40 JAHRE ELA SELECTED

Sie war Pop- und Rock-Kultur, bevor es in Mode war. Avantgarde, als die meisten noch gar nicht wussten, was das ist. Feministin und Punk, als es noch nicht in Mode war. Ela – jeder der in Düsseldorf in irgendeiner Form mit Mode, Kunst oder Kultur zu tun hat, kennt sie. Sie war nie nur in der Szene – sondern einer der Motoren. Ob Ratinger Hof, Kunstakademie und Joseph Beuys – Gabriela Holscher-Di Marco war ein Teil davon, als Ela. Und ist es bis heute. Denn sie feiert mit ihrem Concept-Store ELA selected in diesem Jahr 40jähriges Jubiläum. Eine absolute Besonderheit, speziell in heutigen Zeiten, wo es der inhabergeführte Einzelhandel nicht leicht hat, gegen die Großen zu bestehen.

Ela war schon immer verrückt nach Mode. Es passierte nicht selten, dass die gelernte Friseurin von den 350 DM, die sie verdiente, 280 DM für Schlangenleder-Cowboystiefel ausgab. Ela arbeitete in jungen Jahren im Breidenbacher Hof. Hier soll sogar Mireille Mathieu ihren berühmten Rundschnitt von ihr verpasst bekommen haben. Und damit wurde wohl einer der unverwechselbarsten Looks der deutschen Musikgeschichte geschaffen.

Ihren ersten Laden eröffnete sie 1977 auf der Gustav-Poensgen-Straße. Ihr Sohn war noch klein, aber das hielt Ela nicht davon ab, das Vintage-Konzept mit dem Schwerpunkt 40er Jahre, Cowboymode und Workwear umzusetzen. So war Ela eine der ersten, die Levis Jeans nach Deutschland brachte. Etwas, das es noch nicht gab. Dieser Mix kam gerade in der Szene der Kunstakademie wunderbar an. So wurde ihr Shop Treffpunkt für Künstler und Musiker. Die Band Kraftwerk findet hier zum Beispiel Hemden und Krawatten für das Cover ihres Albums „Die Mensch-Maschine“ (1978), Die Toten Hosen stellen sich ihre Outfits zusammen, auch die Latzhosen aus dem Musikvideo „Come On Eileen“ der Dexys Midnight Runners Runners (1982) stammen von ELA selected.

Kunst war und ist ein Teil ihres Lebens. Es war und ist das natürliche, logische Umfeld in dem sie sich bewegt.
Ela war jung, schön und mitten drin. Ihre Begegnungen mit Joseph Beuys haben ihr Denken bis heute geprägt. Joseph Beuys entwickelte einen „erweiterten“ Kunstbegriff und erfand die „soziale Plastik“. Zudem machte er Furore mit der Aussage, dass „jeder Mensch ein Künstler“ sei. Als er 1972 von der Kunstakademie flog, bot all das ihm und seinen Meisterschülern noch mehr Raum. Ihr Wirken und Denken prägte eine ganze Generation. Ela war mitten drin und lebte diese Haltung noch heute. Das Fundament für den weltweiten Ruf der Düsseldorfer Kunstszene und Symbiose mit dem Ratinger Hof, ließen eine Szene entstehen, die nur mit dem NY der 80er zu vergleichen ist.

Es waren immer verschiedene Leidenschaften, die Ela antrieben und diesen facettenreichen Mix ergeben. Das eine ging nie ohne das andere. So arbeitete sie in ihrer Boutique schon immer auch mit Künstlern zusammen, veranstaltete Happenings und war Crossover, als es den Begriff noch gar nicht gab. Eng befreundet mit bedeutenden Künstlern aus der Kunstakademie Düsseldorf ist ihr Shop einer der ersten Concept-Stores in Deutschland. Jan Schüler, Frank Bauer und Achim Duchow zeigen ihre Arbeiten im Laden – heute sind die Werke in internationalen Museen zu sehen.

