PLACE INTERNATIONALE 2021

© Jan Lemitz

Die 73 Tage der Commune oder der lange Wellenschlag der Revolution haben begonnen! Seit Anfang September bis zum 2. Oktober erwartet Euch im Rahmen von PLACE INTERNATIONALE des FFT Düsseldorf in der Planwerkstatt 378 und an weiteren Orten im Stadtraum Performances, Installationen, Interventionen, Workshops, Musik, Lesungen und vieles mehr​.

2021 jähren sich nicht nur die Aufstände in den Ländern der arabischen Welt und die Occupy-Bewegung zum zehnten Mal. Vor 150 Jahren wurde im Frühjahr 1871 die Pariser Commune ausgerufen: eine urbane Revolution, bei der Männer, Frauen und Kinder für eine neue Form des Zusammenlebens auf die Barrikaden gingen. Für 73 Tage schufen sie ein Modell der Selbstregierung, auf das sich seither zahlreiche Aufstände weltweit berufen. Wie lässt sich das nicht eingelöste Versprechen eines gemeinschaftlichen, selbstbestimmten Lebens, für das die Commune steht, mit aktuellen globalen Konflikten und Formen des Widerstands in Zusammenhang bringen? Welches Wissen und welche Praktiken stehen denen zur Verfügung, die sich für eine andere Gesellschaft jenseits historischer Vorbilder und fragwürdiger Traditionen einsetzen?

Place Internationale nimmt das Ereignis der Pariser Commune und den bevorstehenden Umzug des FFT zum Anlass für ein international besetztes, mehrteiliges Stadtlabor und fungiert als ein Raum für künstlerische, urbane und aktivistische Praktiken, die die Erinnerung vergangener und die Imagination kommender Aufstände verknüpfen.

„Wir nehmen den Umzug des FFT in seine neuen Räumlichkeiten im KAP1 zum Anlass, um das Theater als öffentlichen Raum und als Aushandlungsort für gesellschaftliche Veränderungen zu befragen, indem wir eine Situation des Austausches über mögliche Formen des Zusammenkommens, der Versammlung, des gemeinsamen Denkens, Sprechens, Arbeitens und Feierns schaffen“, sagt die künstlerische Leiterin und Geschäftsführerin des FFT, Kathrin Tiedemann.

Unter dem Titel „Place Internationale“ lädt das FFT in Zusammenarbeit mit einem kuratorischen Team (Jochen Becker, Jan Lemitz, Klaus Ronneberger) Künstler*innen, Theoretiker*innen und Aktivist*innen sowie alle Interessierten ein, die Räume im KAP1 und die Umgebung im Bahnhofsviertel für eine Dauer von 73 Tagen zu erkunden und zu bearbeiten. Die Ideen und die Geschichte der Pariser Commune, der in den kommenden Wochen gedacht wird, dienen dabei als Folie zur Auseinandersetzung mit den drängenden Fragen der Gegenwart.

Alle Infos und Details zum Programm findet Ihr in unserer Auflistung und unter place-internationale.fft-duesseldorf.de

PROGRAMM & TERMINE

La rue. Debatten, Beschimpfungen und gemeinschaftlicher Luxus

Mittwoch, 8. – Samstag, 11. September 2021
Gintersdorfer/Klaßen

Performance / Showing in der Planwerkstatt 378
Täglich um 18 Uhr

Das Projekt setzt sich mit der Geschichte der Pariser Commune, sowie ihren Echos in der heutigen Zeit, auseinander und übersetzt verschiedene Aspekte davon in Performances für den öffentlichen Raum. Das internationale Team arbeitet dabei u.a. mit Popsongs und Körperbarrikaden – ein Work in Progress, das sich täglich weiterentwickelt. Daraus resultieren auch weitere Zusammenarbeiten mit anderen Teilnehmer*innen von PLACE INTERNATIONALE.

