Review • Open Source Festival 2018

„Ich habe den Tag ohne Sonnenbrand überlebt“– wie viele der 7.000 Open Source Festival Besucher das am Sonntag danach wohl von sich sagen können? Ich stelle eine gewagte Vermutung auf: nur die, die sich wirklich sehr gut eingecremt hatten. Auf meiner Haut zeigen sich jedenfalls leichte rote Striemen und erinnern mich an einen durch und durch perfekten Tag auf der Rennbahn. Zwischen 7.000 sonnenverwöhnt-strahlenden, glücklichen Menschen und vor allem: bei toller Musik.

Gestartet ist das Open Source Festival für mich in diesem Jahr mit einem Déjà-vu-Moment. Als die Blackberries auf der Hauptbühne ihren Song „Flowers Paint The Sky“ spielen, kommt es mir so vor, als hätte mich dieser Refrain schon mal nach einem Open Source Festival als Ohrwurm verfolgt. Und: ich liege nicht falsch. Die Auflösung kommt ein paar Minuten später von Sänger Julian, er erzählt aus dem Jahr 2016: damals haben die Blackberries noch auf der Young Talent Stage gespielt, jetzt eröffnen sie die Hauptbühne. Berechtigt, wie ich finde. Der psychedelische Sound der Band aus Solingen lässt die Zuschauer entspannt in den Festival-Tag gleiten und macht Lust auf mehr.

Direkt um die Ecke auf der Carhartt WIP Stage stehen Arp Frique & Family. Für mich DIE Überraschungs-Entdeckung des Festivals und ganz sicher das Konzert, wo vor der Bühne am schönsten getanzt wurde. Hüften werden geschwungen, Arme in die Luft gerissen und alle lassen sich von dem Funky-Jazzy-Boogie-Sound treiben. Schön!

Danach brauchen die Füße und Beine erstmal eine Pause – also ab auf einen Streifzug durch die Open Squares. Auch in diesem Jahr ist wieder viel zu entdecken: Phallus-Ketten, Seedbombs oder das erste geplante Vinyl-Presswerk Düsseldorfs (https://www.facebook.com/vinylpresswerk). Wir drücken die Daumen, dass es klappt & wir bald Schallplatten made in Düsseldorf kaufen können. Genug Düsseldorfer Acts, die man dort verewigen könnte, gab’s ja schon allein beim Open Source: PONY, John Wayne on Acid, die Wilde Jagd oder Bufiman aka Jan Schulte.

Viele bekannte Gesichter – und das übrigens nicht nur auf den Bühnen. Das Open Source Festival fühlt sich in manchen Momenten an wie ein kleines Familienfest. Bei jedem Spaziergang über die Rennbahn trifft man Menschen, die man kennt. Schnackt ne Runde. Trinkt mal hier ne gemeinsame Limo, isst dann dort erst ein senegalesisches Curry und später ein Eis, um gestärkt weiter zu tanzen.

Die beste Bühnenshow kam in diesem Jahr jedenfalls ganz klar vom Hip-Hop Act Mykki Blanco. „Purer Abriss“, „vollkommen genial!“ oder „was eine übertrieeeeeben-nice Show“. Das Publikum braucht keine Personalpronomen, um zu beschreiben, was dort auf und vor der Carhartt-Bühne passiert. Damit hat Mykki Blanco das Ziel erreicht und die Geschlechtergrenzen zumindest für eine knappe Stunde gesprengt. Wortwörtlich. Volltätowiert, in silbernem Minirock, mit langen schwarzen Clip-On-Extensions springt er über die Bühne und durch das Publikum, räkelt sich auf den Absperrungen, wirft mit Stühlen und reißt sich am Ende symbolisch die Haare vom Kopf. Begeisterung im Publikum über soviel Energie und Nahbarkeit, die sich dann auch durch die Festival-After-Party-Nacht zieht. Denn: Mykki Blanco tanzt einfach weiter – im Salon des Amateurs und im Garten der Kunstakademie. Geiler Mensch!

Einen kleinen Wehmutstropfen hält das Open Source Festival in diesem Jahr für mich aber trotzdem bereit. Als ich das Line Up zum ersten Mal gesehen hatte, war ich total begeistert, dass Cigarettes After Sex spielen werden. Tolle und besondere Musiker. Das wurde auf der Hauptbühne aber leider nur bedingt sichtbar. Dafür, dass die Band aus Brooklyn so wunderschön ruhigen, zurückgelehnt-kuscheligen Ambient Pop spielt, war es im Publikum einfach zu laut und wuselig. Verständlich: bei 28 Grad und strahlendem Sonnenschein will nicht jeder andächtig ruhiger Schmusemusik lauschen, die eben eigentlich besser in ein verdunkeltes Schlafzimmer passt. Trotzdem schade um die Musik, so kam sie nicht richtig zur Geltung und wurde eher zum Hintergrundrauschen.

Andererseits ist das aber ja auch genau das, was das Open Source Festival für viele Besucher ausmacht und ihm seinen besonderen Wert verleiht. Nicht jeder kommt hauptsächlich auf die Rennbahn, um die Konzerte zu hören, sondern eher, um einen schönen Tag im Gesamtpaket zu haben. Dabei entdeckt man vielleicht Musiker, die man toll findet oder hat ein oder zwei Künstler auf die man sich freut, aber: im Mittelpunkt steht eine tolle Zeit zu haben. Und das hat dieses Jahr – bei bombastischem Wetter – wieder perfekt funktioniert. Mit vielen freundlichen Menschen, coolen Kunst-Aktionen und natürlich: leckerem Essen & Trinken. Die Mischung ist das, was das Open Source Festival so beliebt macht und dafür sorgt, dass ich meinen Kalender zücke – denn, dass es weitergeht, steht jetzt schon fest. Am 13. Juli 2019. Also: bis dahin!

Unsere Fotografin Sabrina Weniger hat Nataly, Artist Managerin des Open Source und eine von zwei Inhaberinnen des manko café + workspace begleitet und für Euch einen Blick hinter die Kulissen geworfen.

Text: Meike Glass
Fotos: Sabrina Weniger 
© THE DORF 2018

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