PINA BENDFELD

Name: Pina Bendfeld
Beruf: Künstlerin, Kuratorin, Autorin, Redakteurin 
Ausbildung:
Curatorial Studies & Bildende Kunst 

Kunst nimmt viele Formen an, die Pina Bendfeld begeistern. Mit der Reihe „The Houses Of The Serpent Bearer“ kuratiert sie Ausstellungen und andere Formate, um die Sinne auf mehreren Ebenen anzusprechen – was auch von ihrer Synästhesie beeinflusst ist. Noch wichtiger aber sind die Begegnungen von Künstler:innen aus unterschiedlichen Disziplinen, die das Unbemerkte und Unerwartete hervorbringen. Diese Aspekte von Dialog, Experiment und Erfahrung beeinflussen verschiedene Lebensbereiche von Pina. Als Chefredakteurin des Kunstmagazins PASSE AVANT gestaltet sie ein Netzwerk, das sich auf den Austausch und die gegenseitige Unterstützung im Kunstbereich konzentriert. Im Rahmen ihres multidisziplinären Ansatzes hat sie in Europa verschiedene künstlerische Studiengänge wie Performance oder Szenografie besucht. Derzeit studiert sie bei Dominique Gonzalez-Foerster und John Morgan an der Kunstakademie Düsseldorf und Curatorial Studies an der Frankfurter Städelschule. Wir sprachen mit Pina während unseres Besuchs der „Serpent Bearer Series“ in Düsseldorf-Flingern.

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Du bist Chefredakteurin des Kunstmagazins PASSE AVANT. Wie ist das Magazin zustande gekommen und welche Agenda verfolgt Ihr? Gegründet wurde das Magazin 2016 von Carina Bukuts und Sonia Knop in Frankfurt. Seitdem hat es sich in seiner Form, der Formation der Mitwirkenden und vielleicht auch in der Fokussierung stetig weiterentwickelt. Als Carina 2021 Kuratorin vom Portikus in Frankfurt wurde, habe ich die Redaktionsleitung mit Ben Livne Weitzman übernommen. PASSE AVANT bietet eine Plattform für junge Künstler:innen, Autor:innen und Kurator:innen. Wir wollen individuelle Stimmen und Schreibstile fördern.

Das kann beim Editing manchmal herausfordernd sein, weil jede Art des Schreibens andere Bewertungskriterien erfordert. Das ist aber auch etwas Schönes. Ich finde diese Flexibilität wichtig, um der Diversität von Kunstwerken und Ausstellungen durch unsere Beiträge gerecht zu werden. Wir haben die Freiheit, keinen universellen Parametern entsprechen zu müssen. Der Status Quo sollte ständig hinterfragt werden; Ist das noch zeitgemäß? Oder ist es nicht interessanter, sich von bestehenden Codes zu lösen und etwas Anderes zu machen?” 

Deswegen habe ich manchmal Schwierigkeiten mit akademischem Schreiben. Die Arbeit behauptet, objektiv zu sein, obwohl sie das gar nicht sein kann. Warum sollte das dann bei Artikeln, die etwas aus einer bestimmten Perspektive betrachten, so sein? Ich finde es viel spannender, die Person dahinter zu fühlen und zu hören. 

Obschon unsere Basis in Frankfurt liegt, sind wir mittlerweile längst nicht nur im Rhein-Main-Gebiet vertreten, sondern haben Autor:innen in ganz Europa – und sogar in New York. Wir verstehen uns als Netzwerk in Form eines Magazins, in dem es um gegenseitige Unterstützung, Diskurs und die Sichtbarmachung junger Akteur:innen des Kunstbetriebs geht.

Du studierst Curatorial Studies an der Frankfurter Städelschule sowie Freie Kunst an der Kunstakademie Düsseldorf und verfolgst sowohl eine künstlerische als auch eine kuratorische Praxis. Was findest Du an den beiden Bereichen und besonders an deren Schnittstelle spannend? Das sind nicht die einzigen Studiengänge, die ich besucht habe. Die Lehre an der HfG in Karlsruhe umfasst bereits einen interdisziplinären Ansatz, da die Seminare für alle Bereiche geöffnet und projektbasiert sind. Insofern liegt der Fokus auf Zusammenarbeit, tendenziell recht frei von Labels, wie „die Kuratorin“ oder „die Grafikdesignerin“. Inspiriert davon, habe ich mir aus verschiedenen Studiengängen immer das gesucht, was mit mir, meinem Interesse und meiner Arbeit zutun hatte. Die strikte Unterteilung in Disziplinen hat in ihrer Eindimensionalität für mich nie funktioniert.