So setzt sich die Gruppe u.a. mit den Unruhen in den Pariser Banlieues und dem Protest der „Gelbwesten“ auseinander. Dies geschieht in Zusammenarbeit mit Guillaume Paoli,  dem Autor von “Soziale Gelbsucht”, der auch sein eigenes Projekt bei PLACE INTERNATIONALE vorstellt.

„Wir glauben, um der Commune in irgendeiner Weise nahe zu kommen, sollten wir unsere Körper in unvoreingenommener, verschwenderischer, vielleicht auch hedonistischer Weise in die Waagschale werfen. Was könnte Kommunität sein? Zum Beispiel: Gemeinsames Denken, gemeinsames Essen, vorbehaltloses Abhängen. Spontanes situatives Zusammenkommen der verschiedenen Disziplinen. Musikmachen, sich Musik vorspielen und tanzen. Das Entstehende nach außen, auf Bühnen oder den Stadtraum tragen. Außerdem und vor allem: da es 1871, wenn wir es richtig verstanden haben, um Selbstermächtigung und Selbstorganisation ging, lasst uns unseren in verschiedener Hinsicht limitierten Zirkel öffnen und um Leute erweitern, die eventuell ohne je von der Pariser Commune gehört zu haben, genau das machen, worum es damals ging: sich Empowern und alternative Formen des Sozialen leben. Aus diesen neuen temporären Gemeinschaften sollte sich das Projekt entwickeln.“

Von und mit Marc Aschenbrenner, Lotte Dohmen, Ted Gaier, Montserrat Gardó Castillo, Petr Hastik, Hauke Heumann, Knut Klaßen, Carlos Martínez.

Gintersdorfer/Klaßen entwickeln seit 2005 Projekte, in denen sie Lebensstrategien und Ausdrucksformen der Darsteller zum Zentrum machen und mit eigenen Strategien und Ästhetiken konfrontieren. Das Team ist deutsch- ivorisch mit internationalen Gästen.

Ted Gaier ist Musiker, Autor und Theater- und Filmemacher sowie Mitbegründer des Musiklabels Buback und Mitglied der Bands Die Goldenen Zitronen, 3 Normal Beatles, Les Robespierres und Schwabinggrad Ballett. Sein letztes Buch „Argumentepanzer“ erschien im Februrar 2020 im Verbrecher Verlag Berlin.

Carlos Martínez ist ein mexikanischer Tänzer und Performer seit 1998 und wurde mit dem National Award als bester männlicher Tänzer ausgezeichnet. Seit 2017 arbeitet er an einem permanentes Forschungsprojekt namens Cobalt Vessel. Seine Kooperationen umfassen u.a. Gintersdorfer/Klaßen und La Fleur.

Gemeinplätze

Samstag, 11. September 2021, 20 Uhr
Guillaume Paoli und Jan Lemitz
Fragmente aus dem kommunalistischen Kaleidoskop
Planwerkstatt 378

Gemeinplatz: Lehnübersetzung von locus communis: 1. Wörtlich „gemeinsamer Ort“. 2. „Satz, der unter vielen Gesichtspunkten betrachtet doch immer seine Gültigkeit behält“.

Über die Pariser Commune gibt es eine schwarze und eine goldene Legende. Das Gedenken an das Ereignis ist gespalten und jede Epoche hebt die Elemente der Geschichte hervor, die für die jeweilige Gegenwart relevant zu sein scheinen. Selbstverständlich kann es nicht darum gehen, im Namen historischer Neutralität eine Äquidistanz zu suchen und die Konfliktlinien zu verwischen. Doch auch gegenüber eindeutigen Interpretationen einer per se polyphonen Bewegung ist Vorsicht geboten. Guillaume Paoli realisiert im Rahmen von „Place Internationale“ ein Videoprojekt, in dem er versucht, der Vielfalt und dem Reichtum des kommunalistischen Moments gerecht zu werden. Im Gespräch mit Jan Lemitz (Kamera) wird das Projekt vorgestellt, es werden Einblicke in den Arbeitsprozess geboten und erste Videofragmente präsentiert.

Die mehrteilige Reihe beinhaltet über 25 Videos. Diese werden in regelmäßigen Abständen auf der digitalen Plattform von „Place Internationale“ veröffentlicht.

