MARTIN MIRON • FILMEMACHER “König der Nacht. Zwischen Schall und Rau(s)ch”

Die Nachtresidenz – ein Ort zum Feiern, Tanzen und Eskalieren. Für die Partypeople aus Düsseldorf und Umgebung ist die Nachtresidenz ein wesentlicher Bestandteil der Clubszene und aus dem Düsseldorfer Nachtleben nicht mehr wegzudenken. Nichtsdestotrotz liegen harte Jahre hinter dem Club, ausgelöst durch die Pandemie und dem Deckeneinsturz im März 2022. Wie Geschäftsführer Marcel Oelbracht diese Herausforderungen überwunden hat, zeigt der Film “König der Nacht. Zwischen Schall und Rau(s)ch”. Filmemacher Martin Miron, ein alter Schulfreund von Marcel, hat es sich zur Aufgabe gemacht, Höhe-, Tief- und Wendepunkte der Nachtresidenz in einer bewegenden Dokumentation festzuhalten. Entstanden ist ein Herzensprojekt, das die Bedeutung des Clubs auf eine besondere Ebene hebt. Der Film ist ab dem 1. Oktober auf Youtube abrufbar. Im THE DORF-Interview erzählt Martin Miron, wie es zu dem Film gekommen ist, von seinen Zeiten als DJ und wie er die aktuelle Entwicklung der Clubkultur sieht.

Wie bist Du auf die Idee gekommen, einen Film über die Nachtresidenz und Marcel Oelbracht zu drehen? Was hat Dich an dem Thema gereizt und wie kam die Zusammenarbeit zustande? Das ist alles mehr oder weniger per Zufall passiert. Marcel und ich kennen uns aus der Schule und hatten immer wieder lockeren Kontakt. Im Herbst 2021 haben wir uns zum Essen getroffen. Er erzählte mir, dass die Nachtresidenz gerade umgebaut wird und er jeden Tag mit neuen Herausforderungen zu kämpfen hätte. Er sagte, man müsste eigentlich jeden Tag mit der Kamera dabei sein, um den Prozess bis zur Neueröffnung im November 2021 zu verfolgen. Das war aber nur so eine Idee im Gespräch und keine Beauftragung oder dergleichen. Demnach also ein kleines Video für die Social Media Kanäle, die den Umbau dokumentieren. Ich habe das Thema zunächst fallen gelassen, doch einige Tage später hat es mich doch zu sehr beschäftigt und ich rief an und sagte, wir kommen mal ab und zu rum und filmen auf, was uns so vor die Linse läuft. So fing das alles eigentlich an.

Was möchtest Du mit dem Untertitel “Zwischen Schall und Rau(s)ch” ausdrücken? Zwischen Schall und Rau(s)ch hat gleich mehrere Bedeutungen, zum einen bewegen wir uns im Nachtleben zwischen Bass und Exzessen, zum anderen kriegen wir einen ungeschönten Blick auf einen dubiosen Protagonisten, den man nicht zu nehmen weiß. Marcel ist irgendwas zwischen Genie und Wahnsinn. Ich kann mir gut vorstellen, dass Leute sich total an seiner Art stören oder ihn auch dafür lieben. Er ist ungreifbar und das ist der eigentliche Treiber des Films. Super spannend, wenn man erst mal in seine Welt entführt wurde.

Du bist sonst Werbefilmmacher. Inwieweit unterscheidet sich die Arbeit bei der Produktion eines Dokumentarfilms und was war die größte Herausforderung? Das kann man recht gut mit Zahlen beantworten. Bei Werbefilmen ist das Drehverhältnis üblicherweise 6 zu 1. Das bedeutet beispielsweise, dass man aus sechs Minuten gefilmtes Material am Ende eben eine Minute fertigen Film hat. Bei diesem Projekt lag das Drehverhältnis bei 128 zu 1. Und der Film ist über 70 Minuten lang, da kann man sich vorstellen, wie viel wir für die Tonne aufgenommen haben. Ich habe die Aufgabe total unterschätzt. Und das in jeglichem Aspekt; sei es finanziell, ressourcentechnisch oder auch von der Umsetzung. Vor allem, weil das Konzept erst im Prozess entwickelt wurde und ich immer wieder vor der Entscheidung stand, den Film in die eine oder andere Richtung zu entwickeln. Es sind ja auch einige Dinge passiert, die keiner kommen sehen hat. Darüber hinaus haben mein Team und ich gemerkt, wie wichtig es ist, dass man den Zuschauer „führt“. Viele Dinge erschließen sich ja nicht einfach so. Man braucht den Kontext oder eine Brücke, um von einem Themengebiet in das nächste zu gelangen. Das war bei insgesamt drei Jahren Drehzeit eine sehr anspruchsvolle Aufgabe, wo ich immer wieder an meine Grenzen gekommen bin.