Um das mit einer Shortstory von Ursula Le Guin zu illustrieren; In She Unnames Them nimmt die Erzählerin allen Dingen und Wesen ihre Bezeichnung – und fühlt sich plötzlich viel verbundener mit ihrer Umgebung, weil ihre Identität nicht mehr auf Differenzierung und einschränkenden Kategorien basiert. 

Wie würdest Du Deinen künstlerischen Stil beschreiben? Mit einer Antwort müsste ich mich festlegen – und das kann und möchte ich nicht. Meine Professorin Dominique Gonzalez-Foerster lehnt Wiederholung ab, es soll nur vorwärts gehen. Mir geht es ähnlich, aber ich schaue trotzdem zurück und erkenne Aspekte, die mich interessiert haben und greife sie wieder auf, wenn ihre Zeit gekommen ist. Dabei kann die Form variieren. Manchmal bemerke ich, dass die Quintessenz einer Arbeit in einer anderen Gestalt woanders wieder auftaucht.

Dabei kann die Form eine Ausstellungsreihe, eine Installation, ein Text, ein Sound oder ein Duft (…)  sein. Ich mache das, was sich in dem Moment richtig anfühlt. Wenn man sich als Marke auf dem Kunstmarkt positionieren will, ist es plausibel, den Stil genau zu definieren, aber daran habe ich kein Interesse. Ich lasse mich lieber von mir selbst überraschen.

Welche Orte oder Personen in Düsseldorf inspirieren Dich? Mein Friseur Yoda ist einer der inspirierendsten Menschen, die ich kenne. Es ist ein bisschen klischeehaft, beim Friseur zu sitzen und sich auszutauschen, aber er ist ein wirklich interessanter Mensch mit einem umfangreichen Wissen. Außerdem ist Yoda sehr hilfsbereit, ohne jemals zu erwarten, dass er etwas zurückbekommt. Und so feinsinnig! Als er meine Arbeit zum ersten Mal sah, sagte er: Ich wollte schon immer wissen, was in dir vorgeht – und ich habe das Gefühl, dass ich dem jetzt näher gekommen bin. Er hat sich aufrichtig mit der Arbeit beschäftigt und sie auf wunderschöne Weise analysiert. Außerdem arbeitet er als Designer und mit Musik. Mit diesem multidisziplinären Aspekt kann ich mich sehr gut identifizieren.

Neben Deiner Arbeit an PASSE AVANT und dem Studium bist Du Kuratorin der Reihe „The Houses of The Serpent Bearer.“ Was verbirgt sich dahinter? Wird das Konzept weiter fortgeführt? „The Houses Of The Serpent Bearer“ ist eine nomadische Ausstellungsreihe, die der Logik des astrologischen Zyklus folgt. Demnach ist die Struktur nicht linear, sondern zirkulär; ohne konzeptuelles Ende. Wie beim Ouroboros, der Schlange, die sich selbst in den Schwanz beißt. Es gibt immer ein konstantes Transformieren und Erneuerung. Konzeptionell bezieht sich die Serie auf den Mythos des 13. Sternzeichens, des Schlangenträgers / Serpent Bearer. Er fungiert als symbolischer Leitfaden und steht für das, was wir nicht sehen (wollen) – und uns dennoch beeinflusst. Die Formate variieren und passen sich an, je nachdem, mit wem ich zusammenarbeite und worum es geht. Bisher haben in der Galerie Lucas Hirsch zwei Ausstellungen und eine Deep Listening Session stattgefunden. Es geht vor allem darum, Künstler:innen zusammenzubringen, deren Arbeiten erstaunliche Analogien aufweisen – sowohl formal als auch inhaltlich. Selbst innerhalb der verschiedenen Editionen gibt es Querverbindungen. Doch die Reihe lädt auch zur sinnlichen Rezeption ein. Ein Mysterium statt eines Rätsels – nichts muss rational entschlüsselt werden.

Düsseldorf hat eine lebendige Szene an Künstler:inneninitiativen und Off-Spaces. Mit einem neuen Projekt stellt sich die Frage: “Was kann ich zu dieser bestehenden Szene beitragen? Was ist meine Position?”. Durch meinen vielseitigen Hintergrund und die Verbindung zum internationalen Kunstbetrieb, liegt der Fokus auf Künstler:innen außerhalb von Düsseldorf. Dafür gibt es andere Orte, die einen tollen Job machen. Stattdessen möchte ich Positionen von außerhalb einladen, die andere Diskurse mitbringen und vor Ort etwas Neues anstoßen können. 

