Sammy Amara

Name: Sammy Amara
Beruf: Musiker & Grafikdesigner
Gelernter Beruf: Grafikdesign
Alter:  40 Jahre

Wohnort: Düsseldorf
Webseite: www.broilers.de        

Sammy Amara ist Musiker, Frontmann der Broilers – und Düsseldorfer durch und durch. Geboren in Düsseldorf, aufgewachsen im Süden der Stadt, ist Sammy heute mit seiner Band beim Bandmanagement der Toten Hosen verortet und spielt bei großen Festivals wie Rock am Ring, Southside oder Hurricane. Den Musikstil der Broilers beschreibt Sammy selber wie folgt: „Mit Wurzeln im Punk, mittlerweile aber offen wie ein guter Swingerclub.“

Mit den Broilers blickt Sammy in diesem Jahr bereits auf eine 25jährige Bandhistorie zurück. Aber statt einer großen Jubiläumssause gönnen sich die Broilers den Luxus, einfach gar nix zu machen. Keine Party, keine Festivals. Dafür ist 2020 noch Zeit. Ein perfektes Timing für THE DORF, Sammy im sonst so trubeligen Konzertsommer auf einen Abend in Düsseldorf zu treffen und ihn durch seine Lieblingsläden zu begleiten. Nach einem Warm-Up Bier am Uerige geht es weiter zum Essen in die Destille in der Carlstadt. Nach einem kurzen Killepitsch-Stopover im Et Kabüffke führt uns der Weg in die Oaks Bar und das Engelchen in die Altstadt.

Bei unserer Tour wird eines schnell klar: In Sammys Adern fließt Düsseldorfer Blut. Mit Charme und rheinischer Offenheit geht Sammy auf Menschen jeglicher Couleur zu. Starallüren existieren nicht. Bei unserem Trip durch die Düsseldorfer Nacht schnackt Sammy mit Seniorinnen an der Bar der Destille, posiert mit Altstadt-Punkern fürs Foto vor Pick Up und tauscht sich mit einem im Engelchen zufällig kennengelernten japanischen Punkrocker über Musik aus. Als wir von einem betrunkenen Niederländer auf der Bolkerstraße angesprochen werden, kontert Sammy schlagfertig in erstaunlich korrekt klingendem Holländisch.

Neben diesen zahlreichen illustren Begegnungen, viel Speis und sehr viel Trank sprachen wir mit Sammy über Musik, Gin, die Stadt Düsseldorf und das Leben (am Rhein).

Wie bist du zur Musik gekommen und wann hast du damit angefangen? 1991 haben Andi Brügge (der Drummer der Broilers) und ich unabhängig voneinander ein Konzert einer Schülerband in einem Musikraum unserer Schule gesehen.Wir kannten uns damals noch nicht, waren aber gleichermaßen nachhaltig so begeistert, dass bei uns beiden nach dem Konzert der Wunsch entstand, eine Band zu gründen. Ich habe mir zu Weihnachten eine Gitarre gewünscht und die bekommen. Andi hat sich ein Schlagzeug gewünscht. Kennen gelernt haben wir uns aber erst Wochen später bei der Zusammenführung des Religionsunterrichts. Und dann fing alles an.

Welche Musiker haben dich geprägt und inspiriert und tun es noch heute? Die wichtigsten Musiker für mich sind die, die bei mir ein „Zuhause-Gefühl“ auslösen. Wenn ich mal nicht weiter weiß oder wenn ich ein gutes Wohlgefühl durch Musik erzeugen will, höre ich Bruce Springsteen und The Clash. Die Toten Hosen zählen sicherlich auch dazu, ohne sie hätte ich nicht mit Punk-Rock angefangen. Ich habe aber einen sehr breiten Musikgeschmack, der fast alles beinhaltet, außer das, was heutzutage R&B ist oder Vocoder oder AutotuneHipHop, das mag ich nicht. Aber ansonsten: Das erste N.W.A.-Album ist genauso Wahnsinn wie die 4-Jahreszeiten-Umsetzung von Max Richter. Auch zwei extrem wichtige Alben für mich, aber die kamen erst später.

