Katharina Kucher und Isa Köhler

Katharina Kucher und Isa Köhler, Leitung der internationalen tanzmesse nrw - Foto: Daniel Hofer

Erstmals seit der Coronapandemie findet wieder die internationale tanzmesse nrw statt und versammelt vom 31. August bis 3. September weltberühmte Künstler*innen und Tanzschaffende aus mehr als 45 Ländern in Düsseldorf. Gemeinsam mit Kurator*innen aus Uruguay, Mozambik, Polen und Großbritannien haben die Co-Leiterinnen Katharina Kucher und Isa Köhler aus 800 Einreichungen das Programm zusammengestellt. THE DORF hat die beiden zum Gespräch getroffen. Sie gaben uns einen Einblick hinter die Kulissen, sprechen von Inklusion und Vielfalt auf der Tanzfläche und erklären, was Tanz auf gesellschaftlicher und soziokultureller Ebene erschaffen kann.

Bitte stellt Euch kurz vor: Wer seid Ihr und in welchen Bereichen seid Ihr tätig?
Wir sind Isa Köhler und Katharina Kucher. Im Sommer 2022 haben wir die Co-Leitung der internationalen tanzmesse nrw übernommen. Wir arbeiten ganz bewusst als Tandem und gestalten die Tanzmesse zusammen. Somit tragen wir gemeinsam die Verantwortung sowohl für die künstlerische Ausrichtung der Tanzmesse als auch für alle organisatorischen und finanziellen Belange. Bereits vor der Tanzmesse haben wir für das Festival Tanz im August am HAU Hebbel am Ufer zusammengearbeitet und sind mit Begeisterung im zeitgenössischen Tanz international tätig. 

Was macht die 14. tanzmesse nrw aus und was erwartet das Publikum in diesem Jahr?
Die Tanzmesse ist ein Treffen der internationalen Szene des zeitgenössischen Tanzes. Ein Großteil unseres Programms richtet sich an Profis, die auf und hinter der Bühne tätig sind. Wir möchten aber auch das lokale Publikum in Düsseldorf und Umgebung ansprechen und öffnen ein Drittel des Aufführungsprogramm für den freien Verkauf. Nach über zwei Jahren, die wir global nun mit der COVID-19 Pandemie leben, konnten viele Choreograf:innen aus dem Ausland ihre Werke aufgrund der beschränkten Reisebestimmungen nicht in Nordrhein-Westfalen zeigen. Insbesondere Kompanien, die nicht in Europa ansässig sind, war es bis vor Kurzem unmöglich hier aufzutreten. Insofern kann sich das Publikum umso mehr auf Tanzstücke aus verschiedenen Ländern der Welt freuen und einen Einblick in das aktuelle globale Tanzgeschehen bekommen. Neu ist ein digitales Programm im Rahmen dessen wir vier künstlerische Arbeiten zeigen, die man über den eigenen Web-Browser betritt und somit von überall erleben kann, wo es eine stabile Internetverbindung gibt.

Wonach habt Ihr bei der Auswahl der Programmpunkte Ausschau gehalten?
Für die Auswahl des Programms haben wir eine internationale Jury zusammengestellt. Unsere vier Jurymitglieder Julia Asperska, Dan Daw, Quito Tembe und Natacha Melo leben in Polen, Großbritannien bzw. Australien, Mosambik und Uruguay und haben ihre jeweiligen Perspektiven in den Auswahlprozess eingebracht. Das entscheidende Kriterium für die Auswahl des Programms war die künstlerische Qualität der Werke. Wir haben uns außerdem auf Programmrichtlinien verständigt, um ein möglichst breites Programm zusammenzustellen, das einen vielfältigen Einblick in die internationale Szene bietet. Uns ist es wichtig, Künstler:innen verschiedener Geschlechter, Altersgruppen, Fähigkeiten und Herkunft im Programm zu zeigen. Ebenso haben wir auf eine geografische Streuung geachtet und eine Ausgewogenheit zwischen aufstrebenden, mittleren und etablierten Künstler:innen im Blick behalten. Vom Solo bis zum großen Gruppenstück ist alles dabei. 