Guillaume Paoli ist ein deutschschreibender französischer Schriftsteller. Ende der 1990er errang Paoli einen Status als Theoretiker der „Glücklichen Arbeitslosen“ und Mitherausgeber ihrer Zeitschrift „müßiggangster“. Seit 2003 ist er auch als „Demotivationstrainer“ tätig.  Die Ergebnisse seiner Forschung werden in dem Buch „Demotivational training“ (2013) gesammeltVon 2008 bis 2013 war er im Leipziger Centraltheater als „bundes- und vielleicht weltweit erster Hausphilosoph“ eingestellt. 2018–2019 engagierte er sich publizistisch für die französische Gelbwestenbewegung, daraus entstand das Buch „Soziale Gelbsucht“.

Jan Lemitz lebt und arbeitet als Fotograf und Künstler zwischen Duisburg und Berlin. Sein Studium hat er 2003 an der University of Brighton mit einem BA in Fotografie ab und 2011 mit einem MA in Research Architecture am Goldsmiths College abgeschlossen. In seiner Praxis befasst er sich unter Hinzuziehung medienarchäologischer Funde mit städtischem Raum, Landschaften, Architektur und Infrastruktur. Seit 2017 ist Jan Teil der Arbeitsgruppe „Stadt als Fabrik“ am FFT.

Bilderatlas der Pariser Kommune

Ab Sonntag, 12. September 2021
Tom Ullrich und Anne Heimerl
Audio-visuelle Installation in der Planwerkstatt 378
Einführung und Gespräch nur am 12.9. um 15 Uhr

Die Installation behandelt die fotografische Repräsentation und Selbstinszenierung der Pariser Kommune zwischen März und Mai 1871. Es geht um die Geschichte der Barrikaden sowie das Geschehen rund um den Sturz der Vendôme-Säule am 16. Mai. Anstatt Revolutionsromantik und historische Klischees nachzuerzählen, werden konkrete fotografische Praktiken und Szenen rekonstruiert und kontextualisiert. Die Installation ist mit QR-Codes versehen, über die dazugehörige Audio-Kommentare abgerufen werden können. Wichtig: Eigenes Smartphone und idealerweise Kopfhörer mitbringen!

Tom Ullrich ist Medien- und Kulturwissenschaftler und seit 2017 am Institut für Film-, Theater-, Medien- und Kulturwissenschaft der Johannes Gutenberg-Universität Mainz tätig. Seine Forschungsschwerpunkte sind Medientheorie und -geschichte sowie Revolutions- und Stadtforschung. In seiner Promotionsarbeit untersucht er den Zusammenhang von Barrikadenbau, Straßenkampf und Stadtplanung im Paris des 19. Jahrhunderts. Tom Ullrich ist Autor u.a. einer Neuübersetzung von Auguste Blanquis „Anleitung für einen bewaffneten Aufstand“ (1868/2017) und des Aufsatzes „Working on Barricades and Boulevards. Cultural Techniques of Revolution in Nineteenth- Century Paris“ (2020).

Anne Heimerl arbeitet als freie Autorin, Redakteurin und Regisseurin an und mit Konzepten für audiovisuelles Storytelling in verschiedenen medialen Kontexten. Sie studierte Medienwissenschaften und Dokumentarische Filmgestaltung an der Bauhaus-Universität Weimar, der Université Lumière Lyon II und der Università degli Studi di Modena e Reggio Emilia. Über drei Jahre war sie in der Kreativagentur fischerAppelt play in Stuttgart und Berlin als Redakteurin und Regisseurin tätig.