Ihr feiert mit den Broilers 2019 25-jähriges Jubiläum. Es gab sicherlich viele Highlights in dieser Zeit – gab es eines, das Dir besonders im Kopf geblieben ist? 25-jähriges – und wir machen gar nix! Geil, oder? Was die Highlights angeht, sind es oft die ersten Male: Als wir zum ersten Mal in der Philipshalle gespielt haben und wir so skeptisch waren, ob wir uns nicht übernehmen. Am Ende des Tages haben wir zwei Mal dort gespielt. Als wir auf dem Vorplatz ankamen, das war ein irres Gefühl. Dann kam danach der ISS Dome zum ersten Mal. All diese Geschichten bleiben einem natürlich im Gedächtnis und komischerweise sind das oft Momente, die in Düsseldorf verortet sind. Eigentlich ist es nicht verwunderlich: Als Kind bin ich immer mit der S-Bahn vom Süden in die Altstadt an der Philipshalle vorbei gefahren und habe die Werbung gesehen – gefühlt immer Holiday on Ice– und dachte mir: Irgendwann spielst du da auch mal. Deshalb ist und bleibt die erste Show dort natürlich sehr besonders.

Mit wem würdet ihr gerne mal zusammen auf der Bühne stehen? Mit wem hättet ihr gerne mal auf der Bühne zusammen gestanden? Ich weiß nicht mehr, das wievielte Mal wir im ISS-Dome gespielt haben, da haben wir uns den Luxus gegönnt und The Misfits als Support eingeladen. Die haben wir Jahre zuvor noch selber supported, was damals schon ein Highlight war. Als Jerry Only, der Bassist, dann beim Konzert in seinem Kostüm vor mir im Graben steht und mir den Mittelfinger zeigt, dachte ich nur: Ey, geil! Das war sehr lustig. Davon abgesehen habe ich große Angst, meine Helden kennenzulernen. Ich habe Angst davor, enttäuscht zu werden. Ich will nicht, dass Al Pacino, Robert de Niro oder Bruce Springsteen irgendwelche Schwachmaten sind. Da hab ich Angst vor.

Was war dein erstes Konzert in Düsseldorf – wen hast du gesehen? Das erste Konzert ever war „Heiter bis Wolkig“ im Düsseldorfer Zakk. Das wird so 91/92 gewesen sein. Das war im Sommer, draußen, mit der damaligen Freundin. Wir haben uns eine Dose Bier geteilt und waren danach total breit. War super.

Punk ist von Beginn an eine disruptive (Anti-)Bewegung gewesen. Wogegen hast du früher vor allem rebelliert? Als ich damit anfing, habe ich wie jedes Kind gegen die Eltern rebelliert. Relativ normal also. Man wollte anders sein als die Eltern, man wollte sich abgrenzen von den Poppern und den ganzen Vögeln, die draußen rumliefen. Kurz danach kam diese gefühlt dritte Punk-Explosion mit Green Day und Offspring. Und dann war der Punk auf einmal nicht mehr provokant genug – und wir haben uns die Haare abgeschnitten und wurden Skinheads. Dadurch konnten wir wieder auf einem ganz neuen Level provozieren. Wir wussten ja, was Skinhead bedeutet: Reggae-Musik, Anti-Rassismus, Smart und Hart, gut angezogen aber trotzdem kleine Dreckssäue. Parallel waren leider auch die Anschläge auf die Ausländerheime in Mölln und Solingen in den Medien. Das war hochgradig verwirrend für unser Umfeld und es gab viel Wind von Außen, der uns aber weiter zusätzlich beflügelt hat. Die Menschen haben in Schubladen gedacht, uns nicht verstanden: Die sind jetzt Nazis? Was ist denn da los? Aber wir fanden es natürlich geil, weil wir endlich provozierten. Das war beim Punk nicht mehr möglich. Naja, Rückblickend betrachtet und aus Natur der Sache heraus: Wir waren halt 12, eher süß. Nicht, dass wir als 14/15-jährige Skinheads härter gewesen wären und nicht immer noch süß. Aber wir fanden uns selber sehr hart, weil die Bomber-Jacken konntest du ja schön groß kaufen.