Was steht als nächstes an? Es wird weitere Editionen der Serpent-Bearer-Serie geben, zum Beispiel in einer Galerie in Berlin. Für PASSE AVANT arbeiten wir an nachhaltigeren Strukturen und wollen in Zukunft mehr Künstler:innentexte und Kunstbücher publizieren. Ansonsten bin ich offen für alle Möglichkeiten, die sich auf dem Weg bieten. Außerdem habe ich angefangen, Harfe zu spielen – das war immer ein Kindheitstraum. 

Vielen Dank!

English version:

Name: Pina Bendfeld
Profession: Countless
Professional education: Artist, curator, writer, editor

Art takes many forms that excite Pina Bendfeld. With her series “The Houses Of The Serpent Bearer,” she curates exhibitions and other formats to stimulate the senses on several levels — also affected by her synaesthesia. But even more important is the encounter of artists from different disciplines, which unveils the unnoticed and the unexpected. These aspects of dialogue, experiment and experience influence various aspects of Pina’s life. As editor-in-chief of the art magazine PASSE-AVANT, she creates a network that focuses on constructive exchange and mutual support in the arts. Reflecting her multidisciplinary approach, she has explored various artistic study programmes in Europe, like performance or scenography. She is currently studying with Dominique Gonzalez-Foerster and John Morgan at the Kunstakademie Düsseldorf and Curatorial Studies at the Städelschule in Frankfurt.

You are the editor-in-chief of the art magazine PASSE AVANT. How did the magazine come about and what is your agenda? The magazine was founded in 2016 by Carina Bukuts and Sonia Knop in Frankfurt. When Carina became curator of Portikus in Frankfurt, I took over as editor-in-chief with Ben Livne Weitzman. PASSE-AVANT is providing a platform for young artists, writers, and curators. We encourage individual voices and writing styles. That’s why I sometimes struggle with academic writing. The work claims to be objective when it can’t be. How then should articles that review something subjectively be? I find it much more exciting to feel and hear the person behind it.

How would you describe your artistic style? I cannot and don’t want to define that. My professor Dominique Gonzalez-Foerster rejects repetition, things are always in motion. It’s similar for me, but there are interconnections between the different projects. Sometimes the form can be an exhibition series, an installation, a text, a sound piece, or a scent. I do what feels right at that moment. If you want to position yourself as a brand on the art market, it is plausible to define the style precisely, but I have no interest in that. I prefer to be constantly surprised by myself.

Which places or people in Düsseldorf inspire you? My hairdresser Yoda is one of the most inspiring people I know. It’s a bit cliché to sit at the hairdresser’s and share stories, but he is a truly interesting person with such a vast knowledge. Also, Yoda is very supportive without ever expecting to get anything in return. And so sensitive! When he saw my work for the first time, he said: I always wanted to know what’s on your mind – and I feel I’ve come closer to it now. He sincerely engaged with the piece and analysed it beautifully. Also, he works as a designer and with music. I highly identify with this multidisciplinary aspect.

In addition to your work on PASSE-AVANT and your studies, you curate series “The Houses of The Serpent Bearer.” What is behind that? Will the concept continue? “The Houses Of The Serpent Bearer” is a non-linear, nomadic exhibition series following the logics of the astrological cycle. Conceptually, the series refers to the myth of the 13th sign of the zodiac; the Serpent Bearer. It acts as a symbolic guide and stands for that which we do not (want to) see – but which nevertheless influences us. The formats change and adapt depending on who I’m working with and what it’s about. So far, two exhibitions and a deep listening session have taken place at Lucas Hirsch gallery. Above all, it is about bringing together artists whose works show astonishing analogies – both formally and conceptually. Even within the different editions there are interconnections. Nevertheless, the series also has a sensorial approach. A mystery instead of a riddle – nothing needs to be solved.

What’s coming up next? There will be more editions of the Serpent Bearer series, for example in a gallery in Berlin. For PASSE-AVANT, we are working on more sustainable structures and want to include more artist texts and art books in the future. Also, I’m learning to play the harp, a childhood dream come true.

Thank you very much!

Text: Lisa-Marie Dreuw
Photo: Ardelle Schneider
© THE DORF 2023 

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