#16 SMALL-TALK, CORONA & SONST SO, MIKE LITT?

Seit sieben Wochen leben wir „social distancing“ – sieben Wochen, die das Leben in Düsseldorf komplett auf den Kopf gestellt haben. Wir fragen in unserer neuen Serie „SMALL-TALK, CORONA UND SONST SO?“ Düsseldorfer, wie hart sie von der Krise betroffen sind, was sie daraus gelernt haben und worauf sie sich „danach“ am meisten freuen.

Mike Litt macht schon lange Radio (1Live, WDR2, Deutschlandfunk Nova) und gerade den Podcast „Alle Rhein!“ für Düsseldorf Tourismus, in dem prominente Kulturschaffende aus ihrem Leben erzählen. Außerdem ist er DJ & Autor. In Düsseldorf lebt er in der Brehmstraße: „In einem Haus auf einer der lautesten Straße der Stadt (nach vorne) und dem schönsten Garten der Welt (nach hinten).“ mikelitt.de

Wie waren die letzten 5 Wochen für Dich?
Sehr intensiv in vielerlei Hinsicht: die beste Luft in der Brehmstraße seit Jahren (nur am Tour de France-Wochenende war’s hier mal so leise und die Luft so frisch). Das Homeschooling mit den beiden 8jährigen Zwillingssöhnen hatte in der ersten Woche etwas von „Big Brother“ … wir sind aus den Schlafanzügen nicht mehr rausgekommen. Aber mit ein paar neuen Leitplanken ist das Familienleben enger und näher geworden. Mit allen Ups & Downs. Wie immer sage ich: „Bitte, das Gute sehen!“ Was wir gerade alle erleben, ist einmalig. Machen wir das Beste draus!


Wie betroffen bist du wirtschaftlich und persönlich?

Als Freiberufler habe ich wegen Corona einige Aufträge verloren. Das tut weh, aber ich darf nicht klagen, denn ich konnte meine Radiosendungen bei WDR 2 und Deutschlandfunk Nova weiter machen. Viele andere Freelancer wurden von heute auf morgen ganz übel, sogar komplett existentiell getroffen. Meine Frau ist Architektin im Bereich „Messe/Events/Kongresse“ bei „A.M. Projektraum“. Da herrscht gerade viel Unsicherheit, aber dennoch auch Spirit und Zuversicht für die Zukunft.

Ich kann erfreulicherweise die neue Podcast-Serie „Alle Rhein!“ von „Düsseldorf Tourismus“ hosten und produzieren. Wir wollten ursprünglich zum 1. April unter dem Titel „Alle Raus!“ an den Start gehen. Eine Idee, die ich mit Nora Will, Thorsten Schaar, Helma Kremer, Ole Friedrich, Thorben Meier und Kevin Reidegeld schon im letzten Jahr gesponnen hatte. Einige Folgen mit prominenten Düsseldorfer*innen, die über ihre Lieblingsorte sprechen, waren schon komplett fertig. Ganz wunderbare Geschichten, aber sie klangen plötzlich wie aus einer Welt, die es nicht mehr gibt. Man hätte das „alles in die Tonne kloppen“ müssen.

Aber das Team von „Düsseldorf Tourismus“ sagte: „Das bewahren wir erstmal auf. Und in der Zwischenzeit erfinden wir das Projekt neu!“ So haben wir angefangen, „Distance“-Gespräche aufzuzeichnen, per Telefon.  Natürlich, es ist einerseits für mich ein Job, der durch Corona erst möglich wurde. Andererseits und vor allem ist es aber ein schönes Projekt, das man irgendwann mal als Chronik dieser besonderen Situation hören kann: Wie sind die Kulturschaffenden in Düsseldorf mit Corona umgegangen? Wie haben sie sich gegenseitig unterstützt und neue Visionen entwickelt? Das hört man in den Folgen, die jetzt schon online und z.Bsp. auf Spotify sind. Sehr inspirierend beispielsweise: Sammy Amara von den Broilers! Und da bin ich dann auch Teil vom „Wir“. Das „Wir“ sind die Kreativen in Düsseldorf, die sich nicht unterkriegen lassen, ebenso das Team von „Düsseldorf Tourismus“, das mutig nach vorne schaut und so ein Projekt möglich macht.


Was hat sich geändert?
Bei der Radioarbeit mache ich die schöne Erfahrung, dass Radio in der Quarantäne wieder eine höhere Wertschätzung bekommt. Ich bekomme so viel Hörerfeedback pro Sendung, wie früher nur einmal im Jahr, als ich noch der „Einsamste DJ der Welt“ bei 1Live an Heiligabend war. Die Menschen hören intensiver zu. Statt Konsum zählt gerade Hingabe.


