Zum dritten Mal hat THE DORF für ein gemeinsames Projekt mit der Hochschule Düsseldorf (HSD) kooperiert: In diesem Sommersemester sollten die Studierenden der Peter Behrens School of Art am Fachbereich Design der Frage nachgehen „Wie geht Auftragsfotografie?“. Hierfür haben die vier Studentinnen Caroline Weber Larsen, Han-Um Kim, Maja Bings und Victoria Wolff im Kurs des Lehrbeauftragten und Fotografen Hartmut Nägele individuelle Projekte verfolgt, wobei sie unterschiedliche Entdeckungen gemacht haben, die das Dorf mit Fotografien aus einem neuen Blickwinkel zeigen. Sie haben Orte entdeckt, die man vielleicht nicht direkt mit Düsseldorf assoziiert, aber dennoch schöne Geschichten erzählen. Seht selbst!
What‘s hot in the suburbs? – so lautete der Titel der Aufgabenstellung des Dozenten und Fotografen Hartmut Nägele an die Kommunikationsdesignstudierenden des Sommersemesters 2024 am Design Campus der HSD. In seinem Fotografie-Kurs sollten die Teilnehmerinnen angesagte, junge, außergewöhnliche oder ungewöhnliche Cafés, Läden, Bars, Initiativen, Parks, Handwerker:innen, Galerien und ähnliches in den Düsseldorfer Randlagen auffinden und mit selbst erstellten Fotografien dokumentieren. Dabei ging es darum, den Blick auf diejenigen zu werfen, die ausserhalb des Stadtzentrums einzigartige Ideen realisieren und so, die sonst weniger beachteten Stadtteile, lebenswert und besonders machen. Zusätzlich wurden die Bilder mit einem Kurzinterview ergänzt.
Zudem gibt Nägele jedes Jahr eine Lehrveranstaltung zum Thema: „Wie geht Auftragsfotografie?“. Ziel ist es dabei, den Studierenden einen Einblick in die Abläufe, Denk- und Arbeitsweisen der angewandten Fotografie zu geben. Hierzu hat der Kurs für und mit THE DORF, als echter Auftraggeber, das Projekt realisiert und die Kursteilnehmerinnen sind in unterschiedlichen Stadtteilen fündig geworden. Victoria Wolff ist auf das Junge Schauspiel in Rath gestoßen und dokumentiert in ihrem Projekt dessen Arbeit. Neben dem Schloss Benrath hat Düsseldorf noch weitere sehenswerte Schlösser zu bieten, so wie das Schloss Garath. Caroline Weber Larsen spricht im Interview mit der Managerin und Rezeptionistin des Schlosses. Han-Um Kim ist in Eller auf das Oldtimerzentrum Classic Remise gestoßen – ein Traum für wahre Oldtimer-Fans. Wie das Label &LadyMondeGreen aus Stockum aus alter Kleidung sowie anderen Materialien neue Werke herstellt, zeigt Maja Bings. Pick your favourite!
Victoria Wolff: Das Junge Schauspiel – ein Theater zum Miterleben @ Rath
Das Junge Schauspiel liegt am Rande Düsseldorfs und rückt nun in den Fokus. Seit 1993 sitzt es und somit seit mehr als 30 Jahren, im Stadtteil Rath und ist dort fester Bestandteil. Es ist ein Theater, welches zum Erleben und Mitmachen einlädt; es ist ein Ort der Begegnung und des Austauschs, der sich stets den aktuellen Bedürfnissen und Interessen seines Publikums anpasst. Im Interview mit drei Stimmen des Jungen Schauspiels durften wir einen kleinen Einblick hinter die Kulissen gewinnen. Stefan Fischer-Fels, der künstlerischer Leiter des Hauses, Cem Bingöl, ein neuer und aufstrebender Schauspieler am Haus und vier Mitglieder des Jugendbeirates des Jungen Schauspiels, mit drei unterschiedlichen Stimmen, teilen eine gemeinsame Leidenschaft: das Junge Schauspiel.