Ab 1989 wurde die Avantgarde ein Thema. Das komplette Konzept veränderte sich und die ersten belgischen Designer waren in Deutschland nur bei Ela zu bekommen. Aber auch deutsche und internationale Designer wie Vivienne Westwood, Hannes Roether, Gaultier, Bernhard Willhelm, Kaviar Gauche und Raf Simons, sowie die limitierte Premium-Linie Levi´s RED sind zu erwähnen. Das Fördern von jungen Designern war und ist heute noch ein großes Thema. ELA ist die erste, die Designer wie Henrik Vibskov oder MM6 Maison Margiela nach Deutschland bringt. Noch junge Labels hatten mit Ela die erste Förderin, die mutig genug war, den Nachwuchs zu vertreten. Elas Gespür für Zeitgeist und Veränderung haben ihren Laden zu einem der international bekanntesten Boutiquen werden lassen. Weltweit haben sich gleichgesinnte und Einzelhändler an ihren Visionen orientiert.

Über verschiedene Stationen landet Ela mit ihrem Konzeptstore am Fürstenplatz, wo sie 25 Jahre bleibt. 2011 verschlägt es ELA selected (nach einem kurzen Gastspiel auf der Hohe Straße in der Carlstadt) nach Unterbilk, auf das ehemalige Fabrikgelände der Liesegang-Projektion. Mit der Werkhalle im aufstrebenden Stadtteil Unterbilk haben Ela Holscher-Di Marco und ihr Mann Antonio den idealen Raum für ihre Vision gefunden. Zur direkten Nachbarschaft gehören Künstler, Designer und Kreative, im Umfeld aber auch Cafés, Restaurants, Galerien und Boutiquen.

„Die Prinzessin vom Fürstenplatz“ (PRINZ Magazin)

2012 kam als logische Konzequenz das eigene Label dazu. Eine Kollektion die durch ihre Haltung „die besten Stoffe und die besten Schnitte“ über den Modetrend hinaus zu „guter“ Kleidung zu machen, aktueller nicht sein kann. Kreis, Quadrat, Dreieck und Kreuz sind die Grundschnitte, auf die sich jedes Teil der Kollektionen von ELA selected zurückführen lässt. Klare geometrische Formen, die klassische Kleidergrößen nicht mehr nötig machen und zum Großteil unisex getragen werden können. Die Stücke sind größtenteils One Size und lassen sich durch Raffungen und Bindungen individuell anpassen. Bei den Materialien liegt der Fokus auf Schwarz in all seinen Schattierungen – und auf einer lückenlos nachhaltigen Produktion in Deutschland.

Auch heute ist Gabriela Holscher-Di Marco ihrem Konzept treu geblieben: So werden Kollektionen etablierter Labels und vieler Nachwuchsdesigner für Damen und Herren exklusiv angeboten. Außerdem Accessoires, Magazine, Parfums, Beauty- und Lifestyle-Produkte sowie Art-Pieces, wie die Kinderstern-Anstecknadeln – einem Charity- Projekt des Künstlers Imi Knoebel.

Kaum ein Mensch ist so sehr Subkultur und Düsseldorf in einem wie Ela. Es ist klar, dass diese Frau ein unendlicher Quell von aufregendem Zeitgeschehen und abenteuerlichen Storys ist. Ein großes Archiv an Bildern aus unterschiedlichen Jahrzehnten dokumentieren Ela und die Zeit aus einem ganz privaten und intimen Blickwinkel. Ob Einblicke ins Privatleben, Fotos von den ersten Road-Trips in die USA auf der Jagd nach original Vintage-Teilen oder Schnappschüssen von Parties und Ausstellungen. Mehr Geschichten, Menschen und Erlebnisse, als eigentlich in ein Leben passen. Von einer Frau, die gelebten Feminismus, Kunst und Chaos, Musik, Kultur und Zeitgeschichte verkörpert. Die schon immer Haltung zu Politik und Gesellschaft gezeigt hat und ein total wildes Leben gelebt hat, ohne selbst wild zu sein.

ELA selected
Volmerswerther Str. 21, 40221 Düsseldorf • Unterbilk

Website: www.ela-selected.com
Social: Instagram

Text: Andrea Grudda, Tina Husemann
Fotografie: Archiv Ela Selected
© THE DORF 2017

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