Seit sieben Wochen leben wir „social distancing“ – sieben Wochen, die das Leben in Düsseldorf komplett auf den Kopf gestellt haben. Wir fragen in unserer neuen Serie „SMALL-TALK, CORONA UND SONST SO?“ Düsseldorfer, wie hart sie von der Krise betroffen sind, was sie daraus gelernt haben und worauf sie sich „danach“ am meisten freuen.
Karolina Landowski schreibt als freie Journalistin über Mode, Lifestyle und Gesellschaft, unterrichtet an der AMD und ist Member im Trendboard des Deutsches Mode-Instituts. Als Speakerin hält sie Vorträge über Zeitgeist und Zukunftstrends – umso spannender sind für sie die sozialen Auswirkungen der Corona-Krise.
1-2 Sätze über dich:
Freie Journalistin für Mode, Lifestyle und alle schönen Dinge des Lebens. Trend Consultant und Hundemama. Weltenbummlerin und passionierte Nachdüsseldorfheimkehrerin. Sammelt hübsche Orte und unvergessliche Geschichten. www.karolina-landowski.com
Wie waren die letzten 5 Wochen für Dich?
Erst absolute Panik. Dann der Versuch einer Sortierung. Akzeptanz. Und schließlich innere Ruhe. Es war sehr interessant zu beobachten, wie sich diese Extremsituation phasenweise auf das eigene Seelenleben auswirkt – und natürlich auch auf die Gesellschaft. Für mich als Journalistin, die sich stark mit Zeitgeist auseinandersetzt, waren das auch sehr spannende Wochen. Die globale Gleichzeitigkeit, das kollektive Erleben und die allumfassenden Ausmaße der Pandemie sind beispiellos. Ein historischer Moment. Auf jeden Fall habe ich selten so lange und intensive Telefongespräche geführt. Und sehr viele Gläser Wein auf Facetime getrunken.
Wie betroffen bist du wirtschaftlich und persönlich?
Als Selbstständige fühlte ich mich zunächst extrem verwundbar. Einige meiner Vorträge auf Kongressen wurden natürlich abgesagt oder verschoben, zugesagte Artikel vertagt, einem Kunden droht sogar die Insolvenz. Es sind aber auch neue Projekte dazugekommen. Ich bin wohl ganz gut weggekommen. Im Gegenteil zu Unternehmern habe ich keine hohen Betriebskosten oder gar Verantwortung für Mitarbeiter, bin als Freie breit aufgestellt, anpassungsfähig und flexibel. Da aber vor allem die Modebranche von Corona schwer betroffen ist, werden sich die wirtschaftlichen Auswirkungen auf mich erst in den kommenden Monaten zeigen wenn die neue Saison anläuft. Aber ich habe schon neue kreative Ideen für die Zeit nach Corona entwickelt. Weil ich ohnehin im Homeoffice arbeite und sehr gut alleine sein kann, war die Quarantäne selbst für mich persönlich keine große Herausforderung, sondern eine wertvolle Erfahrung.
Was hat sich geändert?
Ich habe meine Prioritäten neu sortiert. Einen Tag vor dem Lock-Down habe ich Bonnie, einen kleinen Dackelmischling, aus dem Tierschutz adoptiert. Aus dem Kreis Heinsberg. Und mir so einen lang gehegten Wunsch erfüllt, den ich jahrein jahraus immer wieder verschoben habe – weil ich privat und beruflich sehr viel reise. So wird sich mein Leben auch in Zukunft deutlich beruhigen. Auch weiß ich mein Zuhause mehr denn je zu schätzen. Ich wohne in Oberkassel, das ich oft als ultraposh belächelt und dem ich recht wenig Zeit geschenkt habe. In den letzten Wochen war es mit dem Rhein und seiner fast dörflichen Ruhe der perfekte Rückzugsort für mich. Ich habe meinen Radius radikal verkleinert und war in der ganzen Zeit nur ein einziges Mal auf der anderen Rheinseite – unglaublich! Natur und Idylle: Durch Corona weiß man auch, was einem in Krisenzeiten wirklich wichtig ist – und vor allem wer.