Der schönste Moment beim Dreh war für Dich…? Einen schönen Moment im eigentlichen Sinne gibt es für mich tatsächlich nicht. Natürlich denke ich an besonders schöne Szenen oder die Aufnahmen in Ibiza zurück. Wenn ich aber jetzt zurückschaue und überlege, was so toll an dem Projekt war, dann ist es das, wie sehr mein Team sich da rein gehängt hat. Ich empfinde es als überhaupt nicht selbstverständlich, dass jedes Mitglied so viel Zeit, Fleiß und Gehirnschmalz in dieses Projekt investiert hat. Es gab auch unzählige Momente, wo das Team meinen Launen ausgesetzt war, weil ich unter enormen Druck stand, und dennoch keine Sekunde an dem Projekt gezweifelt habe. Diesen Rückhalt empfinde ich als großes Glück.

Was verbindest Du persönlich mit der Nachtresidenz? Hast Du eigene Erinnerungen an feierwütige Partynächte? Tatsächlich war ich selbst zehn Jahre lang DJ und hier in der Düsseldorfer Clubszene aktiv. Daher hatte ich auch die einen oder anderen Berührungspunkte mit der Nachtresidenz. Meinen letzten Abend als aktiver DJ habe ich dort gespielt. Ich muss aber ehrlich sagen, dass der Laden und ich nie warm miteinander geworden sind. Ich finde die Nachtresidenz als Düsseldorfer Instanz mit langer Geschichte wichtig für die Stadt, jedoch ist das Publikum meistens nicht meins.

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Wie siehst Du die Entwicklung der Düsseldorfer Clubszene? Das Feiern in der Stadt hat sich verändert. Die Menschen haben heute andere Möglichkeiten, sich kennenzulernen. Social Media, Tinder und Co. machen es eben recht einfach, sich zu verabreden. Früher musste man ausgehen, um jemanden kennenzulernen. Mein Gefühl ist auch, dass Bars oder kleinere Clubs derzeit gefragter sind und es für die Leute etwas attraktiver ist, dorthin zu gehen, weil es meist keinen Eintritt gibt oder es nicht so leer aussieht, wenn der Laden nicht komplett voll ist. Ich glaube, dass die Zeit der großen Clubs so langsam zu Ende geht.

Wie sieht Deine perfekte Düsseldorfer Partynacht aus? Es gibt diese bestimmten Momente, wo der ganze Laden brennt und eine homogene Masse ist. Jeder Gast ist voll im Moment, tanzt ausgelassen und entflieht für ein paar Stunden dem Alltag. Wenn dann noch engste Freunde dabei sind und man den Abend mit ihnen teilen kann, ist ein legendärer Abend vorprogrammiert. Das muss aber nicht unbedingt in einem Club sein. Eine geile Hausparty oder Abend am Rhein bieten ebenfalls beste Voraussetzungen für eine gute Zeit, die man nicht so schnell vergisst.

Was wünschst Du der Nachtresidenz für die Zukunft? Ich würde mir wünschen, dass die Nachtresidenz es schafft, den Ruf der früheren Jahre wieder aufleben zu lassen. Der Laden hat viel Potenzial und ein Besuch ist immer noch ein echtes Erlebnis.

Verrate uns, ob Du weitere Dokuprojekte planst. Derzeit gibt es ein paar Anfragen für weitere Doku-Projekte, ob wir diese allerdings umsetzen, steht noch in den Sternen. Ich bin total froh, diese Erfahrung gemacht zu haben, aber ich bin in erster Linie ein Werbefilmregisseur. Vielleicht lassen sich die beiden Genres Werbung und Doku mehr in Richtung Branded Stories entwickeln. Dann hätte man beide Welten vereint.

Vielen Dank!

Alle Infos zum Film, Trailer und den Link zur Premiere findet Ihr hier…

Interview: Franka Büddicker 
Fotos: Presse
© THE DORF 2023

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