Was macht das Junge Schauspiel so besonders? Stefan: Das Publikum. Das Junge Schauspiel ist ein Theater für Kinder und Jugendliche. Hier bekommt das junge Publikum Gehör und wir gehen ganz aktiv mit dem Publikum ins Gespräch und lernen verstehen, welche Themen ihm grade wichtig sind, und passen dementsprechend unser Programm an.
Cem: Hier an diesem Haus, wird glaube ich ein anderes Theater gezeigt, als man es erwartet. Es ist ein Kinder- und Jugendtheater, aber die Ernsthaftigkeit wird in den Aufführungen nie aus den Augen verloren und es werden Themen künstlerisch behandelt, bei denen sich die Besucher:innen wirklich angesprochen fühlen.
Jugendbeirat: Hier kommen Leute zusammen und es entsteht ein stetiger Austausch. Wir haben als junge Menschen die Stimme und das Recht, mitzuentscheiden. Theater wird hier von vorneherein ganz anders gedacht, und oft vergessene Themen, wie Inklusion, sind uns sehr wichtig.
Was ist der Unterschied zwischen dem Schauspielhaus am Gustaf-Gründgens-Platz und dem Jungen hier auf der Münsterstraße? Stefan: Die Lage. Vor 30 Jahren hat die Stadt Düsseldorf entschieden, dass Kinder und Jugendliche wichtig genug sind, dass sie eine eigene Bühne bekommen und so entstand das Junge Schauspiel. Damals wurde das Junge Schauspiel an den Rand der Stadt gebracht, da Kinder und Jugendliche einfach nicht so zentral waren, aber heutzutage ist dieses Denken im Wandel. 2025 wechselt das Junge Schauspiel seine Location und zieht an den Düsseldorfer Hauptbahnhof. Dies leitet ein neues Kapitel ein. Abgesehen davon, dass wir nun ein Ort im Wandel sind, sind wir auch nicht so glamourös wie das große Haus und niederschwelliger zugänglich für das Publikum. Wir sind das Theater zum Kennenlernen.
Cem: Wir als Schauspieler:innen sind durch einen komplett anderen Schnitt der Bühnen viel näher am Publikum. Das Junge Schauspiel stellt schnell mehr Nähe her, ist kleiner und auch zwangsloser.
Jugendbeirat: Wir unterscheiden uns programmatisch vom Düsseldorfer Schauspielhaus, hier werden die Inhalte dem Publikum auch leichter zugänglich gemacht. Wir gehen gerne mit dem Publikum ins Nachgespräch und reden über die Aufführungen. Hier gibt es einfach viel mehr Mitmachangebote, das ist uns wichtig.
Wie würdet Ihr das Junge Schauspiel in drei Worten oder Sätzen beschreiben? Stefan: Ich würde sagen mutig, ob in ästhetischer oder thematischer Hinsicht. Hoffnungsgebend und lebensfreudig, da kein Stück nur düster ist und jedes Stück immer etwas Positives vermittelt.
Cem: Authentisch, nahbar und aktuell, da hier auf das Publikum eingegangen wird und sich das Programm immer auf die aktuellen Weltgeschehnisse bezieht und verändert.
Jugendbeirat: Es ist auf jeden Fall ein Begegnungsort für sehr viele Menschen, dazu noch sehr kreativ und vielfälig.
Ist das Junge Schauspiel vielseitig? Stefan: Auf jeden Fall, wir sprechen vier Besucher:innengruppen bei uns an: Kitas, Schulen, Jugendliche und Familien. Daraus resultiert auch, dass wir vier verschiedene Arten der Umsetzung haben und nicht nur einen Spielstil. Wir haben zudem auch ein diverses Ensemble, und die Kommunikation zwischen Schauspieler:innen und Publikum ist auch sehr vielseitig.
Cem: Ja, das junge Schauspiel ist vielseitig, da es aktuelle, moderne und klassische Inszenierungen für jede Altersgruppe ansprechend macht und auf jede Gruppe anders eingeht. Manchmal gibt es Wortwitze, die nur Erwachsene verstehen, hier wird Schauspiel auf mehreren Ebenen gezeigt.