Was siehst Du als positiven Nebeneffekt bei der Corona-Krise und Quarantäne?
Die Entschleunigung. Kein Termindruck, kein Dauerstress, keine Angst mehr, was zu verpassen. Mein Kalender ist zum ersten Mal in meinem Leben komplett blank und nach der ersten Irritation fühlt sich das ziemlich gut an. Auch nach sinnlosem Shoppen ist selbst mir als leidenschaftlichem Konsum-Kid gerade überhaupt nicht. Stattdessen konnte ich die Zeit nutzen, um mich intensiv mit mir selbst zu beschäftigen, Kraft zu tanken und endlich mal kreativ zu sein. Erst dachte ich: Also gut, dann werde ich endlich mal tagelang Netflix-Serien bingen. Geschaut habe ich am Ende nur eine. Mich erfreut auch die neu entdeckte Nostalgie. Freunde legen sich plötzlich wieder Festnetz zu, Brettspiele und Puzzles sind ausverkauft, Autokinos eröffnen und man kauft aus Solidarität beim Laden um die Ecke. Fast schon ein Eskapismus in die Kindheit. Wir haben jetzt die einmalige Chance, das System zu verändern und sozialer zu werden.
Die wichtigste Lektion, die Du in den letzten Wochen gelernt hast?
Demut. Dass mein privilegiertes Leben nicht selbstverständlich ist, sondern in vielerlei Hinsicht too much. Was es bedeutet, im Hier und Jetzt zu leben. Dass ich als völlig verplanter Mensch Planlosigkeit plötzlich als Befreiung empfinde. Dass ich durchaus in der Lage bin, jeden Abend auf der Couch zu sitzen – vor Corona undenkbar. Dass Humor jede noch so schlimme Krise versüßt. Dass man sich nicht dafür schämen muss, mit Klopapier auf der Straße zu spazieren. Und dass man für Best of Bananenbrot die Nüsse vorher karamellisiert! 😉
Was fehlt Dir am meisten?
Reisepläne zu schmieden. Der Flow einer vollen Yogastunde. Spontan einen alten Bekannten auf einer Party zu treffen. Ein dampfendes Veggie Ramen bei Takumi und dann in die Spätvorstellung ins Bambi.
Was denkst Du, wird sich „nach“ Corona ändern? Was können wir aus der Krise mitnehmen?
Wir sollten achtsamer sein im Umgang mit uns und anderen. Unnötigen Stress vermeiden. Weniger, bewusster und möglichst nachhaltiger konsumieren. Und diese schwere Zeit auch als Chance begreifen, alte Strukturen zu hinterfragen. Und am Ende vielleicht doch gestärkt hervor zu gehen. Eines Tages pflegen wir sicher zu sagen: „Wer Corona überstanden hat, für den ist das hier ein Klacks!“ Mich hat es ebenso berührt wie inspiriert, wie kreativ und blitzschnell viele kleine Unternehmen auf die Krise reagiert haben – etwa mit charmanten Lieferservices oder digitalen Musik-Festivals. Das hat eindrucksvoll gezeigt, dass nicht immer alles superprofessionell und perfekt sein muss und wir alle doch nur Menschen sind. Improvisation bleibt auch 2021 cool.
Welcher Lieferservice hat Dich in den letzten Wochen glücklich gemacht?
Der Bioladen und Flaschenpost.
In welches Restaurant gehst du als erstes, wenn die Krise vorbei ist?
Auf eine Salmschnitte in die Brasserie Hülsmann.
Worauf freust Du Dich am meisten, wenn Normalität eingekehrt ist?
Auf jede feste Umarmung.
Vielen Dank!
(c) THE DORF, 2020
Foto: Sabrina Weniger