Wogegen lohnt es sich heute besonders, zu protestieren? Ich weiß nicht, ob Protest das richtige Wort ist, aber es lohnt sich immer und immer wieder klar zu machen, was für eine Vergangenheit Deutschland hat. Ich rede vom Dritten Reich und dass das nie wieder passieren darf. Weder in Deutschland, noch in Europa, noch in der Welt. Ich glaube, es lohnt sich explizit für etwas zu sein. Und zwar für ein Miteinander, für ein Aufeinander-aufpassen, für ein Positiv-und Offen-Sein. Und einfach nicht zu zulassen, dass man wieder Grenzen aufbaut und solche Scheiße entstehen kann. Wo wir uns wirklich immer dachten: Das wird doch nie wieder passieren! Aber die Generation nach uns, für die ist das überhaupt nicht mehr präsent. Die wissen gar nicht mehr, was selbst Anfang der 90er in Solingen und Mölln los war. Ich glaube, es ist weniger der Protest, sondern viel mehr die Aufgabe von uns, darauf aufmerksam zu machen und mit gutem Beispiel voran zu gehen.

Heute ist Musik oft auf den größten gemeinsamen Nenner ausgerichtet und ziemlich unpolitisch. Warum ist das deiner Meinung nach so? Das ist nun mal so in der Pop-Musik oder Populär-Musik: Populär wirst du, wenn du viel verkaufst und bekannt bist. Und je weniger du aneckst, umso weniger Leuten stößt du vor den Kopf und umso mehr Platten verkaufst du. Ich habe zum Beispiel sehr lange Helene Fischer angekreidet, dass sie sich nie äußert, obwohl sie so eine Macht hat – als Frau mit Migrationshintergrund. Und dann ist es irgendwann auch passiert, dass ihr der Kragen geplatzt ist und sie eineAnsage im Stadion gemacht hat. Da sind die Leute aufgestanden und gegangen. Ich hoffe, dass selbst die Leute, die Pop-Musik ohne politische Inhalte machen, wenn es hart auf hart kommt, sagen: Bis hier hin und nicht weiter!

Warum bist du immer in Düsseldorf geblieben? Unabhängig davon, dass die Band mich natürlich in gewisser Weise bindet, hat Düsseldorf alles für mich, was ich brauche. Dieses Städtchen ist für mich (da werden andere Städte natürlich im Strahl kotzen) die kleinste Metropole der Welt. Eine kleine süße Art von Metropole, weil wir eine weltoffene Stadt sind und relativ viel bieten. Das Schöne ist ja, weil die Stadt so klein ist, stellst du dich irgendwohin hin, läufst 10 Minuten in irgendeine Himmelsrichtung und kommst an einen geilen Ort.

Was vermisst du, wenn du auf Tour bist? Alleine sein. Sonst eigentlich nichts, weil ich ja weiß, die Touren sind nicht ewig lang. Wir spielen nur in deutschsprachigen Ländern und Städten und ich weiß, ich bin relativ schnell wieder hier. Ich versuche lieber, die andere Stadt zu genießen, wenn ich die Chance dazu habe. Zurück in der Stadt wird hier dann auch wieder schwer abgecoucht.

Kannst du dich in der Stadt weitestgehend unbehelligt bewegen oder wirst du oft auf der Straße angesprochen? Es fing irgendwann im Lauf der Zeit an und wurde immer mehr, passiert aber immer superangenehm, nie doof. Du entwickelst im Lauf der Zeit Antennen dafür. Aber das ist alles cool, weil es zeigt ja nur: die Band wird bekannter. Wenn die Leute höflich sind, was sie auch wirklich zu 95% sind, ist das völlig in Ordnung und auch Teil meines Berufs.

Drei Plätze in Düsseldorf, die du deinen Gästen unbedingt zeigen musst? Die Treppen am Hafen. Sehr schön dort. Dann natürlich die Treppen vorm Uerige. Nach einem Spaziergang am Rhein lade ich meine Gäste auf meinen Balkon ein, von dort aus kann man schön den Fernsehturm sehen.

Ein Restaurant, wo du immer mal hinwolltest, aber noch nie warst? Mir wurde schon länger von meinem Manager versprochen, mich ins japanische Sternerestaurant Nagaya einzuladen. Da war ich noch nicht. Liebe Grüße an Patrick. (Wir kommunizieren meist über Interviews.)

Wo und wann fühlst du dich wie ein „richtiger Düsseldorfer“? Als ich im Düsseldorfer Süden gewohnt habe, da gab es eine Stadtteilkneipe, die hieß damals Westside. Da stand immer der Detlev am Tresen, der hatte ein Schulbüdchen, ganz charmanter Typ, kräftige Statue, immer gut angezogen, netter Kerl. Der ist für mich so ein richtig uriger Düsseldorfer und wenn ich mit dem Bier getrunken habe, hat er immer eine Sonne gesoffen, also immer einmal um den Deckel rum. Guter Typ! Liebe Grüße!

