„EUROPE IN THE DORF“ • Evgenia Strauß im Gespräch – THE DORF X CURATED AFFAIRS

Wie viel Europa steckt in Düsseldorf? Und was ist typisch „europäisch“? Gibt es das überhaupt? Das und vieles mehr fragen sich THE DORF & Curated Affairs im Hinblick auf das Veranstaltungsformat „Europe in the City“, das vom 1. bis 9. Mai 2021 die europäische Vielfalt, Solidarität und Offenheit in Düsseldorf feiert. Die Interviewserie „Europe in THE DORF“ ist nur ein Beitrag des umfangreichen Rahmenprogramms, das in diesem Jahr fast ausschließlich digital stattfindet.

Den Abschluss der Europe-in-THE DORF-Interviewserie macht Evgenia Strauß, Leiterin von EUROPE DIRECT Düsseldorf. Das EUROPE DIRECT ist Teil des Büros für Internationale und Europäische Angelegenheiten und beim Oberbürgermeister angesiedelt. Evgenia arbeitet seit 2011 bei der Stadt Düsseldorf. Sie und ihre Kolleg*innen pflegen und intensivieren Düsseldorfs internationale Kontakte, allen voran mit den acht Partnerstädten. Das EUROPE DIRECT Zentrum ist die erste Adresse in Düsseldorf, wenn es um Europa geht. Die Hauptaufgabe ist es, den Menschen in und um Düsseldorf Europa näherzubringen. Evgenia und ihr Team realisieren Veranstaltungen, fördern und setzen kulturelle Projekte um und tragen so zur Auseinandersetzung mit Europa bei. Im Interview erzählt sie, wie das Konzept „Europe in the City“ auch in diesem Jahr möglich gemacht wurde.

Was sind Ihre aktuellen Projekte?
Heute, am 9. Mai, ist der letzte Tag der Düsseldorfer Europawoche „Europe in the city“. Wir freuen uns sehr und sind stolz darauf, dass wir – auch wenn nur digital – ein Momentum für Europa in Düsseldorf geschaffen haben, in einer Zeit, in der das Erleben der Vielfalt Europas eingeschränkt ist. Über 60 unterschiedliche Beiträge von Düsseldorfer Vereinen, Instituten, Kulturschaffenden, Generalkonsulaten und Schulen wurden Teil von „Europe in the city“. Das Projekt zeigt eine Fülle von Diversität und damit, wie europäisch und europaaffin unsere Stadt ist.

Dies zeigt auch unsere neue Stadtführung „Europa in Düsseldorf“, die zusammen mit der Düsseldorf Tourismus GmbH entwickelt wurde – zunächst als digitale Tour. Auch arbeiten wir an der dritten Staffel von „So schmeckt Europa“: Düsseldorfer*innen aus EU-Ländern kochen vor laufender Kamera ihre Lieblingsgerichte aus der Heimat. Diese Kurzvideos mit Rezepten erfreuen sich großer Beliebtheit, vielleicht, weil uns das besonders fehlt: das Erkunden anderer Kulturen, kulinarische Erlebnisse, Gespräche in der Küche. 

Wo finden Sie Europa in Düsseldorf?
Überall – Europa gehört zur Düsseldorfer DNA. Der europäische Einfluss macht sich sofort bemerkbar, wenn man durch Düsseldorf flaniert: vorbei an der Brauerei „Zum Schiffchen“, wo Napoleon gespeist haben soll, am Heine Haus, dem Geburtshaus des großen Europäers Heinrich Heine oder an der Ratinger Straße, die im Volksmund „De Retematäng“ heißt – eine Verballhornung von „Rue du matin“. Für mich persönlich sind es viele Puzzle-Teile, die Düsseldorf zu einem europäischen Ort machen, auch kulinarisch. Im „Bistro Erminig“ bei Galette und einem Cidre fühle ich mich wie in der Bretagne am Meer, mit einem Eis von „Pia“ in der Hand wie in Italien und auf der Schneider-Wibbel-Gasse mit ihren vielen Restaurants wird man nach Spanien versetzt. 