Jugendbeirat: Es ist so vielseitig, wie es nur irgend möglich ist. Im Jungen Schauspiel wird man von Anfang an mitgedacht und Inklusion ist hier kein Tabuthema. Wir sind hier offen für alle und genau das zeigt, wie vielfältig wir sind.
Was würdet Ihr gerne der Leserschaft sagen, möchtet Ihr an etwas appellieren? Stefan: Nehmt Kinder- und Jugendtheater genauso wahr und wichtig, wie das Schauspiel für Erwachsene. Es ist nicht nur für Kinder, sondern für alle und genauso gleichwertig und sollte auch gleichwertig finanziell unterstützt werden.
Cem: Hier gibt es ein anderes Theater als man erwartet und, obwohl es ein Kinder- und Jugendtheater ist, wird die Ernsthaftigkeit der behandelten Themen nie aus den Augen verloren.
Jugendbeirat: Traut Euch hier hinzukommen und mitzumachen, nehmt die Angebote war. Hier ist jede:r willkommen.
Wo ist Euer Lieblingsort im Haus? Stefan: Die Maske und Bühne.
Cem: Die Bühne.
Jugendbeirat: Das Haus an sich.
Das Junge Schauspiel ist ein Ort im Wandel, ein Theater zum Anfassen und Miterleben und ist auf jeden Fall einen Besuch auf der Münsterstraße 446 wert. Erlebt Theater neu!
Fotos & Interview: © Victoria Wolff
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Han-Um Kim: Mika Hahn • Classic Remise @ Eller
In Düsseldorf Eller befindet sich ein Juwel für Liebhaber:innen klassischer Fahrzeuge: die Classic Remise. In einem historischen Ringlokschuppen aus dem Jahr 1930 untergebracht, bietet dieses Oldtimerzentrum auf 19.000 Quadratmetern ein einzigartiges Erlebnis. Mika Hahn, der Center Manager der Classic Remise, spricht mit uns im Interview über die Besonderheiten dieses einzigartigen Ortes, seine persönliche Leidenschaft für Oldtimer und die lebendige Dynamik, die die Classic Remise von einem traditionellen Museum unterscheidet.
Kannst du Dich kurz vorstellen? Mein Name ist Mika Hahn. Ich bin der Center Manager der Classic Remise hier in Düsseldorf.
Was ist die Classic Remise? Die Classic Remise ist ein 19.000 Quadratmeter großes Oldtimerzentrum, das in einem historischen Ringlokschuppen aus dem Jahr 1930 untergebracht ist. Dieser war der größte seiner Art im damaligen Deutschen Reich. Der Schuppen diente ursprünglich als Garage für dampfbetriebene Lokomotiven. Es ist etwas Besonderes, in einem so alten Gebäude zu arbeiten, das behutsam modernisiert wurde. Wo früher die Drehscheibe war, befindet sich heute ein Restaurant.
Ist die Classic Remise ein Museum? Wir sind kein Museum, sondern ein gewerbliches Zentrum für Oldtimer und besondere Fahrzeuge. Da wir kein Museum sind, herrscht hier eine besondere Dynamik. Man kann die Autos hören, riechen und sehen – es ist ein Erlebnis für alle Sinne. Die Fahrzeuge ändern sich täglich, was in einem Museum nicht der Fall wäre. Die Besonderheit dieses Ortes liegt darin, dass er lebendig und dynamisch ist, im Gegensatz zu einem statischen Museum. Hier werden die aktuellen Trends und Wünsche des Marktes widergespiegelt, ähnlich wie in der Mode. Wir haben 30 Firmen im Haus, die alles rund um klassische Mobilität anbieten: Fahrzeughandel, Werkstätten mit hochqualifizierten Handwerkern und vieles mehr.