Was siehst Du als positiven Nebeneffekt bei der Corona-Krise und Quarantäne?
Die sozialen Netzwerke habe ich vor Corona oft als Müllplatz mit Hass, Stimmungsmache, Aktionismus und realitätsferner Selbstinszenierung empfunden. Gerade nehme ich eher eine Flut von positiver Energie, Kreativität und guten Wünschen wahr. Ich weiß, dass auch weiterhin noch viel gezündelt und gehatet wird, aber in der Summe bin ich zuversichtlich, dass auch da gerade frische und gute Luft durchzieht.

Die wichtigste Lektion, die Du in den letzten Wochen gelernt hast?
Dankbar sein für das, was man hat. Wir leben in einem Land, in einer Stadt, in dem / in der von den Verantwortlichen nach Lösungen in dieser schwierigen Zeit gesucht wurde, die besonnen und nicht zu einschränkend sind. Die Einschnitte haben sicherlich vielen Menschen weh getan, aber wir haben es bisher ganz gut hinbekommen und können auf bessere Zeiten vertrauen. Ich habe sehr gute Freunde in London, die beneiden uns um unser Krisenmanagement.

Was fehlt Dir am meisten?
Es ist schade, so viele geliebte Menschen schon so lange nicht mehr gesehen zu haben.

Was denkst Du, wird sich „nach“ Corona ändern? Was können wir aus der Krise mitnehmen?
Ich bin froh, wenn ich nicht mehr als „Der maskierte Mann“ rumlaufen muss, aber ich finde es klasse, wenn ich mit meiner Paranoia doch immer wieder feststelle, dass viele andere Menschen ebenso Rücksicht nehmen und Abstand halten. Viele, die früher ohne jede Rücksicht rumgehustet haben, benehmen sich jetzt besser. Das brauchen wir auch in guten Zeiten. Manieren sind immer gut!

Welcher Lieferservice hat Dich in den letzten Wochen glücklich gemacht?
Ein echtes Erlebnis! Ich war vor etlichen Jahren mal in Vietnam. Und dort in Nha Trang war ich in einem schlichten Restaurant mit Grills am Tisch. Neulich – und das war nun wirklich unser Familien-Highlight der letzten Wochen – haben wir was bei „Ha Nhi“ auf der Derendorfer Straße 100 bestellt. Klar, die Kinder wollten gebratene Nudeln, meine Frau einen Salat. Ich habe mir was vom Holzkohlegrill bestellt. Und es war wie in Vietnam! Der Geschmack, der Geruch, es kam alles nach Hause, war alles wieder da!

In welches Restaurant gehst du als erstes, wenn die Krise vorbei ist?
Sofort und umgehend: La Tosca! So ein spezielles, liebes Team und eine wunderbare, geerdete italienische Küche, die man am ARAG-Platz, an dem es verkehrsmäßig mit am meisten in Düsseldorf lärmt und scheppert, wahrscheinlich nicht vermutet. Insidertipp (falls man Fleisch ok findet): das unschlagbare Wildschweinragout! Mein Freund Erik Ludwig vom „Ufer 8“ hat sich sogar schonmal zwei Portionen bestellt.

Worauf freust Du Dich am meisten, wenn Normalität eingekehrt ist?
Es wird eine andere Normalität geben. Meine Oma (Zwei Weltkriege, Bollerwagen und so …) hat immer gesagt: „Was Du einmal aufgegeben hast, kriegst Du nicht mehr zurück!“ Lasst uns alle miteinander die neue Normalität erschaffen! Wir müssen nicht über jedes Stöckchen springen, das man uns vor die Nase hält. Wir haben in diesen Wochen gelernt, dass es auch langsamer und anders geht. Wir können stolz sein, dass wir gemeinsam gesagt haben: „Wir“ schützen diejenigen, die bedroht sind! Das macht Mut auch in Situationen, die nichts mit Corona zu tun haben und dann andere „Bedrohte“ betreffen. Und das sage ich ganz bewusst und gerne: Wir schaffen das!

Und noch das: ich habe einen Corona-Song, den ich mir jeden Tag anhöre und anschaue … #westayathome … Der baut mich immer wieder auf. Ich freue mich darauf, The Killers mal wieder richtig live zu sehen! Und auf Konzerte von Carpet Waves und Love Machine aus Düsseldorf freue ich mich!

Alles Liebe & Gute! Mike

Vielen Dank!

(c) THE DORF, 2020
Foto: © now68

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