Was ist für Sie typisch Düsseldorf? Was ist für Sie typisch „europäisch“?
Typisch Düsseldorf ist für mich der Karneval – das ist schon etwas Einzigartiges und Erklärungsbedürftiges, wenn man international unterwegs ist. Aber der Karneval hat auch etwas europäisches an sich und zwar die Freiheit, die Toleranz und die Vielfalt. Das karnevalistische Gefühl verbindet die Menschen und löst Barrieren – auch das ist ein europäischer Ansatz.  

Wo finden Sie gerade in der Düsseldorfer Kulturlandschaft Europa wieder?
In unserer Arbeit sehen wir täglich, wie europäisch die Düsseldorfer Kulturszene ist. Die Beschäftigung mit Europa – mit Mitteln des Wortes, der Kunst oder der Musik – gehört zum Alltag vieler Kulturplayer der Stadt, mit denen wir partnerschaftlich verbunden sind. Dazu gehören die Deutsche Oper am Rhein, die Tonhalle, das zakk, die Stadtbüchereien, die Filmwerkstatt Düsseldorf, das Gerhart-Hauptmann-Haus, das Literaturbüro NRW. Auch das Institut français und das Polnische Institut gehören dazu und sind als europäische Kulturinstitute aus der Düsseldorfer Kulturlandschaft nicht mehr wegzudenken. 

Fällt Ihnen eine europäische Stadt ein, die Düsseldorf sehr ähnlich oder unähnlich ist?
Eine schwierige Frage – vielleicht auf eine gewisse Weise Liverpool. Mit einer halben Million Einwohner*innen eher übersichtlich, ist Liverpool wie Düsseldorf eine absolute Kultur- und vor allem Musikstadt. Auch Düsseldorf ist Gründungsort vieler bekannter Musikgruppen und hat eine lebendige Musikszene: Kraftwerk, Fehlfarben, die Toten Hosen.

Was macht Düsseldorf in Europa einzigartig?
Düsseldorf ist im Vergleich zu Kulturmetropolen wie Paris, London und Berlin eine relativ kleine Stadt. Den Namen Kulturmetropole hat Düsseldorf aber allemal verdient und kann sich, was die Kulturlandschaft angeht, mit diesen Städten messen. Die Wege sind bei uns aber kurz. Darin liegt für mich die Einzigartigkeit und der Charme von Düsseldorf.

Wann bemerken Sie, dass Sie in Europa sind?
Als Unionsbürgerin fühle ich mich in jedem europäischen Land zuhause – frei und sicher. Ein aktuelles Beispiel: Wenn ich eine FFP2-Maske mit dem CE-Kennzeichen kaufe, weiß ich, dass sie den europäischen Sicherheitsstandards entspricht. Aber Europa ist für uns mittlerweile so selbstverständlich, dass wir es oft nicht bemerken und vergessen, wie wertvoll es ist.

Was macht die Menschen in Düsseldorf zu Europäer*innen?
Viele Zugezogene schätzen an Düsseldorf, dass man sich schnell als Düsseldorfer*in fühlen kann, ohne die eigene Identität aufzugeben. Ich selbst bin vor 27 Jahren aus Sankt Petersburg nach Düsseldorf gekommen. Düsseldorferin zu sein, bedeutet für mich, verschiedene Seiten meiner Identität zu leben – eine davon ist Europäerin. 

Was würden Sie sagen, denken andere europäische Städte über Düsseldorf?
Von unseren europäischen Partnerstädten wie Warschau in Polen oder Palermo in Italien wissen wir, dass sie an Düsseldorf die Wärme und die Gastfreundschaft schätzen. Unsere Partnerstädte kennen uns gut, ansonsten ist Düsseldorf ein Geheimtipp. Doch wer einmal in Düsseldorf war, kommt wieder und nimmt Familie und Freunde mit. 

