Postkarten für Corona-Botschaften

Durch Kontaktbeschränkungen, Home Office und geschlossene Begegnungsorte bleibt der Austausch mit anderen Menschen schon seit längerer Zeit auf der Strecke. Der Kommunikationsdesign-Student Robin Paeßens schafft es mit seinem Projekt, Meinungen aus ganz Deutschland wieder in die Öffentlichkeit zu rücken. Auf selbst verschickten Postkarten fragte er die Menschen nach ihren Erlebnissen in der Corona-Krise und veröffentlicht die Antworten jetzt in einem Buch. Im Gespräch mit THE DORF erzählt er von seiner Idee und den Ergebnissen seines Projekts.

Der Beginn der neuen Dekade wird jedem in Erinnerung bleiben. Seit die Welt mit der Pandemie zu kämpfen hat, hat sich vieles verändert: Plätze, an denen es normalerweise vor Menschen wimmelt, sind leergefegt. Geplauder, Kinderlachen und Musik hört man schon lange nicht mehr. Und die beschlossenen Maßnahmen, die wir im Alltag umsetzen, werden von unzähligen Abstandsmarkierungen ergänzt. Wie wirkt sich das auf den einzelnen Menschen aus? 

Diese Frage stellte sich auch Robin Paeßens. Er ist Kommunikationsdesign-Student an der Peter Behrens School of Arts in Düsseldorf und verbrachte die ersten Monate der Pandemie damit, die Veränderungen in der Stadt dokumentarisch mit seiner Kamera festzuhalten. Aus seinen Fotos entwickelte er Postkarten, die er an zufällig ausgewählte Menschen in Deutschland schickte und um persönliche Antworten bat. Damit öffnete er einen Raum für Meinungen und individuelle Wahrnehmungen – und zeigt gleichzeitig die Funktionsweise und Wirkungsmacht von Kommunikationsdesign.

Erzähl uns ein bisschen was über deine Person & deine Arbeit! Ich heiße Robin Paeßens, bin 24 und studiere Kommunikationsdesign im siebten Semester an der Peter Behrens School of Arts. Eine meiner Leidenschaften ist die Dokumentarfotografie.

Das Coronavirus bedroht seit Anfang 2020 die ganze Welt. Aufgrund meines großen Respekts und eigener Unruhe vor dem Virus habe ich die Situation seit ihrem Anfangsstadium in Düsseldorf fotografisch und journalistisch für die Zukunft dokumentiert. Wir alle sind Zeugen dieser ungewöhnlichen und zugleich neuartigen Zeit. Das Virus schränkt die gesamte Gesellschaft in einem Maße ein, wie es bisher noch keine Epidemie zuvor tat. Mund-Nasen-Masken sind in Geschäften und öffentlichen Verkehrsmitteln zur Pflicht geworden und ein in einigen Ländern veranlasstes Einreiseverbot hindert viele Menschen daran, ihre Familie und Freunde zu besuchen.

Wie bist Du auf die Idee für dieses Projekt gekommen? Die Idee ist vor der Vorlesungszeit entstanden und ich habe sie über das Jahr 2020 weiterentwickelt. Es begann mit einer Dokumentation über die Coronazeit. Dazu nahm ich meine kleine, unauffällige Fuji-Cam über Wochen nahezu überall mit hin und dokumentierte ungewöhnliche Situationen wie beispielsweise komplett abgesperrte Spielplätze, leer gekaufte Regale und Monitore ohne eingetragene Flüge am Flughafen. Erst im späteren Verlauf interessierten mich Meinungen und Erlebnisse anderer Bürger*innen, deswegen erstellte ich aus einigen interessanten und prägenden Bildern Ansichtskarten. 

Das Projekt hat sich stetig weiterentwickelt. Letztendlich kam mir die Idee, alles dokumentarisch für uns, aber auch für unsere nachfolgende Generation, in einem Buch festzuhalten. Jeder Bürger in Deutschland sollte die Möglichkeit erhalten, individuelle Erlebnisse aus dieser schweren Zeit zu teilen und an die Öffentlichkeit zu bringen. Es gab dabei keine Beeinflussung durch Fragen oder Richtlinien in Bezug zu dem Inhalt. Dadurch sollten unterschiedliche Resultate folgen. Ich entschied mich für das Medium Ansichtskarte, da ich einerseits damit eine größere Reichweite ansprechen konnte und andererseits die Bestätigung der historischen Zeit durch den Poststempel erhielt. Dafür habe ich etwa 25 Ansichtskarten mit Abbildungen zur aktuellen Lage aus Düsseldorf an mir unbekannte und zufällig ausgewählte deutsche Haushalte verschickt. Die Adressen bekam ich aus dem Telefonbuch. Die Karten verschickte ich mit einer beigefügten kurzen Erklärung. Letztendlich verschickte ich noch einige übriggebliebene Karten an Freunde und Bekannte.

Mit meinem Projekt sollte jeder Bürger die Möglichkeit erhalten, sich zu der Situation frei zu äußern. Damit möchte ich diese Zeit aus verschiedenen Sichten für die nachfolgenden Generationen dokumentarisch festhalten. Des Weiteren möchte ich auch zum Nachdenken anregen, denn es ist ein historisches Ereignis, das Eingriff in unser Leben hat. Zudem hat es jeden Menschen emotional anders belastet.

Wie viele Leute haben sich zurückgemeldet? Welche Arten von Menschen hast Du erreicht? Letztendlich hat sich etwa jede*r dritte Bürger*in zurückgemeldet. Ich war überrascht, wie unterschiedlich die Meinungen und Erfahrungen zur Coronazeit waren. Besonders interessant fand ich die Nachricht einer Malerin aus München, die ihre Corona-Edition erschaffen hat. Ein anderer Bürger hatte wiederum so viel mitzuteilen, dass er seinen Text am Computer schrieb und diesen hinten draufklebte.

Lässt sich aus den zurückgeschickten Karten ein allgemeines Stimmungsbild erkennen? Die Rückmeldungen waren sehr verschieden. Es gab Bürger*innen, die sich sehr eingeschränkt fühlten und Leute, die die bisherige Zeit als Auszeit empfanden. Ich hatte das Gefühl, dass die Leute sich mitteilen wollten.

Welche Antworten haben Dich besonders berührt? Besonders schön fand ich die Mitteilung der Malerin. Ich wünschte, ich hätte die Zeit auch so empfunden wie sie.

Was würdest Du auf eine solche Postkarte schreiben? Vermutlich würde ich auf solch eine Karte schreiben, dass mir der Präsenzunterricht in der Uni fehlt. Aber auch, dass ich mich nicht weiter beklagen kann, denn meine Familie und ich haben die bisherige Zeit gut überstanden. 

Die komplette Dokumentation mit weiteren Interviews aus dem Berufsalltag ist letztendlich zu einem kleinen historischen Buch geworden. Das Buch kann man für 11,50 € bei Robin Paeßens erwerben. Anfragen bitte an mail@coronapostkarten.com

Text: Maren Schüller
Bilder: Robin Paeßens
© THE DORF 2021

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