War die Classic Remise das erste Zentrum dieser Art weltweit? Ja, weltweit. Die erste Classic Remise wurde 2003 in Berlin eröffnet, und 2006 folgte Düsseldorf. Die Düsseldorfer können stolz darauf sein, dass der damalige Oberbürgermeister Erwin sich dafür eingesetzt hat, die Classic Remise hierher zu holen, obwohl es auch andere interessierte Städte gab.
Wie viele Fahrzeuge gibt es in der Classic Remise? Wir haben etwa 350 Fahrzeuge, davon sind ca. 150 Autos im Verkauf, die sich täglich ändern. Etwa 100 Autos sind im Service, inklusive TÜV und Aufbereitung. Zudem gibt es Werkstätten, einen Fernsehsender, einen Sattler und viele weitere Dienstleistungen rund um das Auto. Wir haben auch etwa 100 Glasgaragen für private Fahrzeuge sowie ca. 300 Motorräder, darunter Vespas und Ducatis.
Beschreibe die Classic Remise in drei Worten. Oldtimer, einzigartiges Gebäude, Lifestyle. Die Classic Remise ist nicht nur ein Oldtimerzentrum, sondern ein Ort, an dem der Lifestyle rund um klassische Fahrzeuge gelebt wird.
Warum heißt die Classic Remise „Classic Remise“? „Remise“ ist ein altes Wort für eine Garage oder einen Schuppen, in dem Fahrzeuge abgestellt wurden. Es ist also ein Wortspiel, das den klassischen Charakter unseres Gebäudes betont.
Wie bist Du zur Classic Remise gekommen und Center Manager geworden? Meine Leidenschaft für Oldtimer begann schon in meiner Kindheit. Mein Vater brachte mich in Kontakt mit dieser Welt. Er war Ingenieur und seit der Erfindung des Automobils eng mit diesem verbunden. Diese Leidenschaft wurde schließlich zu meinem Beruf, was ein großes Glück ist.
Was sind Deine persönlichen Erfolge im Bereich Motorsport? Ich bin früher Seitenwagenrennen gefahren und war Europameister. 2008 habe ich als Teammanager das erste finnische Weltmeister-Team gegründet. Zuvor war ich selbst Fahrer und konnte diese Leidenschaft in meiner Karriere fortführen.
Würdest Du die Classic Remise als Dein kleines Paradies bezeichnen? Ja, auf jeden Fall. Es ist ein inspirierender und kreativer Ort, der Menschen aus der ganzen Welt anzieht.
Hast Du ein Lieblingsauto in der Classic Remise? Es wäre falsch, ein einzelnes Auto hervorzuheben, da die Vielfalt hier das Besondere ist. Wir haben Fahrzeuge von Alfa Romeo bis Zagato, und die Sammlung ändert sich ständig. Es sind oft die Geschichten hinter den Autos, die sie so besonders machen, wie zum Beispiel das erste Auto von Barack Obama, ein unscheinbarer schwarzer Jeep mit einer faszinierenden Geschichte.
Kannst Du uns von einem speziellen Fahrzeug erzählen, das Dich besonders beeindruckt? Ein Fahrzeug von 1986, der erste Van Europas, der Renault Espace. Es ist wie eine Zeitmaschine, ausgestattet mit historischen Gegenständen und Erinnerungsstücken aus den 80er Jahren. Dieses Auto vermittelt ein einzigartiges Gefühl der damaligen Zeit.
Welche Art von Menschen besuchen die Classic Remise? Hier treffen sich Menschen mit echter Leidenschaft für besondere Fahrzeuge, keine Angeber. Zum Beispiel treffen sich seit 2006 die VW-Käfer-Freunde regelmäßig bei uns und veranstalten große Events. Die Classic Remise ist weit mehr als nur ein Zentrum für klassische Fahrzeuge. Sie ist ein lebendiger Ort voller Geschichte und Geschichten, ein Treffpunkt für Enthusiasten und ein Symbol für die Leidenschaft, die diese besonderen Fahrzeuge in uns allen wecken.
