Anja Pelzer-Brennholt

Name: Anja Pelzer-Brennholt
Alter: 51
Beruf: CIT-Trainerin, Rechtsanwältin

Geburtsort: Düsseldorf
Exil-Düsseldorfer seit: 1988
Wohnort: Berlin

In den vergangenen Monaten haben wir viel über die Hygiene unserer Hände gelernt. Aber wie sieht es eigentlich mit unserer psychischen Hygiene aus? Wie schaffen wir es, in Krisen die Balance zu halten und mit unseren Ängsten umzugehen, statt uns darin zu verlieren? Mit solchen Fragen beschäftigt sich die Exil-Düsseldorferin und CIT-Trainerin Anja Pelzer-Brennholt nicht erst seit der Pandemie. Für sie ist eine überzeugende Antwort, unsere Resilienz zu trainieren und mit uns selbst und anderen mitfühlend umzugehen. Denn, erklärt die Wahl-Berlinerin: „Mitgefühl für uns und andere stärkt unsere positiven Beziehungen mit anderen Menschen.“ Die Forschung zeige, dass beides wiederum unser Immunsystem verbessert. 

Schon als kleines Mädchen hatte Anja einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn und ertrug es nicht, wenn es im Leben nicht fair zuging. Später dann studierte sie Jura – mit Schwerpunkt Völkerrecht und Menschenrechte. Während vier Auslandsjahren mit ihrer Familie im US-amerikanischen Atlanta setzte sie kürzlich noch einen Master in Positive Psychology drauf. „Ich hatte seit 1999 für eine Wissenschaftsorganisation gearbeitet, war beurlaubt und wollte nun lauter Dinge machen, für die ich leidenschaftlich brenne, bis dahin aber keine Zeit hatte. Seit dem Kindergarten ist so viel liegengeblieben.“ Sie lacht.

Positive Psychologie bedeutet übrigens nicht positives Denken oder reine Glücksforschung. „Die Positive Psychologie ist vielmehr die wissenschaftliche Erkenntnis, was bereits gut läuft und worauf aufgebaut werden kann.“ So schaut sie zum Beispiel, wie wir unsere Resilienz, also unsere psychische Widerstandskraft, steigern, so dass wir negative Erfahrungen erleben können, ohne nachhaltig aus der Bahn geworfen zu werden und wieder auf die Füße kommen. 

Mehr als ein Zeichen war für Anja, dass 2014 in Atlanta das National Center for Civil and Human Rights eröffnete. „Dr. Martin Luther King ist in Atlanta geboren. Er war ja die Leitfigur der afroamerikanischen Bürgerrechtsbewegung und einer meiner ganz großen Helden.“ Das Center widmet dem Civil Rights Movement und seiner Vorgeschichte eine interaktive Ausstellung und schlägt auch die Brücke zu den internationalen Menschenrechten. „Hier habe ich daher als Dozentin arbeiten können“, sagt sie und ihre grünen Augen leuchten noch etwas heller. 

Über ihren Job lernte sie eine Reihe von Wissenschaftlern kennen, die gemeinsam mit einer Gruppe von Praktikern das Compassionate Integrity Training (kurz CIT) entwickelten. Dieses Training baut Anja Pelzer-Brennholt derzeit in Deutschland auf und trägt es mit dem internationalen Netzwerk in die Welt. CIT erklärt sie so: „Es ist ein Training, das bei uns selbst beginnt. Es lehrt, wie wir uns besser wahrnehmen und dann auch regulieren können.“ Es trainiere unsere Resilienz und unser Selbstmitgefühl. Danach gehe es um die Beziehung zu anderen, im dritten Teil dann um die großen Zusammenhänge. „Eine optimale Lösung kann es nur geben, wenn es nicht nur einem oder einer Gruppe von Menschen gut geht. Nur wenn wir auch andere stärken, stärken wir uns selbst“, erklärt sie.

CIT beruhe auf neusten Erkenntnissen insbesondere der Psychologie, der Neurowissenschaften, der Trauma- und der Meditationsforschung, aber auch der Friedens- und Konfliktforschung sowie der wissenschaftlichen Erkenntnis, dass man pro-soziale Kompetenz erlernen und trainieren kann.

„Man muss aber weder AkademikerIn sein noch besondere Vorkenntnisse haben, um am Training teilzunehmen“, sagt Anja. Sie ist überzeugt, dass CIT ganz besonders in die heutige Zeit passt. „Globale Krisen wie der Klimawandel und die Pandemie verdeutlichen, in welcher wechselseitigen Abhängigkeit wir Menschen mit unseren Systemen und unserer Umwelt stehen“, erklärt sie. Dann wird sie nachdenklich und sagt: „Wie schön wäre es, wenn wir die Krise nutzen könnten – für einen Wandel durch ein verbessertes Miteinander und mehr Weitblick.“ 

Anjas Kurse werden international auf Englisch angeboten. Aufgrund von vielen Kooperationen, insbesondere mit der UNESCO, boomt das Training seit seinem Start 2016 international. Pandemie bedingt bietet Anja Pelzer-Brennholt CIT-Kurse auf Deutsch momentan auch nur aus dem Homeoffice online an. Der nächste zehnwöchige Kurs startet bereits am 13. August 2020.

