menschen wieder sehen, wenn die Türen sich öffnen, müssen wir uns jetzt darum kümmern. In dem Zuge möchte ich auf die Soli-Aktion von supportyourlocaldealer.org hinweisen. Jeder von uns kann und sollte gerade schauen, wem er seine Kohle gibt. Vielleicht doch ein Bier im Späti als den Kasten im Supermarkt?
Was hat sich geändert?
Für uns tatsächlich gar nicht so viel. Es sind einfach andere Herausforderungen als zuvor. Und dass sich jeden Tag alles ändern kann ist im Grunde Alltag. Für unsere Kunden jedoch sehr viel. Plötzlich funktionieren Dinge aus „New Work“, was zuvor noch kategorisch abgelehnt wurde und komplette Konsum-Bedürfnisse fallen weg. Das löst ganz schön Stress aus.
Was siehst Du als positiven Nebeneffekt bei der Corona-Krise und Quarantäne?
Mit vielen Menschen Kontakt aufgenommen zu haben, die einem echt wichtig sind, man sich aber viel zu selten spricht. Und wie die Innovationsgeschwindigkeit befeuert wurde. Ich hoffe, dass wir viele Jahre davon zehren können und gerade das Verhältnis zur Natur aufmerksamer betrachtet wird.
Die wichtigste Lektion, die Du in den letzten Wochen gelernt hast?
Auch wenn ich sehr sehr gerne allein bin, Menschen sind manchmal doch ganz ok.
Was fehlt Dir am meisten?
Nähe & Spontanität.
Was denkst Du, wird sich „nach“ Corona ändern? Was können wir aus der Krise mitnehmen?
Die Herausforderungen machen uns gleicher und unterschiedlicher zugleich. Wir sind alle Menschen und verletzlich. Aber die Chancen, wie wir Corona begegnen können, darin unterscheiden wir uns deutlich. Nicht jeder hat viel Platz daheim und nicht jeder kann sich jeden Tag etwas tolles zu essen bestellen oder zig Läden ablaufen auf der Suche nach Masken.
Welcher Lieferservice hat Dich in den letzten Wochen glücklich gemacht?
Die To-Go Menüs bei Noa Foodbar, Homemade We Eat Fine und Williams in Unterbilk (bitte behaltet das bei!). Aber am glücklichsten hat mich etwas ganz anderes gemacht: Die Hilfsbereitschaft etwas mitzubringen, egal ob Toilettenpapier von DM oder Wein aus der Heimat. Viele Menschen denken jetzt einfach mehr mit „Wem könnte ich eine Freude machen, indem ich ihm etwas mitbringe?“… sind wir nicht gerade alle ein wenig Lieferservice?
In welches Restaurant gehst du als erstes, wenn die Krise vorbei ist?
Eigentlich sollte ich ja so etwas sagen wie „Yabase am Freitag Mittag.“ Aber in Wahrheit wird es wohl ein Uerige + Panini im Seifenhorst.
Worauf freust Du Dich am meisten, wenn Normalität eingekehrt ist?
Einfach ungeplant mit Freunden vor die Tür gehen und durch die Stadt streunen. Vielleicht ein Alt bei Kürzer, vielleicht in ein Museum gehen, vielleicht stehe ich aber auch die ganze Nacht auf den Treppen vor dem Salon … alles kann. Nix muss.
Vielen Dank!
(c) THE DORF, 2020
Foto: Header: Rene Zieger, „Good Times“ Kristina Fendesack,