Florentina Holzinger beim asphalt Festival

© Apollonia Theresa Bitzan

Florentina Holzinger gilt aktuell als eine der aufregendsten Choreografinnen Europas. Beim asphalt Festival 2021 ist die 35-jährige Wienerin mit ihrem bislang spektakulärsten Stück in Düsseldorf zu Gast: „TANZ“ ist ein atemberaubendes Bühnenkunstwerk und wurde mit Theaterpreisen förmlich überhäuft, erfordert vom Publikum aber auch starke Nerven.

»Mit Körpern Experimente machen«

Performances von Florentina Holzinger sind geballte Energie und eine ästhetische Wucht: Da gibt es schwindelerregende Akrobatik, muskulöse Frauenkörper und lustvolle Martial-Arts-Kampfszenen zu sehen. Holzinger hat ein Faible für Trash und Tabubrüche, und doch haben ihre Arbeiten eine überraschend zarte Wirkung und einen tiefgründigen Humor. Sie produziert Bilder auf der Bühne, die man nicht vergisst.

Florentina Holzinger hat Choreografie in Amsterdam studiert und arbeitet bereits seit zehn Jahren als Performancekünstlerin, aber seit vergangenem Jahr geht sie förmlich durch die Decke: Plötzlich ist sie ein Star, berühmt weit über die Grenzen der Tanzwelt hinaus. Das hat viel mit ihrem Stück „TANZ“ zu tun, das das diesjährige asphalt Festival am 30. Juni eröffnet und in zwei weiteren Vorstellungen am 1. und 2. Juli im Central am Hauptbahnhof zu sehen ist. 

Die Inszenierung beginnt mit einer klassischen Ballettstunde, auf der Bühne sind ausschließlich Frauen, weitestgehend nackt. Doch die Szenerie wird immer düsterer, freier, wilder. Das romantische Ballett bekommt von Holzinger ein radikales Update verpasst, bisweilen gleicht das einem wahren Höllenritt. In einem opernhaften Setting zwischen Märchenwald und Hexensabbat fließt einiges an Kunstblut, und man bekommt Stuntszenen zum Beispiel auf Motorrädern zu sehen, die einem den Atem stocken lassen. Beeindruckend ist auch das Ensemble, das Holzinger auf der Bühne versammelt: elf starke Frauen, die jüngste 20, die älteste 80 Jahre alt, die aus ganz unterschiedlichen künstlerischen Bereichen kommen – moderner Tanz, Ballett, aber auch Theater und Zirkus. 

Florentina Holzinger analysiert in ihren Choreografien, wie Weiblichkeit auf der Bühne dargestellt wird. Der Körper steht im Zentrum ihrer Arbeit, sie begreift ihn als Experimentierfeld. Was kann man mit ihm machen, zu was ist er in der Lage? Und kann man ihm durch spezielles Training vielleicht sogar Dinge abfordern, die man zunächst nicht für möglich gehalten hätte? Holzinger geht es darum, Grenzen auszuloten – und nach Möglichkeit vielleicht sogar ein bisschen zu verschieben.

Wohl kaum ein Bühnenstück hat im deutschsprachigen Raum 2020 so viele Preise gewonnen wie „TANZ“: Es war beim Berliner Theatertreffen zu sehen, wo jedes Jahr die zehn wegweisendsten Arbeiten der Saison gezeigt werden, es wurde in der Kritikerumfrage des Fachblatts „Theater heute“ zur „Inszenierung des Jahres“ gekürt und war für den höchsten deutschen Theaterpreis „Der Faust“ nominiert. Zudem erhielt Holzinger den österreichischen Theaterpreis „Nestroy“ für die „Beste Regie“.

Florentina Holzinger geht mit ihrem plötzlichen Ruhm ziemlich lässig um: „Das war natürlich so ein bisschen auch der Joke an diesen Theater- und sogar Regiepreisen, die ich da letztes Jahr gekriegt habe, weil ich mich selbst nie als Regisseurin gesehen hätte.“ Ist das nun Tanz oder Theater oder Performance, was sie macht? „Die Unterscheidung dieser künstlerischen Sparten interessiert mich überhaupt nicht“, sagt Holzinger. „Ich glaube, ich ordne mich nur deshalb gerne dem Tanz zu, weil es so vintage ist. Und weil Tanz immer mit körperlichem Skill zusammenhängt.“ Denn darum geht es ihr vor allem: mit Körpern Experimente zu machen. Und sie beherrscht die Kunst, Schockierendes in Schönheit zu verwandeln.

TANZ ist beim asphalt Festival zu sehen am 30. Juni um 21:00 Uhr, am 1. Juli um 20 Uhr und am 2. Juli um 20.30 Uhr, jeweils im Central am Hauptbahnhof. Tickets für 30 Euro (ermäßigt 15 Euro) gibt’s auf asphalt-festival.de und telefonisch unter 0211. 695 450 33.

WIN WIN WIN! Wir verlosen 2×2 Karten für „TANZ“ von Florentina Holzinger am Donnerstag, den 1. Juli 2021 auf Facebook und Instagram.

Text: Marita Ingenhoven
Fotos: siehe Bildbeschreibung
© THE DORF 2021

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