Candomblé

Candomblé ist vieles: Ein elektronisches Musikkollektiv, bestehend aus sechs talentierten Mittzwanzigern, die durch unterschiedliche Herkünfte und Einflüsse eine spannende Symbiose eingehen. Der Name Candomblé gehört eigentlich zu einem brasilianischen religiösen Kult, dessen Merkmale sich metaphorisch besonders schön auf die Wirkung von Musik übertragen lassen: Es ergreifen nicht wie im Glauben der Kultanhänger die Götter Besitz über den Menschen, sondern die Musik übernimmt diesen Part, sie lässt die Hörer auf magische Weise wild tanzen und sich selbst vergessen. Das Label – bestehend aus Arisona (Kashiel aka. Aresona), Jannes (Jay Hoenes aka. Coco Drummel), Aki (AKI AKI aka. 4Boom), Philipp (Insecurity), Gregor (Rasputin) und Timo (DJ Ungel) – hat über die letzten drei Jahre Platten veröffentlicht, wenn auch nur sehr ausgewählt, manchmal nicht mehr als eine pro Jahr. Candomblé ist vieles und bedient erfrischend die Schnittstelle zwischen lokalem Musikerbe und neuen Impulsen, regionaler und internationaler Szene. Im Interview erklärt uns das Kollektiv, warum ein überschaubares Dorf wie Düsseldorf die Produktivität steigern kann und liefert Ideen, wie man die Stadt noch lebenswerter macht.

Wie seid Ihr zur Musik gekommen und wann habt Ihr damit angefangen? Wie habt Ihr Euch alle zusammen gefunden?
Arisona: Candomblé ist komplett natürlich durch Freundeskreise entstanden. Man kennt sich und hängt miteinander ab – und dann fängt man an zusammen Musik zu machen. So ist das ganze Candomblé-Ding passiert. Das ist für mich der Leitfaden eines Kollektives – man macht etwas gemeinsam und daraus entsteht etwas komplett Neues. Geplant war gar nichts davon. Uns hat die Idee und das Interesse am Nachtleben und an verschiedener Musik zusammengebracht.

Welche Vorbilder und Einflüsse auf Eure Musik könnt Ihr nennen? Wie schwierig oder wie leicht ist es Euch gefallen einen eigenen Stil zu entwickeln?
Arisona: Für mich persönlich war vieles aus der L.A. Beat Scene wichtig, wie z. B. Flying Lotus, Free the Robots usw. Ich hatte eigentlich nie etwas mit deutscher Musik zu tun. Später habe ich durch Aki und die anderen herausgefunden, was Düsseldorf für eine Musikkultur hat – und was für eine krasse elektronische Musikgeschichte.

Philipp: Natürlich hat jeder von uns andere musikalische Einflüsse. Obwohl wir alle aus dem Raum Düsseldorf kommen, sind wir trotzdem unterschiedlich geprägt. Wir merkten dann schnell, dass es unterschiedliche Berührungspunkte gibt. Dinge, die man gleichzeitig gut findet. Hinzu kommt die Zeit, in der man die ersten Male in den Salon des Amateurs gegangen ist. Dort öffnete sich eine andere Welt, weil man nochmal ganz neu gepolt wurde und gemerkt hat, dass es noch viel mehr Dinge gibt, als die, die man bisher kannte.

Was schätzt Ihr an Düsseldorf und wie hat Euch die Stadt in die Karten gespielt?
Aki: Das kann ich vielleicht am besten beantworten, ich bin nämlich immer ein unglaublich großer Düsseldorf-Hasser gewesen. Ich komme aus Krefeld und wenn ich am Wochenende mal unterwegs war, bin ich eher nach Köln oder in den Ruhrpott gefahren. Ich wollte hier eigentlich nicht sein, ich fand die Leute schrecklich, alles scheiße. Dann zog ich aber wegen des Jobs in die Stadt und habe neue Leute kennengelernt. Jannes war einer der ersten. Und dann habe ich gecheckt, dass hinter den ganzen plakativen Düsseldorf-Klischees tatsächlich interessantes Zeug passiert und ein super guter Austausch stattfindet, den ich so nicht kannte. In Köln oder Berlin war mehr Gegeneinander, ein unglaubliches Haifischbecken. Hier in Düsseldorf geht es gar nicht darum, sich zu profilieren. Ich bin dann tatsächlich einfach hier geblieben. (Alle lachen). Ich hatte nicht den Drang, irgendwo woanders nochmal einen Anlauf zu starten.

Würdet Ihr sagen, weil es hier weniger Konkurrenz gibt, kann man sich anders entfalten?
Arisona: Es ist ein Miteinander durch und durch. Es gibt wenig Situationen, in denen man sich denkt: “Weil jemand anderes das macht, können wir das jetzt nicht mehr machen”. Es gibt dieses Konkurrenz-Denken gar nicht.

Philipp: Ich würde sagen, das ist auch Teil dieses “Lokal-Internationalem”. Die verfügbaren Räumlichkeiten für Kreative sind klein oder es gibt wenig davon. Trotzdem gibt es viele Leute, die Interesse daran haben, diese Räume ausfindig zu machen und ihnen eine andere Perspektive zu geben. Jeder hat seine eigenen Kreise, aber eigentlich kennen sich alle. Jeder möchte das Leben hier ein bisschen interessanter gestalten. In einer kleinen Stadt wie Düsseldorf ist Konkurrenz fehl am Platz – das versteht jeder. Man kämpft hier nicht um irgendetwas, sondern jeder versucht, seine Zeit hier so schön wie möglich auszufüllen.