Wie hat sich die tanzmesse nrw in den letzten Jahren entwickelt?
Die Tanzmesse besteht seit fast 30 Jahren und ist weltweit nach wie vor die einzige Veranstaltung, die jenseits großer Tanzfestivals die internationalen Tanzschaffenden zusammenbringt. In den Anfangsjahren stand vor allem im Vordergrund, das internationale Touring von Kompanien voranzutreiben und durch das Knüpfen neuer Kontakte Gastspiele zu akquirieren. Dieser Aspekt ist weiterhin wichtig, da über die Präsentation internationaler Gastspiele auch weitere kulturelle Begegnungen und Erfahrungsräume über die Kunst hinaus geschaffen werden. Noch wichtiger ist uns der Austausch unter den Tanzschaffenden geworden – ästhetische Entwicklungen zu verfolgen, gemeinsam Themen zu diskutieren, die viele Tanzschaffende weltweit beschäftigen, andere Expertisen zu sehen und zu hören und neue Kontakte zu knüpfen. Die Vielfalt der internationalen Tanzszene wird auf der Tanzmesse besonders spürbar, da in den vier Tagen weit über 1.500 Profis zusammenkommen.

Viele Programmpunkte der tanzmesse nrw 2022 nehmen Bezug auf Körperlichkeit und Repräsentation. Dabei stehen Menschen mit und ohne Behinderung im Fokus. Welche Bedeutung hat dieses Thema für die tanzmesse und die Tanzszene im Allgemeinen?
Über die vergangenen Jahre hat sich insbesondere im zeitgenössischen Tanz der Blick auf die Körper und Menschen auf der Bühne verändert. Die Diversität von Geschlechtern, Alter, Biografien, Körperformen sowie behinderte und nicht-behinderte Kulturschaffende sind Teil unserer Gesellschaft. Diese Vielfalt und unterschiedlichen Perspektiven gilt es auch auf der Bühne sichtbar zu machen. Zum einen um ein breites Publikum anzusprechen sowie gleichermaßen eigene Perspektiven zu hinterfragen und zu erweitern. Der Tanz sollte kein Elfenbeinturm für Wenige sein. Diese positiven Entwicklungen greifen wir auf und begreifen sie als Selbstverständlichkeit in unserem Programm.

Welche Rolle spielt die Stadt Düsseldorf in Bezug auf Tanz und Performance?
Düsseldorf ist nicht zuletzt durch die jahrelange Arbeit des tanzhaus nrw und auch des FFT sowie durch beeindruckende lokale Choreograf:innen wie z.B. Ben J. Riepe oder Alexandra Waierstall ein wichtiger Standort für den Tanz. Wir freuen uns, dass die Landeshauptstadt Düsseldorf als ein Hauptförderer der Tanzmesse den Tanz als wichtige Säule der Kultur begreift und stärkt. Umso wichtiger ist es uns, unser Programm dem Düsseldorfer Publikum zugänglich zu machen und Tanzbegeisterten internationale Gastspiele auf Düsseldorfer Bühnen zu zeigen sowie für ein bisher tanzfernes Publikum Zugänge zum Tanz zu öffnen. Es wird eine kostenfreie Tanzinstallation der Kanadierin Peggy Baker in der Zentralbibliothek geben, zwei Produktionen aus Kanada und Irland, die ebenfalls kostenfrei im Stadtraum stattfinden sowie sieben weitere internationale Gastspiele für die Tickets im freien Verkauf erhältlich sind. In Zukunft würden wir gerne noch mehr Vorstellungen für das lokale Publikum öffnen. Leider fehlen uns bislang dafür größere Spielstätten. Daran arbeiten wir für die nachfolgende Tanzmesse in 2024.

Auf welchen Programmpunkt freut Ihr Euch besonders?
Es gibt in dem umfassenden Programm viele Produktionen, Künstler:innen und Formate auf die wir uns freuen. Eine Auswahl zu treffen fällt schwer. Die Eröffnung der Tanzmesse am letzten Augusttag wird für uns sehr besonders und aufregend sein. Es ist unsere erste Edition und zugleich findet die Tanzmesse erstmals seit der Pandemie wieder statt. Die Tanzmesse mit dem großen internationalen Gastspiel der in Montreal ansässigen kolumbianischen Choreografin Andrea Peña zu eröffnen und dies mit den internationalen Gästen und unserem lokalen Publikum zu feiern, wird sicherlich eins von vielen Highlights unserer viertägigen Veranstaltung.

 14. internationale tanzmesse nrw
31. August bis 3. September 2022
Veranstaltungsorte: NRW Forum, tanzhaus nrw, FFT, Capitol Theater, FREIRAUM, Weltkunstzimmer, Zentralbibliothek, Balletthaus der Deutschen Oper am Rhein, öffentliche Plätze im Stadtraum
Tickets gibt es hier…

www.tanzmesse.com 

Interview: Antonia Lauterborn
Fotos: siehe Bildbeschreibungen
© THE DORF 2022

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