La Ville Lumière, Paris, 8 Dec 2018

Mittwoch, 15.9.2021, 19 Uhr
Katja Stuke und Oliver Sieber / BöhmKobayashi
Video-Installation und Buchpräsentation in der Planwerkstatt 378
Ausstellungseröffnung

»La Ville Lumière« ist Teil einer Reihe von Werken, die Oliver Sieber und Katja Stuke seit 2005 geschaffen haben. Darin kartieren sie auf ihren Spaziergängen verschiedene städtische Gegenden, die tiefgreifenden urbanen und sozialen Veränderungen unterworfen sind. Am 8. Dezember 2018 werden sie in Paris mit den ersten Protesten der Gelbwesten-Bewegung konfrontiert. Ohne Partei zu ergreifen, aber auch ohne gleichgültig zu bleiben, beobachten sie, wie sich dieser Konflikt in die Geschichte der Stadt einfügt.

Freitag, 17.9.2021, 20 Uhr
Handapparat: Die Soziale Stadt

Aus ihrer eigenen Bibliothek bringen Katja Stuke und Oliver Sieber eine Auswahl von Büchern zur Ansicht und Diskussion für einen Abend in die Planwerkstatt. Fotobücher, Kataloge und Marquettes zwischen Paris und Tokyo, Kairo und Hongkong, Europa und den USA. Zudem stellen sie im Gespräch ihre »Cartographie Dynamique« vor, ein umfangreiches Netzwerk von Arbeiten, die zwischen Osaka und Chongqing, Paris und dem Ruhrgebiet entstanden sind.

Samstag, 18.9.2021, 20 Uhr
Paris – Topographien sozialer Bewegungen
Werkstattgespräch: Katja Stuke, Oliver Sieber, Arno Gisinger, Jan Lemitz

Die vier KünstlerInnen sprechen über Paris, die Aufstände der Pariser Commune, die Proteste der Gilets Jaunes und die daraus resultierenden Veränderungen der Stadt und der fotografischen Darstellung.

Louise Michel und die Frauen der Pariser Commune

Donnerstag, 16.9.2021, 18 Uhr
Florence Hervé
Lesung und Gespräch mit der deutsch-französischen Autorin und Frauenrechtlerin
In der Zentralbibliothek (Bertha-von-Suttner-Platz)

Louise Michel gilt als Symbolfigur der Pariser Kommune im Frühjahr 1871. Zum ersten Mal in der Geschichte übernahmen Arbeiterinnen und Arbeiter die Macht. Louise Michel organisierte nicht nur die Versorgung der Hungernden und Verwundeten, sie beteiligte sich an den Klub-Debatten und auch am bewaffneten Kampf. Die Düsseldorfer Journalistin, Autorin, Publizistin und Dozentin Florence Hervé stellt ihr aktuelles Buch über Louise Michel vor und spricht über die Rolle der Frauen in der Pariser Kommune.

Florence Hervé (1944 in Frankreich geboren) ist promovierte Germanistin und lebt in Düsseldorf und im Finistère. Sie veröffentliche zahlreiche Bücher über bewegte Frauen. 2011 wurde sie mit dem Clara-Zetkin-Frauenpreis der Linken geehrt, 2014 wurde ihr das Bundesverdienstkreuz am Bande zuerkannt, dessen Annahme sie verweigerte. Im Dezember 2021 wird sie mit dem Luise-Büchner-Preis ausgezeichnet.

Commune 1-73 – 73 Fragmente zur Pariser Commune

Donnerstag, 16.9.2021 – Samstag, 2.10.2021
Claudia Bosse / theatercombinat
Im Stadtraum

Die Pariser Commune war eine Versammlung Gleichgesinnter – und so soll commune 1–73 auch eine Versammlung sein! Eine Versammlung von 73 Teilen, Fragmenten und Möglichkeiten. commune 1-73 ist ein Möglichkeitsraum zur Beschäftigung mit Texten, Geschehnissen, Anliegen der Vergangenheit und der Gegenwart. Zugleich bietet commune 1-73 auch Möglichkeiten, um affiziert werden zu können von Ereignissen, Personen, Umgebungen, Erfahrungen und Perspektiven.

Die Regisseurin, Choreografin, Künstlerin und theatercombinat-Leiterin Claudia Bosse erschafft dank Kollaborationen und unterschiedlicher Konstellationen mit verschiedenen Künstler*Innen und Projektteilnehmer*innen aus der Stadt und der Region 73 Fragmente über die Commune, in denen sie sich mit Fragen der Umwelt, städtischen Räumen, Ruinen, Brachen und Motiven politischer Revolten auseinandersetzt.