Mika Hahns Engagement und Begeisterung für die Classic Remise sind ansteckend und machen deutlich, warum dieser Ort nicht nur für Düsseldorfer, sondern für Besucher:innen aus aller Welt so besonders ist. Ein Besuch in der Classic Remise verspricht ein Erlebnis für alle Sinne und einen Einblick in die faszinierende Welt der Oldtimer.
Fotos & Interview: © Han-Um Kim
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Caroline Weber Larsen: The Castle That’s Waiting – Schloss Garath @ Garath
Das Schloss Garath ist ein versteckter Juwel am Rande der Stadt. Hier finden allerlei Veranstaltungen statt von Hochzeiten bis hinzu Firmenveranstaltungen und Produktlaunches. Eine, die das Schloss sehr gut kennt und lieben gelernt hat, ist die Managerin und Rezeptionistin Liliane Hofmann. Im Interview erzählt sie uns mehr über das historische Gebäude, ihre Arbeit Vorort und wo sie die Zukunft des Schlosses sieht.
Erzähl uns etwas über Dich. Mein Name ist Liliane Hofmann, Managerin und Rezeptionistin am Schloss Garath. Ich bin Mitte dreißig und arbeite seit 12 Jahren hier. Es ist mein Traumjob, weil er sehr abwechslungsreich ist. Jeder Tag ist anders: man weiß nicht, wer durch die Tür kommt, wer anruft, was ein Unternehmen von einem möchte. Jede Hochzeit, jedes Shooting, dass hier im Schloss stattfindet, ist nie gleich.
Was ist Dein Hintergrund, bevor Du hierher gekommen bist? Ich habe so viel gemacht. Ich bin zur Schule gegangen und habe dann Chinesisch in Köln studiert, aber habe dann herausgefunden, dass das nicht mein Ding ist. Also habe ich aufgehört und dann war ich ein Jahr lang bei McDonald’s. Dort haben mir die vielen Kulturen und die Leute gefallen, die dort hinkommen sind. Aber wenn man das ein Jahr lang macht, kennst du alles, weil es jeden Tag das Gleiche ist. Also habe ich stattdessen drei Jahre lang eine Ausbildung im Marketing im Schloss Elbroich gemacht. Dort war ich sehr gut vernetzt mit der Person, die an der Rezeption saß. Ich habe ihr erzählt, dass ich unzufrieden sei, und den Job wechseln möchte, und sie sagte, dass die Frau in Garath aufhören würde und fragte, ob ich ihre Stelle haben wolle. Und hier bin ich nun, zwölf Jahre später.
Was glaubst Du, was dieser Ort zu bieten hat? Was ist das Besondere an dem Schloss? Das Schloss hat eine Seele. Die Menschen, die hierher kommen, spüren die Magie. Es ist kein typisches Geschäftsbüro. Ich bekomme eine Gänsehaut, wenn ich das erzähle. Man hat den Frieden und die Ruhe, die man normalerweise in Düsseldorf nicht hat. Manchmal sehe ich das nicht, weil es mein Arbeitsplatz ist. Aber wenn die Leute reinkommen und sagen, dass sie es spüren, dann spüre ich es wieder und sage: „Ja, und ich bin sehr glücklich, hier zu sein“.
Was ist Deine Lieblingsgeschichte von diesem Ort? Da gibt es so viele. Vor 10 Jahren habe ich hier jedes Wochenende bei Hochzeiten gearbeitet. Bei einer Hochzeit – es war 12 Uhr – und weißt Du, in jeder Gruppe von Leuten sieht man eine Frau, die die Aufmerksamkeit auf sich zieht. Sie kam zu mir und bat mich um ein Papier und einen Stift. Dann schrieb sie ihren Namen und ihre Nummer auf und sagte, dass jemand kommen würde um es abzuholen. Eine halbe Stunde später kam ein Mann herein, der etwas suchte. Ich fragte ihn, ob ich ihm helfen könne. Er fragte, ob jemand ein Stück Papier hinterlassen hat. Später, um 2 Uhr nachts, hörte ich ein „Schatz?! Können wir nach Hause gehen?“, und ich schaute auf und sah denselben Mann, aber diesmal mit einer anderen Frau! Ich schaute ihn an, und er machte nur ein „Pst“ zu mir. Das Hochzeitspaar sagte am Montag danach, dass es sehr typisch für ihn sei. Das war sehr witzig, aber ich glaube, solche Geschichten sind ganz normal, wenn man nachts arbeitet oder wenn die Leute Alkohol getrunken haben.