Eine ganz besondere, erinnerungswürdige Nacht in Düsseldorf hast du wo verbracht? Es gibt sie ja immer wieder mal, diese Nächte… aber da fällt mir direkt die Fußnacht ein. Die startete schon tagsüber beim Shoppen mit einem Stützbier. Du merkst, du bist sehr unentschieden und gibst zu wenig Geld aus. Dann trinkst du ein Bierchen und dann sitzt die Karte lockerer. Das Bier schmeckt, du hast was gegessen, bringst die Einkaufstüte weg und dann geht’s weiter. Wir sind dann versehentlich im Reinraum, der unterirdischen Pissoir-Galerie beim Rosie’s gelandet. Da war eine wilde Party im Gange. Irgendwann später wollte ich mich mit meiner Freundin noch vor die Haustür setzen mit einem Getränk. Ich bin dann nach oben, hab Getränke geholt und bin wieder barfuß runtergekommen. Die Schuhe hab ich oben gelassen und den Schlüssel vergessen. Dann mussten wir von meiner zu ihrer Wohnung einmal quer durch die Stadt laufen, barfuß. Es tat sehr weh an meinen zarten Füßen und mir kam eine Frau entgegen, die sagte: „Ja, da müssen sie nicht so schimpfen, wir sind ja auch nicht in Marokko hier!“ Das schönste und das geht in Düsseldorf tipptopp, sind diese versehentlichen Saufereien, in die man reingerät und bei denen man lustige Leute trifft.

Beschreibe den typischen Düsseldorfer-Stil in drei Worten: Wenn ich böse und schlecht gelaunt wäre, würde ich sagen: Du nimmst dir ein schönes Wachs-Jäckchen, trägst ein rosa Polo-Hemd drunter, stellst den Kragen hoch und ziehst dann noch Boots-Schuhe dazu an.

Dein All-Time-Favorite-Song? Heute Abend: Moderat – A New Error

Gibt es News, Aktuelles, Dinge, die unsere Leser wissen sollten? Wir machen zum 25-jährigen keine Party und werden deswegen im nächsten Jahr nachfeiern. Das heißt, wir spielen im nächsten Jahr unsere eigenen Open Air Festivals. Wir laden Bands ein, die wir gerne mögen und mit denen wir immer gerne schon mal zusammen spielen wollten. Und achja: Dann bringen wir noch einen eigenen Gin raus! Wir haben bereits sehr früh, sehr verliebt von Gin gesprochen und viel davon getrunken. Obwohl die Blase gefühlt kurz vorm Platzen ist, haben wir uns gedacht: Scheiß drauf! Gin und Broilers gehören zusammen, wir wollen unseren eigenen Gin machen, aber nur wenn es ein wirklich gutes Produkt wird. Wir haben mit Michael Schnitzler vom Uerige gesprochen, der fand die Idee super und wir haben dann 1,5 Jahre oder mehr an der Entwicklung gearbeitet. So viel sei verraten: Es ist der erste in Düsseldorf gemachte Gin ist, der komplett aus Düsseldorf kommt.

Vielen Dank.

BROILERS OPEN AIRS 2020
09.07.2020  AT-Wien – Arena Open Air
11.07.2020  Essen – Stadion
24.07.2020  Dresden – Filmnächte am Elbufer
25.07.2020  Hamburg – Open Air am Volkspark
01.08.2020  Losheim – Strandbad
08.08.2020  Berlin – Waldbühne
14.08.2020  Rostock – IGA Park
15.08.2020  Kassel – Messe

Alle News & Infos zu den Broilers findet Ihr
hier…

Unsere Tour mit Sammy führte uns durch die folgenden Läden:

Uerige, Berger Straße 1 40213 Düsseldorf-Altstadt • uerige.de

Destille, Bilker Straße 46, 40213 Düsseldorf-Carlstadt • destille-duesseldorf.de

Oaks Bar, Hunsrückenstraße 14, 40213 Düsseldorf-Altstadt • theoaksbar.de

Engelchen, Kurze Straße 15, 40213 Düsseldorf-Altstadt

Text/Interview: Tina Husemann
Fotos: Robert Eikelpoth
© THE DORF 2019

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