Urban observation around a new space Live-Set mit Texten der Commune
Donnerstag, 16.9.2021 mit Ted Gaier u.a.
Dienstag 28.9.2021 mit Ted Gaier, Mun Wai Lee, Fanti Baum u.a.
jeweils um 20 Uhr
KAP1-Central-Brücke
max. 10 Zuschauer*innen pro Termin (Einlass über den Sondereingang der Brücke)

Lectures und Online Talks
urban strategies and informal architecture in the kampung in the north of Jakarta mit Kamil Muhammad
Mo 27.9.2021, 19 Uhr
KAP1-Central-Brücke

performance tryouts
mit Mun Wai Lee, Veronique Alain, Brigitta Schirdewahn
Mi 22.9.2021
Sa 25.9.2021
jeweils um 19 Uhr im Stadtraum

Performance Tryouts mit Stadtbewohner*innen unterschiedlicher Generationen
So 19.9.2021, 18 Uhr
So 26.9.2021, 18 Uhr
Fr 1.10.2021, 20 Uhr
Sa 2.10.2021, 16 Uhr
Treffpunkt: KAP1-Central-Brücke

Claudia Bosse lebt in Wien und Berlin, ist Regisseurin, Choreografin, Künstlerin und leitet theatercombinat. Ihre Arbeiten verhandeln Formen von Gewalt, Geschichte und konkrete Utopien. Als „Kunst einer temporären Gemeinschaft“ versteht sie ihre raumgreifenden Choreografien, bei denen sie Mythen, Rituale, Texte und Dokumente mit Körpern, Sprache, Objekten und Chören zu raumspezifischen Stücken verschränkt.

Sie unterrichtet, publiziert und nimmt an Researchprojekten teil. Seit 2011 entstehen zudem installative Arbeiten in der Auseinandersetzung mit Archiven und Museumssammlungen. Kompliz*innen sind Fanti Baum, Mun Wai Lee, Veronique Alain, Mariana Senne, Brigitta Schirdewahn, Franz Rebele, Julia Zastava, Kamil Muhammad u.v.a.

Lefebvre-Werkstatt

Montag, 20.9.2021 – Freitag, 24.9.2021
Moritz Hannemann, Laura Strack, Klaus Ronneberger

Planwerkstatt 378
Täglich um 17 Uhr, Fr 24.9. 15 Uhr

Anlässlich von „Place Internationale“ werden erstmals zentrale Kapitel des Werks über die Pariser Commune des berühmten Philosophen und Raumtheoretikers Henri Lefebvre übersetzt. Gemeinsam mit der Übersetzerin und Theaterwissenschaftlerin Laura Strack und dem Stadtsoziologen und Lefebvre-Spezialisten Klaus Ronneberger werden die Arbeitsfassungen dieser Übersetzungen gemeinsam gelesen und mit Blick auf die Geschichte der Commune, die städtebauliche Anlage von Paris sowie weiterführende Fragen von Urbanismus, Selbstorganisation und Revolution diskutiert.

Laura Strack studierte Theaterwissenschaft, Romanistik und Literaturübersetzen in Bochum, Tours und Düsseldorf. In Forschung und Lehre interessiert sie sich besonders für (Denk-)Figuren des Gemeinsamen, soziale Bewegungen und kritische Praxis, Theater als Ort und in verschiedenen Räumen (z.B. Stadt und Land), Praktiken der Endlichkeit, poststrukturalistische Philosophie und Übersetzungstheorie. Zwischen Theorie und Praxis arbeitet sie freiberuflich mit verschiedenen Kunstschaffenden und Kulturinstitutionen in Deutschland, Frankreich und Italien zusammen, darunter aktuell das Goethe-Institut und das Institut français Palermo, das FFT Düsseldorf.