Ich liebe die vielen Unternehmen, die hierher kommen und ich einen Einblick in einige der Strukturen der Unternehmen bekomme. Ich erlebe alle Vor- und Nachteile: Ich habe Leute, die mich anschreien, weil sie unzufrieden sind. Aber meine Leidenschaft ist es, weiterzumachen und ihnen zu helfen, ihr Verhalten stattdessen zu ändern, so dass sie glücklicher gehen, als sie gekommen sind.
Gibt es irgendwelche Stellen in diesem Gebäude, die Deiner Meinung nach besonders sind oder hervorstechen? Der große rote Raum. Denn wenn man da drin steht und ganz leise ist, hört man manchmal, was dort passiert ist. Ich weiß, es ist sehr spirituell, aber ich glaube, das liegt daran, dass es ein altes Gebäude ist. Die Energie oder die Dinge, die hier passiert sind, sind in den Wänden. Mir gefällt auch die Frontansicht des Schlosses und dass nicht viele Leute in Düsseldorf dieses Schloss kennen. Wenn sie also hierher kommen, sind sie immer überrascht. Es ist ein versteckter Juwel.
Wenn Du diesen Ort mit drei Worten beschreiben müsstest, welche wären es? Magie. Seele. Beeindruckend.
Was sind Deine Träume und Hoffnungen für diesen Ort? Dass er populärer wird. Vielleicht ein paar neue Projekte? Der Besitzer dieses Schlosses hat eine Privatuniversität, und ich hoffe, dass in ein paar Jahren, das Schloss von weniger Privatleuten gemietet wird, und vielleicht mehr als Universität fungiert, denn wir befinden uns im Wandel. Vielleicht noch ein paar Filmaufnahmen. Wir hatten einige Filmaufnahmen für diesen großen Film namens Stromberg in Deutschland. Das ist sehr lustig. Ich möchte neue Dinge ausprobieren, aber ich spreche auch sehr gerne mit den Unternehmen.
Welche Art von Veranstaltungen finden hier statt? Sind es nur Hochzeiten? Es sind Konferenzen, Hochzeiten, Fotoshootings und Filmaufnahmen. Taufpartys werden hier auch abgehalten, nachdem die Leute in der Kirche waren. Manchmal auch Geburtstage und Firmenveranstaltungen, wie Einführungspartys für z.B. Parfums oder Mascaras. Die Parfüm-Party war wirklich sehr schön. Sie haben den roten Teppich im ganzen Schloss ausgerollt, alles in Schwarz gehalten und schwarzes Holz aufgestellt. Man hatte das Gefühl, das Schloss sei ein ganz anderer Ort.
Wie würdest Du dich in fünf Worten beschreiben? Positiv, dankbar, spirituell, lösungsorientiert, Gedankenleser.
Was kann bei diesem Job eine Herausforderung sein? Ich treffe so viele Menschen an einem Tag. Die Leute, die im Supermarkt arbeiten, werden das verstehen. Es gibt so viele Gefühle und Verhaltensweisen, die mit den eigenen nicht vereinbar sind und manchmal ist es schwierig, die Dinge nicht persönlich zu nehmen. Denn es kommt oft vor, dass Menschen wütend oder unzufrieden sind, obwohl es nicht an mir liegt. Ich habe lange gebraucht, um das zu verstehen.