Sie sind Teil des EUROPE DIRECT Düsseldorf-Teams, haben das Format „Europe in the city“ mit organisiert und sind darüber hinaus Ansprechpartnerin für alle Fragen rund um die Europäische Union. Wie viel Arbeit steckt hinter so einer großen Veranstaltung wie „Europe in the city“ und wie hat sich die Arbeit insbesondere zu Corona-Zeiten verändert?
„Europe in the city“ ist ein typisches „Corona-Baby“. Die Idee und das Konzept entstanden in Zoom-Meetings aus dem Home-Office mit dem Wissen, dass Eventplanung in der Pandemie anders und nicht einfach sein wird. Generell hat die Pandemie unsere Arbeit als EUROPE DIRECT von heute auf morgen enorm verändert: keine Brüsselreisen, keine bürgernahen Präsenzformate, keine direkten Kulturerlebnisse.

Alles musste neu gedacht werden. Und so wurde die Arbeit digitaler, aber nicht weniger spannend – mit Online-Diskussionen, Social Media-Kampagnen, virtuellen Kulturprojekten. Dass das gut geklappt hat, ist einem großartigen, engagierten Team des EUROPE DIRECT zu verdanken und der großen Unterstützung unserer Kolleg*innen im Büro für Internationale und Europäische Angelegenheiten. 

Die Kultur-Szene musste seit letztem Jahr europaweit Einbuße erleiden und Veranstaltung wie „Europe in the city“ sind ein großer Hoffnungsschimmer. Kommt da noch mehr auf uns zu, um die Kulturszene langsam wieder aufleben zu lassen?
Wir arbeiten mit Hochdruck an neuen Kulturprojekten – vielleicht auch mit Open Air Option – und entwickeln unsere bestehenden Formate stetig weiter. Für das nächste Halbjahr ist unsere zweite Auflage des upfront! Young European Video Award geplant. Mit der Jungen Filmwerkstatt Düsseldorf schrieben wir letztes Jahr erstmals einen europaweiten Kurzvideo-Wettbewerb aus. 120 junge Videomacher*innen aus 18 EU-Staaten und Großbritannien schickten ihre Beiträge ein. In den Videos setzen sie sich mit dem aktuellen Geschehen in Europa auseinander – künstlerisch, politisch und kritisch. Europa über die Kultur zu vermitteln, ist uns sehr wichtig, und wir freuen uns, dass wir mit „Europe in the city“ unser Netzwerk an Kulturinstitutionen und Kulturschaffenden erweitert haben. Ich bin mir sicher, dass daraus in Zukunft viele spannende Projekte entstehen werden.

Ab dem 1. Mai soll es im Zuge der Förderung durch die EU-Kommission eine neue Generation der „Europe Direct“ Zentren geben. Was wird uns diesbezüglich erwarten? Das ist richtig, und das bedeutet: Das EUROPE DIRECT Düsseldorf macht ab dem 1. Mai weiter und wird bis 2025 durch die EU-Kommission gefördert. Das gibt uns die Möglichkeit, unsere Arbeit auszubauen und zu intensivieren. Wir möchten die Düsseldorfer*innen noch stärker motivieren, sich mit Europa zu beschäftigen und ihre Meinung in die öffentliche Debatte einzubringen – nicht nur in den Europa-Wahljahren. Wir haben beim Brexit gesehen, dass bei vielen, die die Bedeutung des Referendums und die Beschäftigung mit Europa nicht ernst nahmen, nach dem Ergebnis „der Blues“ einsetzte.

Auch im Hinblick auf den Populismus, der in vielen Ländern Europas grassiert, ist es wichtig, die Vorteile Europas zu betonen, aber auch die Kritik der Bürger*innen ernst zu nehmen. Dafür wurde von der EU der Prozess „Konferenz zur Zukunft Europas“ gestartet, den wir mitbegleiten werden. Wir werden in diesem Jahr einen starken Fokus auf Klimaschutz und den digitalen Wandel legen. Diese Themen werden wir durch verschiedene Formate beleuchten: diskursiv, informativ, kulturell.

VIELEN DANK!

Neugierig geworden? Mehr über das komplette Programm von „Europe in the City“ erfahrt Ihr hier…

„Europe in THE DORF“ • Europäer*innen im Gespräch ist ein Gemeinschaftsprojekt von THE DORF und Curated Affairs.

(c) THE DORF, 2021
Text & Interviewserie: Amani El Sadek & Tina Husemann

Fotocredits: Evgenia Strauß, Leitung EUROPE DIRECT Düsseldorf © Landeshauptstadt Düsseldorf / David Young

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