Communal Luxury / Luxus für alle

Freitag, 24.9.2021
Kristin Ross, Guillaume Paoli
Planwerkstatt 378
19 Uhr

Buchpräsentation des Werks der US-amerikanischen Autorin Kristin Ross und anschließende Diskussion mit der Autorin, moderiert von Guillaume Paoli (Autor von „Soziale Gelbsucht“).

Lecture und Public Seminar zu Thesen von „Luxus für alle“ und zur Aktualität der Commune

Samstag, 25.9.2021
Kristin Ross
Planwerkstatt 378
14 bis 17Uhr

Kristin Ross ist emeritierte Professorin für vergleichende Literaturwissenschaft an der New York University. Sie ist vor allem für ihre Arbeiten zur französischen Literatur und Kultur des 19., 20. und 21. Jahrhunderts bekannt. Ross erhielt ihren Ph.D. von der Yale University im Jahr 1981 und hat seitdem eine Reihe von Büchern geschrieben, darunter The Emergence of Social Space: Rimbaud and the Paris Commune (1988), Fast Cars, Clean Bodies: Decolonization and the Reordering of French Culture (1995) und May ‚ 68 und seine Nachleben (2002). 2015 erschien ihr Buch Communal Luxury: The Political Imaginary of the Paris Commune. Neben ihren Forschungsinteressen in französischer politischer Kultur und Literatur gewinnt Ross‘ Arbeit ihren Schwerpunkt durch ihr Interesse an Stadt- und Revolutionsgeschichte, Theorie, Politik, Ideologie und Populärkultur.

Guillaume Paoli ist ein deutschschreibender französischer Schriftsteller. Ende der 1990er errang Paoli einen Status als Theoretiker der „Glücklichen Arbeitslosen“ und Mitherausgeber ihrer Zeitschrift „müßiggangster“. Seit 2003 ist er auch als „Demotivationstrainer“ tätig. Die Ergebnisse seiner Forschung werden in dem Buch „Demotivational training“ (2013) gesammelt. Von 2008 bis 2013 war er im Leipziger Centraltheater als „bundes- und vielleicht weltweit erster Hausphilosoph“ eingestellt. 2018–2019 engagierte er sich publizistisch für die französische Gelbwestenbewegung, daraus entstand das Buch „Soziale Gelbsucht“.

Perspektive soziale Revolution. Interview mit Detlef Hartmann

Montag, 27.9.2021
Susanne Fasbender
Gespräch
Planwerkstatt 378

Susanne Fasbender ist Videokünsterin und Filmemacherin und hat mit ihren Videos, Videoinstallationen, Filmen und Bildkunst an zahlreichen Ausstellungen und Festivals international teilgenommen. Sie gründete den Kunstfilmtag in Düsseldorf im Jahr 2007 und war dessen künstlerische Leiterin bis 2012. Seit 2012 liegt ihr Schwerpunkt auf der Beschäftigung mit Fragen der gesellschaftlichen Naturverhältnisse. Während sich die Grenzen zwischen ihrem Werk und kritisch-politischer Positionierung auflösen, beschreibt sie ihre Arbeit als Ausdruck einer beständigen Auseinandersetzung mit Grundverhältnissen der Gewalt im gesellschaftlichen Zusammenleben.

Detlef Hartmann ist ein deutscher Anwalt, Autor und linker Aktivist. Hartmann studierte nach dem Schulbesuch im Hamburger Christianeum in Bordeaux, Freiburg, Hamburg und Berkeley. In Kalifornien beteiligte er sich an den politischen Aktivitäten in der Bay Area, die er als „sozial orientiert“ begriff, auch wenn sie sich vor allem gegen den Vietnamkrieg richteten. 1970 in die BRD zurückgekehrt, setzte er die bis heute andauernde politische Betätigung im Kontext sozialer Auseinandersetzungen fort. Seit 1977 ist Hartmann als Rechtsanwalt in Hamburg und Köln tätig, in erster Linie als Strafverteidiger, auch in zahlreichen Verfahren gegen linke Aktivisten und darüber hinaus in der Vertretung der Nebenklage in NS-Kriegsverbrecherprozessen. Tagesmedial und journalistisch positioniert Hartmann sich u.a. in junge Welt und im WDR 5.