Was ist das Gute daran in einer Gruppe oder einem Kollektiv zu arbeiten?
Jannes: Es ist eher eine Plattform, die vieles erleichtert. Der Drang etwas zu machen, in welcher Form auch immer, ist bei allen da, aber natürlich komplett unterschiedlich ausgeprägt. Das Kollektiv als eine Art Basis oder ein Forum zu haben, macht es natürlich einfacher – auch finanziell. Man kann Projekte untereinander und miteinander finanzieren. Und sich gegenseitig musikalisch bereichern. Wir treffen uns oft in verschiedenen Konstellationen, haben einen guten Abend und dann kommt irgendwas Lustiges dabei rum, ohne dass es groß geplant war. Ich glaube, wenn man auf Lonely Warrior macht, dann hat man hauptsächlich nur die Eigenperspektive als Maßstab.

Wie bewertet Ihr die aktuelle Entwicklung des Musikgeschäfts und glaubt Ihr der besondere Bezug zur Musik und ihre Individualität gerät durch Streamingservices, den Überfluss und die ständige Verfügbarkeit in Gefahr?
Arisona: Die Art und Weise, wie Musik produziert wird, hat sich in der Poplandschaft einfach extrem geändert. Es kommen kaum noch Alben raus, es sind immer nur irgendwelche Singles mit Features von vier, fünf Leuten. Namedropping, damit es irgendwo verkauft oder gestreamt wird. Es ist eine bewusste Entscheidung, unsere Releases nicht in einem Streamingservice oder digital zu veröffentlichen. Die Person muss sich die Platte kaufen, um sie sich zu Hause anzuhören. Damit bekommt man einen ganz anderen Bezug zur Musik – das ist uns sehr wichtig.

Philipp: Wir sind keine Vinyl-Romantiker und haben auch nichts dagegen, dass ganz viele andere Musiker ihre Musik digital veröffentlichen. Wir machen es halt anders und ich glaube, dass ist der Weg, der in unserer Szene, im DJ-Kosmos, gut funktioniert. Alles andere würde für uns einfach keinen Sinn machen.

Gibt es einen Appel von Euch an Düsseldorf oder an die Düsseldorfer?
Jannes: Generell an die Immobilienbranche. Falls jemand mal eine Lagerhalle zu vermieten hat, muss man diese vielleicht nicht an die nächstbeste Autowerkstatt vermieten, sondern kann auch mal an die Subkultur denken!

Aki/Arisona: Viele Entscheidungen werden auf einer rein finanziellen Ebene getroffen. Was bringt am meisten Steuergelder? Wo ist der Return on Investment am höchsten? Deshalb werden nur Luxuswohnungen gebaut. Erst werden Objekte wie die postPost als Zwischennutzungsräume freigeben, dann abgerissen und was Neues hingebaut. Es wird kein Wert darauf gelegt, etwas zu bauen, was in der Subkultur interessant sein könnte. Als Konsens könnte man sagen, dass die kulturelle Raumnutzung besser gestaltet sein könnte.

Ari: Ja, denn solche „Kleinigkeiten“ machen den Charakter einer Stadt aus, nicht etwa, wie grandios die Kö ist.

Jannes: Clubkultur wird ja generell eher als etwas Banales ohne kulturellen Anspruch abgetan. Im Salon des Amateurs habe ich zum ersten Mal kennengelernt, dass Menschen von 18 bis Ende 50 zusammen feiern. Das empfinde ich als etwas Besonderes und ist auch eine Art von Vernetzung. Ich finde es wichtig, dass man einen solchen Austausch hat.

Wo geht Ihr gerne Kaffee trinken? Den besten Kaffee gibt’s hier für 1€ am“Happy Shop”Büdchen!

Wo geht Ihr gerne abends etwas trinken? Jannes: Mit Bars find ich’s generell ein bisschen schwierig in Düsseldorf. Hier gibt es nicht diese kiezigen Kneipen, gibt wo man sich abends trifft. Zwischen 7€ Longdrink, Afterwork Style, Apfelkorn für 1€ und Metal Musik gibt es relativ wenig, wo man entspannt etwas trinken kann. Aber wenn ich in der Stadt etwas trinken gehen würde, dann vielleicht in der Melody Bar – die ist schön.

3 Plätze in Düsseldorf, die Ihr Euren Gästen zeigen würdet? Wir würden eine kleine Museumstour machen, über den Grabbeplatz, das K21, den Kunstpalast und die Ortschaft um die Tonhalle herum.

Wann fühlt Ihr Euch wie ein richtiger Düsseldorfer? In Berlin.

Was sind Eure Shoppingadressen in Düsseldorf? Der Großmarkt am P1, der Hitsville Record Store, die Vaseline.

Eure persönlichen Lieblings-Songs? Hier gibt es ein paar Plattenfundstücke von uns…

Danke!

Alle weiteren Kanäle von Cadomblé findet Ihr hier:
candomble.zone
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facebook.com/thecandomble

Text: Lisa Damberg
Fotos: Toni Boteva
© THE DORF 2019/20

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