Warum hast du Düsseldorf verlassen? Nach dem Abitur haben meine Eltern mir ein Gap-Year ermöglicht und von der „weiten Welt“ ging ich dann nicht zurück, sondern zum Studieren in andere Städte.

Vermisst du die Stadt? Ja, schon für das, wofür sie für mich steht: Familie, rheinländische Offenheit und durch meine Schwester auch die Kunstszene.

Wenn ja, was vermisst du am meisten? Familie und – was die Stadt angeht – offene Freundlichkeit auf der Straße.

Dein Lieblingsort in Düsseldorf: Die Burgruine in Kaiserswerth. Dort haben meine Geschwister und ich als Kinder gerne Zuckeruhren verspeist, die gab es dort in der Nähe an einem Kiosk. Außerdem liebe ich den Weg dorthin. Auf dem Rad. (Damals benötigte ich dann meistens noch den Turboschwung von meinem Papi).

Ein positives Erlebnis, das dich mit Düsseldorf verbindet: Neben meiner Geburt, eine unbeschwerte Kindheit, Ausflüge mit der Familie in den Grafenberger Wald, Radtouren am Rhein entlang.

Allgemein

Was ist dein Lieblingsessen? Pasta und Gemüse. Ich bin zwar keine Vegetarierin, aber viel und buntes Gemüse – am liebsten nicht von mir selbst zubereitet – ist eine große Freude.

Wo oder wobei kannst du am besten entspannen? In der Stadt: in der Hängematte. Sonst: in der Natur; beim Meditieren.

Dein Lieblingsreiseziel ist? Ich liebe es zu reisen und an den jeweiligen Orten die Menschen kennenzulernen. Auch hier kommt es darauf an: Wenn es um die Natur und Vielfalt geht, gehört Costa Rica definitiv zu meinen Lieblingsorten. Ich fliege allerdings zunehmend ungern. Nahziele: Ich liebe die Uckermarck, die Mecklenburger Seenplatte, die Weite und die wilde Natur dort.

Welchen Kinofilm hast du zuletzt gesehen? Leider sind ja Kinos schon lange geschlossen. BlackKKlansman von Spike Lee

Dein All-Time-Favourite-Movie? Mary Poppins, Das Dschungelbuch 

Für welchen Verein schlägt dein Herz: Ich bin gar kein Vereinsmensch und auch kein leidenschaftlicher Beobachter von Sport. Müsste ich mich entscheiden, würde ich – meinen Hamburger Zeiten gedenkend – St. Pauli wählen.

Welches Buch liegt aktuell auf dem Nachtisch? Auf meinem Nachtisch liegt nie nur ein Buch, denn auch lesen hat für mich was mit Stimmung und Bedürfnis zu tun. Auf meinem Nachtisch liegt immer mein Buch für meinen Buchclub. Das sind alles alte Freunde. Wir treffen uns seit 20 Jahren, haben fast alle zusammen in Hamburg studiert, sind alle in Berlin gelandet und Rheinländer sind auch dabei.) Momentan lesen wir: Auf Erden sind wir kurz grandios von Ocean Vuong. Das Format ist irre. Kurze Briefe eines jungen Mannes an seine durch den Vietnamkrieg traumatisierte Mutter. Hart, aber sehr gefühlvoll. Außerdem Trevor Noah Born a Crime. Mit ihm verbindet mich die Leidenschaft, mich für mehr Gerechtigkeit einzusetzen, eine besondere Verbindung zu Südafrika und die Tatsache, dass ich es liebe, zu lachen. Auch wenn Vieles bei ihm natürlich auch tragische Seiten hat, ist es häufig kurzweilig. Schließlich liegt da immer auch ein Sachbuch. Im Momentan Die Kunst des Miteinander-Redens: Über den Dialog in Gesellschaft und Politik. das neue Buch von Schulz von Thun und Bernhard Pörksen. Das ist großartig und hochaktuell. Essentiell für das, was mich umtreibt, das verbesserte Miteinander, ist die Kommunikation. Schulz von Thun und Pörksen behandeln den Wandel, den die gesellschaftliche Kommunikation erfährt – insbesondere durch die Rhetorik von Populisten, durch Polarisierung, neue Medien, Fakenews und mangelnde Wertschätzung auf Sach- und persönlicher Ebene auf allen Seiten.

Vielen Dank!

Alle Infos zu Anjas Kursen findet Ihr hier…
www.compassionateintegrity.org
https://www.dgpp-online.de/home/ausbildung/compassionate-integrity-training

Text: Katja Hütte
Fotos: Sabrina Weniger
(c) THE DORF, 2020

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