Work in Progress. Gespräche über Arbeit von Leonie Pfennig und Luise Pilz

Leonie Pfennig ist eine der Gründer*innen von And She Was Like: BÄM! – eine queer-feministische Initiative, die im Bereich Kunst und Design agiert und sich mit Formaten und Veranstaltungen zu (Selbst-)Bildung und Austausch für Selbstbestimmung, Gleichberechtigung und Solidarität einsetzt. Jetzt erscheint Leonies neueste Publikation: „Work in Progress. Gespräche über Arbeit“, die zwölf Frauen aus der Kunstszene in Nordrhein-Westfalen in Gesprächen vorstellt. Wir sprachen mit Leonie Pfenning über ihr neues, wichtiges Projekt.

Am Anfang des Projekts, das Leonie Pfennig und Luise Pilz für And She Was Like: BÄM! herausgeben, stand die Frage, wie sich die künstlerische, kreative, kulturelle Arbeit in der Pandemie verändert – wie können Künstler*innen sichtbar bleiben, wenn Ausstellungen geschlossen und Atelierbesuche nicht möglich sind? Wie arbeitet es sich im (Museums-)Team, wenn alle zu Hause sitzen? Wie lassen sich Care-Arbeit, Kinderbetreuung und (prekäre) Kulturarbeit unter einen Hut bringen?

„Work in Progress. Gespräche über Arbeit“ stellt 12 Frauen aus der Kunstszene im Rheinland anhand von persönlichen Gesprächen und fotografischen Porträts vor. So unterschiedlich die Aufgaben und Arbeitsbereiche der interviewten Personen sind, so ähnlich sind sie doch in den Themen, mit denen sie sich beschäftigen. Es geht um Arbeitsbedingungen und Herausforderungen, die die Kulturarbeit mit sich bringt, persönliche Routinen und deutliche Forderungen an das deutsche System der Kunstförderung und die politischen Entscheidungsträger, die weit über die pandemische Zeit hinausgehen.

Die Publikation zeichnet zwölf sehr unterschiedliche und persönliche Werdegänge von Frauen nach, die sich ihren Handlungsspielraum im Kunstbetrieb auf unterschiedlichste Weise erkämpft haben. Darunter sind Künstler*innen und Kurator*innen, Kunsthistoriker*innen und Projektmanager*innen, Freiberufler*innen und Museumsangestellte. Die Fotografin Nadine Schwickart besuchte die Frauen an ihren Arbeitsplätzen, ob Küchentisch, Atelier oder Büro. Mit dabei sind auch die Düsseldorferinnen Vivien Trommer, Kuratorin an der Kunstsammlung NRW, die Künstlerin Luki von der Gracht und die Galeristin Petra Rinck, außerdem Kuratorinnen, Künstlerinnen, Galeristinnen und Kulturmanagerinnen aus Köln und Düsseldorf.

Wen soll „Work in Progress“ ansprechen? Leonie: „Work in Progress“ stellt zwar Akteur*innen aus der Kunst vor – die Themen, um die es geht, betreffen aber vermutlich alle Menschen, denn irgendeine Form von Arbeit übernimmt wohl jede*r von uns. Ich glaube, dass viele Leute sich in den Gesprächen wiederfinden, gerade wenn es um Erfahrungen aus der Pandemiezeit geht, da mussten wir ja alle einen Umgang mit finden. Und schließlich ist das Magazin bestimmt auch für junge Menschen interessant, die am Anfang ihrer beruflichen Laufbahn stehen oder mittendrin, denn wir sprechen auch über 12 verschiedene Lebenswege und darüber wie jede Interviewpartnerin dahin gekommen ist, wo sie heute steht.

Eure Publikation beschäftigt sich hauptsächlich mit den Veränderungen des Arbeitslebens während Corona und mit den Werdegängen diverser Frauen. Welche Themen liegen Dir abgesehen davon besonders am Herzen? Das Thema der Vereinbarkeit von Leben und Arbeiten beschäftigt mich schon sehr lange. Mein eigenes Leben betreffend, aber auch als ein größeres gesellschaftspolitisches Anliegen. Das war vielleicht auch ein Auslöser, daraus eine Publikation zu machen. Es gibt einen Satz aus dem Gespräch mit Clara Napp in der Publikation, der mir sehr hängen geblieben ist, weil er für so viele Lebensbereiche gilt: „Wem möchte ich eigentlich meine Zeit schenken?“ Ich glaube, wenn wir uns alle diese Frage regelmäßig stellen würden, ginge es uns so viel besser!

Ist eine weitere Publikation geplant? Work in Progress ist die dritte Publikation, die wir über BÄM! publiziert haben. Ich liebe die Arbeit an und mit Publikationen, ich würde super gerne noch eine machen. Am Ende ist es immer eine Frage von Finanzierung. Wir sind ja kein Verlag, der damit Geld verdient, sondern ein gemeinnützig und meist ehrenamtlich agierender Verein.

Welche Erfahrungen hast Du selbst mit geschlechterbasierter Ungleichheit und Diskriminierung gemacht? Das sind eher kleine alltägliche Situationen, die einem erst im Nachhinein auffallen und die strukturell bedingt sind, als einschlägige persönliche Erfahrungen. Ich denke da an Honorarverhandlungen oder bestimmte Gespräche, bei denen ich mich hinterher gefragt habe: „Moment mal, würdest du das einen Mann jetzt auch fragen?“

Was wäre eine praktische Sache, die jede*r im Alltag machen kann, um FLINTA-Personen zu supporten? Check your privileges! Ein Beispiel: Wenn du als weißer cis-Mann zu einer Veranstaltung oder Gesprächsrunde eingeladen bist, erkundige dich nach den anderen eingeladenen Gästen. Huch, noch vier andere Typen und eine Frau? Sag es ab und mach deinen Platz frei für eine Kolleg*in und sprich die Veranstalter darauf an. Veränderung und Teilhabe passieren, wenn das Bewusstsein für den Missstand geschärft wird, stetig und konsequent

Was wünschst Du Dir für die Zukunft von Frauen? Ich würde das gerne erweitern auf die Zukunft aller Geschlechter. Ich wünsche mir, dass wir irgendwann nicht mehr über gleiche Rechte für alle reden und sie fordern müssen, sondern sie gegeben sind. Das geht aber nur, wenn wir das patriarchale System überwinden, denn das schadet auf Dauer allen Menschen – auch Männern.

Vielen Dank!

Hinter der Organisation BÄM! stehen die Gründer*innen Leonie Pfennig, Yvonne Rundio, Lisa Pommerenke, Lisa Long und Luise Pilz. Sie alle haben ein gemeinsames Ziel: Frauen dazu ermutigen, ihren eigenen Weg zu gehen. BÄM! richtet sich an FLINTA (Frauen, Lesben, intergeschlechtliche, nichtbinäre, trans und agender Personen), also an Menschen, die Erfahrungen basierend auf geschlechterbasierten Ungleichheitsverhältnissen gemacht haben. www.andshewaslikebam.de

„WORK IN PROGRESS. GESPRÄCHE ÜBER ARBEIT“
Text & Redaktion: Leonie Pfennig & Luise Pilz, Gestaltung: Olga Funk

Preis: 22 Euro (zzgl. Versand), für BÄM! Mitglieder 20 Euro
Bestellungen hier und unter bestellung@andshewaslikebam.de
Erhältlich in Düsseldorf bei Walther König in der Kunstsammlung K20 und K21 sowie in Köln bei funk Magazine

(c) THE DORF, 2023
Interview & Text: Valentina Görke/Tina Husemann
Fotos: And She Was Like: BÄM! / Nadine Schwickart

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