Gibt es etwas, was Dich bei diesem Job überrascht hat, worauf Du nicht vorbereitet warst? Man arbeitet sehr viel, weil es ein Empfang ist. Natürlich kann man etwas essen oder eine Zigarette rauchen, aber man muss die ganze Zeit präsent sein. Wenn also das Telefon klingelt, muss man es annehmen. Es kann 2 bis 3 Stunden stressig sein, dann ist vielleicht nichts mehr los und dann wird es wieder stressig. Es kommt in Wellen. Man muss ruhig bleiben, und das ist mein größte Heruasforderung, denn manchmal können es zu viele Leute gleichzeitig sein und man muss vier Dinge auf einmal tun.
Haben Sie irgendwelche Veranstaltungen in Planung? Wir haben hier Konzerte, von einer Firma namens Fever Up. Sie veranstalten Candlelight-Konzerte für die Öffentlichkeit mit Tausenden von LED-Kerzenlichtern. Sie sind zwei bis dreimal im Monat hier, und das ist sehr schön. Persönlich finde ich wäre es schön Weihnachtsmärkte hier zu haben oder Märkte mit alten, antiken Möbeln, die Privatpersonen verkaufen könnten. Vielleicht ein paar Open Dinners oder magische Abendessen? Etwas, das eben Besonderes ist. Das könnte auch eine Wein- oder Cocktail-Tasting sein. Ich habe viele Ideen!
Fotos & Interview: © Caroline Weber Larsen
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Maja Bings: „Your trash is my treasure“ – Wertschätzen statt wegwerfen • &LadyMondegreen @ Stockum
Natalie Tönnis verwandelt unter ihrem Label &LadyMondegreen abgelegte Kleidungsstücke und andere Materialien in kunstvolle Unikate mit dem Ziel, die Müllberge der „Fast Fashion“ Industrie zu reduzieren. Dafür hat Maja die Inhaberin in ihrem Atelier in Stockum besucht.
Verlängerst Du das Leben eines Kleidungsstückes oder gibst Du ihm ein neues Leben? Beides. Das kann man gar nicht so voneinander trennen. Beim Verlängern sind das eher Reparaturen, wo das Stück länger tragbar und im Kreislauf bleibt. Beim Umgestalten gebe ich ihm ein neues Leben, aber gleichzeitig wird das Leben auch verlängert. Upcycling ist für mich auf jeden Fall beides.
Woher kommen Deine Inspirationen? Von den Materialien selbst. Kleidung, die nicht mehr gewollt ist oder Sperrmüll, bei dem ich kaum daran vorbeifahren kann, ohne zu schauen, ob da nicht doch noch was dabei ist. Beim Repurposing gebe ich den Materialien einen neuen Sinn. Sachen auch mal umzudrehen, zum Beispiel ein Herrenjackett auf links drehen, um auch mal den schönen Futterstoff sichtbar zu machen. Ich bin auch eher eine Macherin als eine Designerin. Das umsetzten und das Unmögliche möglich machen, macht mir eigentlich am meisten Spaß.
Siehst Du Deine Arbeit als Berufung? Auf jeden Fall. Nach meinen Ausbildungen zur Schneider- und Schnitttechnikerin hätte ich zwar auch Design studieren können, wusste aber schon immer, dass es spannender ist, etwas schon Bestehendes zu verbessern, zu optimieren, schöner zu machen oder zu retten. Das hat sich wie ein roter Faden durch die letzten 40 Jahre meines Lebens gezogen. Mein erstes Upcyclingteil entstand aus den Überresten eines Fußbodenbelags aus meinem alten Zimmer. Daraus habe ich mit einem Teppichmesser so einen kratzigen 80er Gürtel mit Glitzersteinen zusammengeschnitten. Meine Eltern haben auch nie etwas weggeschmissen, halt typische Nachkriegsgeneration. Das Nähen hat mir meine Mutter beigebracht und das handwerkliche mein Vater. Ich wuchs also damit schon auf. Aus alten Sachen, die man eigentlich wegwerfen würde, etwas Neues zu erfinden, war einfach selbstverständlich für mich.