From Necessity and Love: Trajectories of Communal Possibilities

Mittwoch, 29.9.2021 – Freitag, 1.10.2021
Urban Subjects
Rauminstallation
Planwerkstatt 378
Ausstellungseröffnung am 29.9.

Mitglieder der österreichisch-kanadischen Gruppe Urban Subjects verorten die Pariser Kommune und das venezolanische Kommunalexperiment im Stadtteil Gramoven in Caracas als Schlüsselepisoden in einer längeren Geschichte kommunaler Bestrebungen. Sie entwerfen dabei ein Bild der Spannungen, der Ausmaße, der Bedingungen und der Verläufe, aus denen Kommunen hervorgehen. Ausgehend von ihrem Gespräch mit dem Theoretiker und Aktivisten George Ciccariello-Maher und auf der Grundlage ihrer Erfahrungen in Caracas, konstruiert Urban Subjects eine Bild-, Text- und Videoinstallation, welche die historischen Bestimmungen und das Potenzial für die Entstehung moderner Kommunen überdenkt.

Für PLACE INTERNATIONALE lassen Urban Subjects Verbindungen zwischen selbstorganisierten Projekten und Territorien von Caracas bis Düsseldorf und den Orten dazwischen entstehen. Basierend auf einem Wallpaper, einer Filmvorführung und einer Diskussion mit dem Autor und Aktivisten Raul Zelik fragen Urban Subjects: Wie sprechen diese verschiedenen Selbstorganisations- und Kommunenprojekte miteinander?

Urban Subjects ist ein 2004 von Sabine Bitter, Jeff Derksen und Helmut Weber gegründetes Forschungskollektiv mit Sitz in Vancouver, Kanada und Wien, Österreich. Gemeinsam entwickeln sie künstlerisch-poetische Projekte, die sich mit urbanen Themen, sozialem Wandel und der Produktion von Raum und Zeit beschäftigen.

Unwahrscheinliche Begegnungen mit Kollektiven vom Atrato Fluss

Samstag, 2.10.2021
Atrato Kollaborationen (Chocó, Kolumbien)
Planwerkstatt 378
20 Uhr

Chocó heisst Wasser, das Wasser der Flüsse, das Wasser der beiden Meere Pazifik und Karibik, das Wasser des Regens und der Luft, die wir atmen. Wie das Wasser plätschern, fliessen und strömen die Aktionen des Widerstands aus allen Künsten und Disziplinen zusammen. Zuströme, Nebenflüsse, die sich zu einem größeren Strom vereinen, mit der wir die Erinnerungen unhörbar gemachter Kämpfe und Siege wiederbeleben. Wir erheben unsere Stimme gegen strukturellen Rassismus, Patriarchat, Extraktivismus und Kolonialismus.

In einer unwahrscheinlichen Begegnung werden wir die individuellen und kollektiven Praktiken der vier Organisationen Corp-oraloteca, Mareia, Más Arte Más Acción und Motete kennenlernen. Diese Organisationen sind dem Gebiet des Chocó entsprungen, in kommunitäre Prozesse verwickelt und stehen in Komplizenschaft mit entfernten Kämpfen. Sie haben sich um den Atrato mobilisiert – einen Fluss, der unentwegt misshandelt wird, aber mittlerweile als Rechtssubjekt anerkannt ist und sich zu wehren vermag.

Corp – Oraloteca of the UTCH y ASINCH sind ein Dokumentations- und Forschungszentrum, das die soliden, mündlichen und körperlichen Praktiken und Kenntnisse des kolumbianischen Pazifiks sichert und stärkt. Mit der Corporación Black Boys Chocó erforschen sie die intimen familiären, sozialen, wirtschaftlichen und spirituellen Beziehungen, die die Gemeinde des Dos de Mayo-Viertels von Quibdó zum Fluss Atrato hat. Die Podcasts Voices from the Roots, Land and Wings of the Atrato, erstellt aus einer psychosozialen Methodik, führen die Teinehmer*innen durch die Narrative, die Erinnerungen, das Vergessen und den Widerstand einer vertriebenen Gemeinschaft inmitten des bewaffneten Konflikts, der im Quibdó-Diskurs stark stigmatisiert wird.