Du hast fürs San Francisco Ballett und am Broadway gearbeitet. Warum bist Du wieder zurück nach Düsseldorf gekommen? Als ich mit meinem Mann und meinen drei Kindern wieder nach Deutschland ging, war Düsseldorf einfach ein guter Startpunkt für uns alle. Es hat jedoch lange gedauert, mich hier wirklich wohlzufühlen, Fuß zu fassen und die Stadt zu entdecken für das, was sie ist. Nämlich nicht nur das, was man von außen oft oberflächlich sieht, wie die Kö und das ganze Geld. Düsseldorf hat eigentlich so viel zu bieten an Kultur und Subkultur. Das ist alles so facettenreich und vielschichtig, dass ich das Gefühl bekomme, noch lange nicht alles zu kennen.
Und dann hast Du Stockum für Dich entdeckt? Ich bin total happy, dieses superschöne Atelier in Stockum gefunden zu haben und hoffe, dass es auch noch lange erhalten bleibt. Es ist wirklich eine kleine Oase. Wenn ich hier bin, verlasse ich das Atelier aber recht wenig und konzentriere mich auf die Arbeit. Manchmal gehe ich mit dem Hund im Nordpark spazieren. Viel Laufkundschaft gibt es hier nicht, aber das kann sich ja noch ändern. Ich habe mir eigentlich immer gesagt, nicht dahin zu gehen, wo alle anderen sind, weil ich es schaffen will, dass die Leute mich auch so finden. Die Ecke hier gefällt mir einfach, es ist auf dem Weg in die Stadt, nah am Rhein, und man kann in Ruhe arbeiten.
Woran hast Du gemerkt, dass ein normaler Job in der Modeindustrie nicht in Frage kommt? Damals dachte ich, dass es schon so viele gute Designer:innen gibt und hatte das Gefühl, dass da noch ein anderer Weg für mich möglich sein muss. Dann habe ich erstmal in der Theater- und Showbranche rumgeschnüffelt, wo ich zwar viel lernte, mich aber auch nicht ganz zuhause fühlte. In der Modebranche nimmt man sich oft viel zu ernst und diskutiert über so unrelevante Sachen. Am besten bin ich da aufgehoben, wo ich meine Kreativität an Sachen anwenden und ausprobieren kann, die es schon gibt. Irgendwie bin ich dann auch immer wieder dahin zurückgekommen.
Kannst Du einen Satz zur Zukunft der Modeindustrie sagen? Die Modeindustrie hat sich so lange in eine Richtung entwickelt, dass es noch sehr lange dauern wird, bis sich die grundlegende Einstellung und das Konsumverhalten ändern wird. Damit das schneller geht, müssen einfach mehr Leute besser informiert und begeistert werden. Außerdem muss es klarere Regulierungen geben. In Düsseldorf speziell könnte es definitiv mehr Unterstützung und ernst gemeinte Förderungen für kleine nachhaltige Designer:innen und Unternehmen geben und dies nicht nur punktuell.
Hast Du manchmal Angst, dass sich da gar nichts mehr ändern wird? Ja, oft schaue ich mir das an und denke, oh wie soll ich das nur hier mit meinen Einzelteilen schaffen. Dann sehe ich aber, durch das Netzwerken in Düsseldorf – hier gibt es eine recht gute Scene, was das angeht – dass ich damit nicht allein bin. Und es doch auch lokal so viele Menschen gibt, die sich für mehr Nachhaltigkeit einsetzten. Trotzdem muss man darauf achten, dass man damit nicht in der Sustainability Bubble stecken bleibt, wo man nicht die breiten Massen erreicht. Das ist natürlich mühsam, weil man immer überall sein muss, wo etwas stattfindet, damit man gesehen wird und damit man sich auch nicht um sich selbst dreht. Und jetzt noch ein letzter Satz: Nicht aufgeben, die Hoffnung nicht verlieren, sein Wissen weitergeben und nach vorne schauen.
Fotos & Interview: © Maja Bings
(c) THE DORF, 2024
Text: Adesuwa Börckel
Fotos: siehe Bildbeschreibung