Mareia sind eine künstlerische, pädagogische und antirassistische Organisation, die von einer Gruppe schwarzer und bekannter Feministinnen geleitet wird, begleitet von verschiedenen Männern, verbunden durch den afrikanischen Muntu und die transformative Kraft der Künste. Seit Jahren arbeiten sie mit dem Gremium der Wächter des Atrato zusammen. Sie produzierten die Podcast-Reihe Guardians of the Atrato River, welche die Dimension der Gender- und Territorialverteidigung aus der Perspektive von Flussfrauen hinterfragt, und den Kurzkurs The River Teaches. Sie werden durch künstlerische Produktion herausgefordert und erforschen Videotanz als kritische Sprache. All diese Experimente ebnen den Weg zur Schaffung einer Wanderuniversität für Kunst, Abstammung und Natur der afrikanischen Diaspora mit einem Fokus auf Gender- und Friedensfragen.

Más Arte Más Acción sind eine Organisation für kulturellen Austausch und Dialog, die zur künstlerischen Praxis und zum kritischen Denken in Kolumbien beiträgt. Die Vernetzungserfahrung mit Arts Collaboratory, das Hinterfragen von Machtverhältnissen in der Kunstfinanzierung und die Einbindung in gemeinschaftsbasierte Prozesse haben ihre Arbeit als Organisation herausgefordert und verändert. Chocó ist das ideologische Territorium, das es ermöglicht hat, die Beziehung zwischen Kunst und Umwelt zu thematisieren und Flow-Prozesse zwischen der Küste und dem Landesinneren zu finden, die zunehmend mit den künstlerischen und organisatorischen Prozessen von Quibdó und dem Fluss Atrato verbunden sind.

Motete fördern kritisches, autonomes und kreatives Denken für die Schaffung eines aktiven Bürgertums durch Begegnungen rund um das Lesen und die Kunst. Dies wird in Programmen wie Selva de Letras und dem Festival des Lesens und Schreibens von Chocó (FLECHO) verwirklicht, die in Bahía Solano und Quibdó durchgeführt werden. Dank der Erfahrungen mit pädagogischen und kulturellen Engagement entwickelten sie das Programm Leer el Río, aus dem zwei Bücher im Community Publishing, das Atrato Fest Festival und vier Podcasts in der Sound Intimacy Werkstatt in Río Quito hervorgegangen sind. Die Regisseurin und Autorin Velia Vidal ergänzte diesen Prozess mit ihrem Buch Oir Somos Río, das zusammen mit der deutschen Schriftstellerin Godula Buchholz eine Rundreise entlang des San Juan River im Abstand von fast sechzig Jahren erzählt.

Der Eintritt für alle Veranstaltungen von PLACE INTERNATIONALE ist kostenlos. Anmeldungen und Fragen unter tickets@fft-duesseldorf.de

Corona-Hinweis: Eine Teilnahme an den Veranstaltungen ist nur nach der 3G-Regel, vollständig geimpften, genesenen oder frisch getesteten Personen (Schnelltest max. 48 h alt) möglich. Bitte zeigt euren Nachweis beim Einlass vor. Bitte tragt Euren Mund- und Nasenschutz, wenn Ihr nicht am Platz seid und haltet Abstand voneinander. Wenn Ihr auf eurem Platz sitzt, könnt ihr den Mund- und Nasenschutz abnehmen. Wendet Euch an das FFT-Team, wenn Ihr Fragen habt. Wir helfen Euch gerne!

Place Internationale wird gefördert durch die Kulturstiftung des Bundes. Gefördert von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien.

Text: Presse
Fotos: siehe Bildbeschreibung
© THE DORF 2021

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